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Trouble No More – The Bootleg Series Vol. 13 (2-CD)

Als Nicht-Dylanologe ist nur schwer zu verstehen, warum die christliche Phase des amerikanischen Musikers (BÄÄM!) unter seinen Anhängern so verhasst ist. Sooo weit vom Rest des Siebziger-Dylan-Sounds ist eines der Alben erntfernt, und so mies sind die Songs erst recht nicht, daß diese Ablehnung musikalische gerechtfertigt scheint. Aber, so ist das eben mit den Dylanologen: die Musik ist bekanntlich irrelevant.

Auch die – in der Legende als grauenhaft schlecht verschrieenen – Konzerte der Phase waren, wie auf „Trouble No More“ deutlich nachzuhören, weit besser als ihr Ruf. Die Predigen, die damals viele Fans vergraulten, sind gestrichen, was bleibt, ist die Musik. Die Band poltert richtig schön „tight, but loose“ in diesem „Stones treffen die E-Street-Band“-Sound, der auch die Alben ab „Street-Legal“ prägte, die Background-Damen zwingen Dylan dazu, zumindest in den Refrains halbwegs „werktreu“ zu agieren – und der Meister selbst singt, nölt und krächzt so emotional und seelenvoll, wie er das in den letzten dreißig Jahren nur noch an Ausnahmetagen für notwendig erachtet hat. Klar, für Neueinsteiger in den Backkatalog Dylans taugt „Trouble No More“ nichts – schließlich gibt es fast keine Hits, von ‚Gotta Serve Somebody‘, ‚The Groom’s Still Waiting At The Altar‘ und ‚Every Grain Of Sand‘ abgesehen. Dafür Obskures wie das Reggae-Kinderlied ‚Man Gave Names To All The Animals‘ und Unterschätztes wie das mitreißende ‚Solid Rock‘, ‚Precious Angel‘ – auch ohne Mark Knopfler eines der schönsten Dylan-Stücke überhaupt – oder das damals unveröffentlicht gebliebene ‚Caribbean Wind‘. Auch der Sound ist bisweilen eher was für Fans. Einige Stücke klingen exzellent und stammen von nachgemischten Achtspuraufnahmen, andere hingegen entstammen Soundboard-Kassetten, die zwar von Rauschen und ähnlichen Artefakten weitgehend befreit wurden, aber, wie bei Soundboard-Mitschnitten üblich, unter einem wenig balancierten Klanggefüge leiden – Vocals und Keys stark im Vordergrund, Drums und Gitarren eher im Hintergrund. Anhörbar sind die beiden CDs durchweg, aber die klangliche Epiphanie der „Rolling Thunder Revue“ bleibt diesmal freilich aus.

Da es musikalisch nicht viel zu meckern gibt, muss der Hass also woanders herkommen. Natürlich, man kann religiöse Texte doof finden – speziell, wenn sie so dick aufgetragen sind wie bei Dylan, der zumindest auf „Slow Train Coming“ den ganzen christlichen Gedanken ganz offensichtlich nicht besser kapiert hat als, nun ja, die meisten Amerikaner. Hier spricht nämlich weniger die Begeisterung, einen Pfad zur Erlösung gefunden zu haben, sondern mehr die gehässige Freude, daß alle, die nicht seiner Überzeugung sind, schon bald im Schwefelregen des bevorstehenden Weltuntergangs unter Schmerzen zugrunde gehen werden. Kann schon nerven, aber fairerweise muss man zugeben, daß genau dies in Dylans Lyrics schon immer ein motivierender Gedanke war, auch lange vor seiner religiöse Phase. Ist man also in der Lage, die Tatsache, daß auch der christliche Dylan ein ziemliches Arschloch war, auszublenden, findet man hier eine ganze Menge exzellenter Musik.

Wie alle Teile der Bootleg Series gibt’s auch hier ein dickes Booklet mit ausführlichen Sleevenotes und vielen zeitgenössischen Fotos. Besagte Sleevenotes sind einmal mehr außerordentlich unkritisch und selbstgefällig ausgefallen, aber, so sind sie halt, die Dylan-Fans. An der echt coolen Musik, die Dylan damals noch in der Lage war abzuliefern, ändert das aber rein gar nix.

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