|

Adrenaline Rush – Tave Wanning über das Debüt der Schwedenrocker und Frauen im (Hard)Rock


Tave Wanning ist kein unbeschriebenes Blatt im Showbiz: Mit neun Jahren war sie bereits ein Teil des Pop Duos „Peaches“, das 2001 mit dem Song ‚Rosa Helikopter‘ einen großen Hit in Skandinavien landen konnte. Übrigens nicht zu verwechseln mit der kanadischen Elektrokünstlerin Peaches. Weit hat es die Schwedin gebracht vom Kinderstar und Dancefloor-Girlie-Pop im „Aqua“-Stil bis zur Frontfrau einer der heißesten Hardrock-Neuentdeckungen dieses Jahres. Das vor kurzem veröffentlichte Debütalbum zählt nicht nur zu den diesjährigen Lieblingsplatten unserer Rockredaktion, sondern kommt auch bei den Fans gut an. Melodischer female-fronted Hardrock, der sofort ins Ohr und in die Beine geht, das ist das Markenzeichen dieser schwedischen Band.

Adrenaline-Rush-cover.jpg „Zum gelungenen Debüt zunächst herzliche Glückwünsche an die Band. Dann bitten wir Tave Wanning, uns ein wenig über ihre musikalische Karriere zu berichten. Sie blickt zurück auf ihre Entdeckung und die Zeit bei Peaches:

„Meine musikalische Laufbahn begann, als ich sieben war“

, erinnert sich die Sängerin.

„Ich konnte damals schon gut tanzen, aber ich habe niemals daran gedacht, auch zu singen. Aber meine Mutter hat mich dann zu einer Audition angemeldet für eine Gruppe, aus der dann schließlich Peaches wurde. Ich glaube, sie hat mich eigentlich als Tänzerin für dieses Gruppe gesehen und vorgeschlagen, aber ich wurde dann schließlich dort auch Sängerin. Das war gar nicht so geplant und ist einfach so passiert. Und was soll ich sagen – mir hat das wirklich viel Spaß gemacht!“

Das Pop-Duo „Peaches“, bestehend aus Tave Wanning und der drei Jahre älteren Isabelle Erkendal, veröffentlichte bis zur Auflösung im Jahre 2005 drei Alben und eine EP.

„Wir haben einen Song heraus gebracht, mehr oder weniger als ein Experiment, ohne große Erwartungen zu haben. Aber er kam sehr gut an, und bevor ich mich versah, hatten wir zwei Alben veröffentlicht, dazu ein paar Singles, hatten Videos, Fernsehauftritte und eine Tour durch Schweden und Norwegen. Das erste Album hat dort auch Goldstatus erreicht, die Single sogar Platin. Wir hatten so viel Spaß zusammen, das war eine tolle Erfahrung. Schon damals hat mir das Leben auf Tour besonders gut gefallen, und ganz besonders die Live-Auftritte. Ich stand also schon früh im Rampenlicht und habe meine Erfahrungen gesammelt. Mir wurde schnell klar, dass das etwas war, was ich später auch machen wollte. Vom Pop weg zum Rock war dann eine ganz natürliche Entwicklung. Peaches existierte, bis ich etwa zwölf Jahre alt war. Ich wollte aber unbedingt weiter singen, also habe ich damit angefangen, Songs aufzunehmen, die mir gut gefielen. Ich bin mit Rockmusik der 60er, 70er und 80er Jahre aufgewachsen, weil meine Eltern die auch immer gehört haben, und war in meinem Herzen schon immer eine Rockerin.“

Adrenaline_rush2.jpg.jpg „Ideale Voraussetzungen als, um jetzt als Frontfrau bei Adrenaline Rush so richtig los zu powern. Ursprünglich war die Band als Solo-Projekt geplant. Das Songwriting begann zusammen mit Erik Martensson, seines Zeichens Songwriter und Bandmitglied / Produzent bei Eclipse und W.E.T.

„Erik war von Anfang an stark in das Projekt eingebunden“

, erklärt Tave Wanning auf unsere Nachfrage.

„Er hat auch den Sound der Band mit kreiert. Ich hatte die Jahre zuvor in verschiedenen Bands gesungen, aber nichts davon war irgendwie ein ernsthaftes Projekt. Es ist nicht so einfach, Leute zu finden, die eine gemeinsame Vision haben und in die gleiche Richtung gehen wollen, was musikalische Ideen und den Sound betrifft. Klar, man hat immer eine gute Zeit zusammen und viel Spaß, aber irgendwann willst Du mehr als immer nur im Probenraum sein oder in winzigen Clubs zu spielen. Ich wollte die Musik auf einen professionelleren Level bringen, aber ich wusste nicht genau, wie ich da hinkommen sollte. Dann habe ich per Zufall Erik auf einem Konzert der Quireboys getroffen. Ich hatte vor Jahren schon mal ein paar Vocals für einen seiner Songs aufgenommen, aber im Grunde kannten wir uns nicht. Wir haben uns unterhalten und verabredet, um vielleicht gemeinsam arbeiten zu können. Und dieses Treffen war dann einer dieser ganz besonderen Momente. Erik ist ein unglaublich talentierter Typ, er ist Songwriter, Musiker und Produzent. Was Musik angeht, kann er einfach alles. Und zudem ist er noch ein total netter Kerl! Er hat genau verstanden, was ich musikalisch wollte, und so kam alles zusammen. Schon nach kurzer Zeit hatten wir ein paar Songs zusammen geschrieben, die genau das hatten, was ich wollte: Tolle Melodien, tolle Riffs und genau die Power, um auch live richtig abzugehen. Eine moderne Produktion, die aber erkennbar mit einem Fuß in den 80ern steht.“

Erik Martenssen war als Songwriter und Produzent für Adrenaline Rush tätig, als Zeitgründen wurde er aber kein festes Mitglieder der Band, auch wenn Tave Wanning ihn gerne dabei gehabt hätte. Aber keine Sorge, auch mit den Musikern, die jetzt zusammen mit Tave die Band bilden, hat die junge Sängerin ein gutes Verhältnis.

„Die Jungs sind toll, und ich bin sehr froh, sie in der Band zu haben.“

Die „Jungs“ stammen aus verschiedenen Stockholmer Bands und wurden von Tave Wanning überwiegend durch eine Online-Suche aufgespürt. „Ich habe im Internet recherchiert, und bin zunächst auf Marre und Ludde gestoßen, die für ihre Band eigentlich einen Typen als Sänger suchten“, erinnert sich Tave daran, wie sie Marcus „Marre“ Johansson (Schlagzeug) und Ludvig „Ludde“ Turner (Lead Gitarre) zu ihrem Projekt holte.

„Die beiden haben mir dann Soffe und Hagge empfohlen.“

Mit Soufian „Soffe“ Ma’aoui am Bass und Alexander „Hagge“ Hagman an der zweiten Gitarre war die Band komplett, und den Aufnahmen zum ersten Longplayer stand nichts mehr im Wege.

adrenaline_rush1.jpg.jpg

„Es ist schon ein wenig unheimlich“

, gesteht uns die blonde Rockerin ihre Nervosität zur Veröffentlichung des Albums ein.

„Wir haben hart daran gearbeitet, unser Bestes für dieses Album zu geben, und wir wollen es ja auch mit den Fans da draußen teilen, so wie man ein neugeborenes Baby herumzeigen möchte. Aber sobald so ein Album veröffentlicht ist, öffnet man den Kritikern die Tür, und die Leute können einen in der Luft zerreissen, wenn man das an sich heran lässt.“

Aber Tave Wanning hat keine Berührungsängste mit Kritikern. Liesst sie die Reviews zu ihrem Album?

„Ja, die lese ich“

, antwortet sie auf unsere Frage.

„Intelligente und konstruktive Kritik ist sehr wichtig. Viele Leute haben interessante Gedanken zu unserer Musik, man kann von ihnen lernen. Und selbst die Trolle und dummen Kommentare haben ihr Gutes: Man kann herrlich über sie lachen!“

Adrenaline Rush ist eine Band, die man unbedingt live erleben muss. Die Sängerin sieht auch ihre primäre Funktion als Frontfrau einer Liveband:

„Es geht mir prinzipiell um Liveauftritte, das ist der Hauptgrund, warum ich Musik mache. Ich werde immer den Zirkusclown spielen und den Leuten etwas für ihr Eintrittsgeld geben. Leadsänger in einer Rockband ist ein harter Job, ganz egal, ob für eine Frau oder einen Mann. Man ist das Aushängeschild der Band, diejenige, die mit dem Publikum kommuniziert. Die ganze Aufmerksamkeit liegt auf Dir, und zwar die ganze Zeit! Du kannst dir einfach keinen schlechten Tag leisten. Wenn etwas schief läuft, bis Du schuld. Auf der anderen Seite bist du aber auch der Star, wenn’s gut läuft. Ich glaube, dass ich ein Mädchen bin, bringt mir ein paar Nachteile, denn Rock ist im Grunde eine Männerdomäne. Aber wenn Du einmal dein Ding machst und in dieser Welt angekommen bist, dann hast du als Mädel auch viele Vorteile. Die meisten Rocker sind ja echte Gentlemen. Je furchteinflössender sie aussehen, umso größer sind ihre Herzen!“

Recht hat sie. Rockende Frontfrauen sind viel in den Genres Symphonic- und Gothic-Metal anzutreffen, im Hardrock aber immer noch die Ausnahme – von Legenden wie Doro einmal abgesehen. Wie sieht Tave Wanning diese Situation?

„Vielleicht irre ich mich, aber ich denke, Kerle sind einfach besser darin, aggressiv rüber zu kommen. Heutzutage ist Rockmusik ziemlich aggessiv und zornig, da macht es schon Sinn, wenn meistens ein Mann den Gesang übernimmt. Genres wie Symphonic Metal oder Gothic sind für Frauen besser geeignet. Die Gesangsbögen sind da melodischer und teilweise schon fast opernhaft. So was hört sich zum beispiel komisch an, wenn es ein Mann singen würde – außer vielleicht Freddie Mercury oder Rob Halford. Aber auch im aggressiven Rock gibt’s ja tolle Sängerinnen. In den 70ern, 80ern und 90ern gab es viel mehr Sängerinnen im Rock als heute, man denke an The Runaways (und Joan Jett und Lita Ford), Heart, Vixen, Fleetwood Mac, Janis Joplin, Robin Beck, Lee Aron, Doro, Pat Benatar oder Femme Fatale. Ich könnte niemals so wie eine von denen singen, aber das sind alles coole Sängerinnen. Ich liebe es, wenn eine Rockband eine Frontfrau hat. Ich hoffe, diese spaßige und melodische Seite des Rocks hat bald ein Comeback, denn das ist genau die Musikrichtung, die ich liebe!“

Melodischen Rock mit einer beeindruckenden Sängerin – genau das bietet Adrenaline Rush, und man hört mit jeder gesungenen Note, wie sehr Tave Wanning diese Musikrichtung liebt. Der Name Adrenaline Rush bedeutet übrigens für die Band genau das: Live-Auftritte sind ein mit Adrenalin und Energie aufgeladener Rausch, ein Schwall purer Power, der über die Fans hereinbrechen soll.

„Für mich ist Musik Entertainment. Ich habe nicht vor, die Welt zu verändern. Wir wollen einfach nur der Soundtrack für Eure nächste Party sein. Irgendwann in den 90ern ist etwas passiert. Rockmusik wurde damals so erst, so aggressiv und hässlich. Mir hat das nie gefallen. Ich mag fröhlichen Partyrock, und ich finde, es ist an der Zeit, so etwas wieder zurück zu bringen. Unsere Songs sollen Euch unterhalten und positive Energie vermitteln, so als wenn man in einem großen Ami-Cabrioschlitten in Kalifornien in den Sonnenuntergang düst. Schnelle Songs mit fettem Schlagzeug und einem Bass zum Headbangen und coolen Gitarrenriffs und Soli, zu denen man Luftgitarre spielen kann. Der Name Adrenaline Rush passt doch perfekt zu uns!“

Adrenaline_rush3.jpgAdrenaline Rush wurde musikalisch von Hardrock-Bands wie Van Halen, Aerosmith, Bon Jovi oder auch Mötley Crüe inspiriert. Wir fragten Tave Wanning nach ihren persönlichen Vorbildern.

„Ich habe als Kind bei meinen Eltern schon den Rock’n’Roll der 60er, 70er und 80er gehört. Ich habe mit zwei Jahren angefangen zu tanzen. Rock war schon immer in meinem Herzen, und es war schon immer sehr wichtig für mich, den Zuschauern eine gute Show zu präsentieren. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass ich viel getanzt habe. Singen bedeutet für mich auch Bewegung, Klamotten, Charisma. Mich haben Leute wie David Lee Roth, Steven Tyler, Robert Plant, Michael Monroe oder Rob Halford inspiriert. Privat höre ich dann eher solche Sachen wie Led Zeppelin, die Rolling Stones, Fleetwood Mac oder AC/DC. Aber auch modernes Zeug wie Airbourne oder Rival Sons. Ich höre mir viel Musik an und lasse mich inspirieren, und es ist mir auch egal, was für ein Genre das ist.“

Die Stimme der jungen Schwedin passt ihrer eigenen Meinung nach am besten zu 80er-Jahre-Partyrock. Und genau den bietet das Debütalbum ja auch zur Genüge.

Der Silberling hat uns vor allen Dingen auch durch packende Hooklines und eingängige Melodien überzeugen können. Wie läuft nun das Songwriting bei Adrenaline Rush ab?

„Ich bin eigentlich kein Songwriter, jedenfalls noch nicht so wirklich“

, gesteht uns die rockende Skandinavierin.

„Deswegen bin ich auf anderen angewiesen, die meine Ideen zu Musik machen. Ich weiß in der Regel, wie ein Song klingen soll und welches Feeling ich erzeugen möchte, und um dorthin zu gelangen, rede ich dann mit dem jeweiligen Co-Schreiber. Und ich habe bei den Gesangsmelodien und den Texten immer etwas zu sagen. Die Texte sind mir sehr wichtig. Ich möchte mich mit den Texten identifizieren können, wenn ich sie singe. Auf diesem Album habe ich am meisten mit Erik zusammen gearbeitet. Zwei Songs sind auch zusammen mit Nicklas Säwström und Christian Wahlström entstanden, mit denen ich schon seit den Tagen von Peaches zusammen Songs geschrieben habe.“

Kann sich Tave Wanning vorstellen, eines Tages zu altem Peaches Material zurück zu kehren und vielleicht sogar den alten Hit ‚Rosa Helikopter‘ in neuem Rockgewand zu präsentieren? Und wie sieht es mit Covern aus?

„Wir haben bei unseren Sets immer ein oder zwei Coversongs dabei. Das sind immer Songs, die ich toll finde, aber die man von so einer Band wie uns nicht unbedingt erwarten würde. Led Zeppelin, Deep Purple, Rainbow, solche Sachen eben. Ich habe in einer früheren Band tatsächlich mal eine Rockversion vom Rosa Helikopter gemacht, das war spaßig, aber ich denke, wir sollten es dabei belassen!“

tave_wanning_1.jpg „Wir sind in unserer Rezension so weit gegangen und haben die junge Schwedin mit der Rocklegende Doro verglichen. Solche Vergleiche hält Tave für eine schwierige Sache.

„Jeder versucht ja, sein eigenes Ding zu machen. Wenn mich die Leute mit Doro vergleichen, schmeichelt mir das natürlich sehr. Sie ist ein echter Profi und hat so viele Jahre Erfahrung, da bin ich noch ganz weit von entfernt. Die einzige wirkliche Ähnlichkeit sind wohl die blonden Haare!“

Die junge Frau lacht.

„Ich sehe immer Mike Monroe von Hanoi Rocks als mein Idol an.“

Wie geht es nun weiter mit Adrenaline Rush? Derzeit gibt es leider noch keine Pläne für einen konkreten Auftritt in Deutschland. Die Band hofft, dass die Veröffentlichung des Albums diesen Winter ein paar Gigs einbringen wird.

„Aber man muss es realistisch sehen:“

, bleibt Tave Wanning auf dem Boden der Tatsachen.

„Wir sind eine neue junge Band und immer noch in der ‚pay to play‘-Phase. Wir möchten gerne auf dem Sweden Rock Festival spielen, es wäre toll, wenn Ihr alle für uns voten könntet. Mit etwas Glück finden wir ein paar Gigs über Winter, und nächstes Jahr zur Festivalsaison können wir hoffentlich richtig aufdrehen, vielleicht sogar außerhalb von Schweden. Ruft uns einfach an, und wir kommen!“

Das wollen wir doch hoffen. Kommt zu uns, Adrenaline Rush! Wenn es soweit ist, erfahrt Ihr es hier natürlich zuerst.

Interview und Übersetzung: Michael Buch
Fotos: Offizielle Webseite und CMM Online

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar