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A Productive Cough

Einmal husten und fertig ist das Werk? Wenn auch so Manches, was Titus Andronicus bisher fabriziert haben, wie im Fieber geboren und hingerotzt klang, muss man ob ihrer Produktivität, musikalischen Spannbreite und Dringlichkeit doch von einer gewissen Sorgfalt beim Songwriting ausgehen. Im Jahre 18 der Bandhistorie verlagert diese sich nun. Mit ‚A Productive Cough‘ führt sie weg vom Cholerischen und hin zu bewusster gewählten, fast feinen Tönen.

Mastermind Patrick Stickles bezeichnet dieser Tage das Vorgängeralbum ‚The Most Lamentable Tragedy‘ als einem Höhe-, aber auch Schlusspunkt. Auf dem neuen Album sind es nun – man staunt nicht schlecht – Balladen, die ihn umtreiben. Die Motivation dahinter ist eine noble: Es soll der besseren Kommunikation mit dem Publikum dienen. Er könne nun ‚effektiver mit den Leuten reden‘, erklärt der Frontmann, ‚weil ich nicht mehr damit beschäftigt bin, sie anzuschreien.‘ Das hat er hübsch gesagt, möchte aber doch bitte bei kommenden Konzerten nicht ganz auf die markanten Songs der bisherigen Banddiskografie verzichten.

Es wird auch kaum möglich sein, den opulenten Spirit von ‚A Productive Cough‘ Eins zu Eins auf die Bühne zu übertragen, ist er doch im Studio mit Hilfe von 21 – in Worten: einundzwanzig – Elite-Musikern entstanden. Stickles, der mit sich zittrig überschlagender, hektischer Stimme bisher oft klang wie ein Connor Oberst auf Speed (mit dessen Bright Eyes Titus Andronicus im Übrigen schon vor etlichen Jahren tourten), nähert sich mit den neuen Songs dessen sanfterer Folk-Seite tatsächlich stark an, wird aber stimmlich vielfältiger. Mitunter lassen sich auch Parallelen zu The Mighty Stef (‚Real Talk‘) oder – den ebenfalls bewährten Tourkumpanen – The Pogues (‚Above The Bodega (Local Busines)‘ erkennen.

Dass es sich nun vorrangig um Balladen-Kompositionen handelt, darf keineswegs derart missverstanden werden, dass Titus Andronicus sich in ihren neuen Songs an Intensität zurücknehmen würden. Im Gegenteil, sowohl Melodien und Arrangements als auch der Gesang entfalten im Verlaufe der einzelnen Stücke sämtliche Kräfte und nutzen ihr Potential genüsslich aus. Glöckchen, Mundharmonika, Bläser und Shoop-shoop-shalala-Chor sorgen für eine gewisse Erdhaftung, keineswegs aber für Verweichlichung. Wenn auch so Einiges grundlegend anders ist an ‚A Productive Cough‘, so lassen sich doch klare Kontinuitäten feststellen. Die Vorliebe für lange Songs bleibt bestehen: das Album weist ’nur‘ sieben, dafür aber ausladenden Songs vor.

Und jeder für sich ist anders genre-gefärbt. Der Opener ‚Numer One (In New York)‘ knüpft am ehesten an bisherige energiegetriebenen Werke an, um uns in das bisher ungewöhnlichste Titus Andronicus-Album zu geleiten. Den beiden bereits erwähnten folkigen Stücken folgt mit ‚Crass Tattoo‘ eine Art Klagelied, das nachdrücklich klavier-begleitet und getragen wird von Gastsängerin Megg Farrell. Nach der fast neunminütigen, angedreckten Cover-Version von Bob Dylans ‚(I’m) Like A Rolling Stone‘ schliesst sich ‚Home Alone‘ an – Psychedelic Rock, der erstaunlich viel Klassisches an sich hat und weit zurück in die 1960er Jahre verweist.

‚Mass Transit Madness (Goin‘ Loco‘)‘ schließt dann den Kreis zum Opener und weist zurück zur altbekannten Titus Andronicus-Manier. Da kann Stickles letztlich dann doch nicht aus seiner Haut. Die nähere Zukunft wird zeigen, wie nachhaltig die selbst verordnete Ruhigstellung des musikalischen Gemüts wirken wird.

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