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20/20 Vision

Anti-Flag 20/20-Cover

Keine Mainstream-Punk-Band kämpft so unnachgiebig und aufopferungsvoll gegen die Missstände der aktuellen gesellschaftlichen Situation wie Anti-Flag. Seit 1988 und auf zwölf Alben halten sie der Unmenschlichkeit die Flagge der Menschlichkeit entgegen. In ihren Anfangstagen war ihr wilder und doch melodisch-hymnischer Punkrock der Gegenpol zum teilweise infantilen Fun-Punk von NoFX. Inzwischen ist ihr Output gediegener und oft auch so poppig, dass Blink-182 als Hardcore-Punks dastehen. Die Texte Anti-Flags in Verbindung mit der musikalischen Ausrichtung haben aber immer noch die unaufdringliche Nähe zu den Punk-Vätern von The Clash.

Auch auf „20/20 Vision“ (Spinefarm Records/Universal Music) bieten Anti-Flag eine ausgeglichene Mischung aus Punkrock-, Pop- und Alternative-Songs feil. Wer auf die frühen Tage der Punks aus Pittsburgh steht, wird mit Adrenalin pumpenden Songs wie ,It Went Off Like A Bomb‘ und dem rasenden Kracher ,A Nation Sleeps‘ zufriedengestellt. Für diejenigen, die den Pop-Punk der vorangegangenen drei Alben präferieren, sind ,Hate Conquers All‘ und die erste Single ,Christian Nationalist‘ erste Wahl. Die Alternative-Rocker werden sich beim Titeltrack und der Akustik-Nummer ,Un-American‘ ganz zu Hause fühlen.

Alle relevanten Rezipienten bekommen die Message der Band im auf sie zugeschnittenen Format serviert. Das ist auch das Problem von „20/20 Vision“. Dadurch herrscht oftmals Leerlauf, Pausen oder sogar Langweile entstehen. Auch dass die hymnischen Midtempo-Songs nahezu gänzlich nach dem gleichen, zuckersüßen Pop-Muster gestrickt sind, sorgt nicht gerade für prickelnde Aufregung. Gänsehautnummern wie zum Beispiel ,Post-War Breakout‘ („The Terror State“, 2003) oder ,Watch Your Right‘ („Underground Network“, 2001) fehlen gänzlich. Die Ecken und Kanten sind inzwischen nahezu komplett abgeschliffen, zu oft hängen Billy Talent oder Blink-182 über den elf Liedern. Nur inhaltlich sind Anti-Flag noch relevant, sodass sie immer noch in der Lage sind, der Generation der Digital Natives eine Vorstellung davon zu geben, dass Punk mal etwas mit Widerstand, Aktionismus, Individualismus, Respekt, Toleranz, freier Meinungsäußerung und Kunst zu tun hatte und erst in zweiter Reihe mit Spaß und Party.

Insofern ist es gut zu wissen, dass sich Anti-Flag weiterhin an den politischen Umständen der Gegenwart mit vollem Einsatz und tiefer Überzeugung abarbeiten, wie hierzulande die Oldies von Slime. „20/20 Vision“ ist also kein sehr gutes oder gar großartiges Album, aber gut und auf jeden Fall integer.

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