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Z2

Im Grunde ist die tatsächliche Zielgruppe für „Z2“, dem neuen Album des kanadischen Multitalentes Devin Townsend, schon relativ kompakt und überschaubar. Zunächst einmal solltet Ihr (natürlich) Metal mögen, am besten progressiven avantgardistischen Metal mit komplexen Melodien, wuchtigen Chören, brachialen Drum- und Gitarrenattacken und eingestreuten Power- und Symphonic-Metal-Elementen. Dazu seid Ihr dann bitte Science-Fiction-Fans mit Vorliebe für schräg-bizarre Geschichten über kühne Raumfahrer, böse Prinzessinnen, Weltenvernichter, Wurmlöcher und eigenartige Aliens. Haben wir das soweit? Auch gut! Trinkt Ihr außerdem auch noch gerne Kaffee? Oder mögt Musicals? Wenn Ihr zu den wenigen Menschen gehört, die wohl in eine Schnittmenge all dieser Gruppen fallen, dann ist „Z2“ ein absoluter Pflichtkauf für Euch. Und je weniger der Kategorien Ihr erfüllt, umso eher solltet Ihr zunächst einmal Probehören. Oder einfach hier weiterlesen.

Aber der Reihe nach. Devin Townsend veröffentlichte 2007 ein Konzeptalbum namens „Ziltoid The Omniscient“ über einen gleichnamigen Außerirdischen, ließ dazu auch eine Puppe bauen und spielte dieses Album mehr oder weniger im Alleingang ein. Ziltoid kam darin auf die Erde und hatte nur einen Wunsch. Er wollte weder nach Haus telefonieren noch die Katze fressen, nein, es ging ihm nur um Kaffee! Ja, das Album war genauso schräg, wie sich diese kurze Zusammenfassung anhört. Sieben Jahre später erscheint nun die Fortsetzung, Ziltoid wird quasi mit sich selbst multipliziert (‚Ziltoid Squared‘). Und so ist die neue Ziltoid-Geschichte auch ein höchst spannendes und abwechslungsreiches Doppelalbum geworden. Die beiden Discs auf „Z2“ sind individuell „Sky Blue“ (Devin Townsend Project) und „Dark Matters“ (Ziltoid) betitelt. Die erste Scheibe enthält überwiegend „richtige“ Songs, die alle ineinander über gehen und zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Dieser Teil des Doppelalbums ist auch für den „normalen“ Metal-Fan uneingeschränkt zu empfehlen. Disc 2 erzählt dann mit Songs, Instrumentalpassagen und Sprechern die Geschichte von Ziltoid, einer Invasion der Erde durch die böse Kriegsprinzessin und ihre Schergen und schließlich der Rettung des Planeten. Diese Geschichte wirkt wie eine Reminiszenz an die alten Sci-Fi-Radiohörspiele wie „Krieg der Welten“ oder trashige 50er-Jahre B-Movies. Das Ganze ist dann wirklich auch eher ein schräges Hörspiel mit Songs, ein Metal-Musical, eine durchgeknallte Geschichte, die das Leben der Erdenbürger, des spektakulären „Captain Spectacular“ und natürlich auch das des Aliens „Ziltoid“ für immer verändern wird. So etwas muss man wirklich mögen, um Spaß an der zweiten Disc zu haben. Wer sich jedoch auf diese Geschichte einlässt, wird mit innovativem Progressive Metal vom Feinsten belohnt, der nur so strotzt vor lauter musikalischer Ideen.

Beide CDs des Albums, das auch als Vinyl-Ausgabe und Special Edition erhältlich ist, sind aufwändig und hörbar teuer produziert. War Devin Townsend beim Vorgänger „Ziltoid“ noch mehr oder weniger Alleinunterhalter, hat er diesmal keine Kosten und Mühen gescheut, zwei sinfonische Orchester aufgefahren (die aber relativ im Hintergrund der Arrangements bleiben) und einen gewaltigen Fan-Chor organisiert. „Wir haben eine Website designt, auf der die Fans ihre eigenen Gesangsaufnahmen von Teilen des Albums hochladen konnten“, erklärt Townsend die Entstehung der Songs ‚Z2‘, ‚Dimension Z‘ und ‚Before We Die‘. Die von den Fans eingesungenen Dateien wurden im Studio schließlich zu einem 2000stimmigen Chor zusammengemischt. Das Ergebnis ist in der Tat beeindruckend. Weitere prominente Unterstützung holte sich der Kanadier bei der niederländischen Sängerin und Gitarristin Anneke van Giersbergen, die durch ihre frühere Zusammenarbeit mit der Band The Gathering sowie ihre Solo-Alben ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt in der Prog-Szene ist. Sie steuert für „Z2“ diverse Vocals bei, die gut zu den symphonisch-brachialen Ansätzen der Songs passen und teilweise ein wenig an Nightwish erinnern. Außerdem bietet sie mit ihrer weichen Stimme immer wieder einen Gegenpol zum aggressiven Townsend und seinen harten Gitarren. Selbst wenn die eigentliche Ziltoid-Geschichte der zweiten Disc vorenthalten ist, so sind auch die Songs des ersten „Sky Blue“-Albums spacig angehaucht, bieten teils sphärischen Gesang und sind generell von vielerlei Effekten verfremdet. Immer wieder werden Chöre verwendet, die den Songs etwas Großes Hymnenhaftes geben. Die häufig eingesetzten Gastvocals von Anneke van Giersbergen passen perfekt zu Devin Townsends eher aggressivem Gesangsstil. Wie aus einer anderen Dimension vermischen sich die Vocals, Chöre, harte Gitarren und treibende Drums mit orchestralen Elementen zu einem Gesamtkunstwerk, das überwiegend dem symphonischen Prog-Metal zuzuordnen ist, aber beispielsweise mit dem Song ‚Sky Blue‘ auch elektronische Gefilde streift. Bei’Silent Militia‘ fühlt man sich ob der brachialen Gitarren und eingestreuten Elektrobeats ein wenig an Rammstein erinnert. ‚Rain City‘ kommt dafür im Anschluß ungewöhnlich poppig daher. Aber Devin Townsend und seine Musiker finden immer wieder den Weg zurück zum eigenen vollkommen unnachahmlichen Stil, der wirklich so innovativ ist, dass er nur von Außerirdischen zu uns gebracht worden sein kann.

Ein interessantes abwechslungsreiches Doppelalbum, dessen erste Hälfte spannende und teils sphärische Prog-Metal-Klänge präsentiert, für dessen zweite Disc sich der Hörer aber schon einen besonderen Sinn für das Abstruse und Bizarre bewahrt haben sollte. Die Devise kann nur heißen: Kaffee kochen und dem großen Ziltoid folgen!

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