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The Storm Within

Ewig grau. Der Name ist bei Evergrey auch nach 20 Jahren Programm. Für melancholisch- melodischen Progressive-Metal sind die Göteborger um Frontmann Tom Englund seit ihrer Gründung bekannt – mit jeweils kleinen Veränderungen in Zugänglichkeit und Härte. Die Band selbst nennt das „Melodic Dark Power Metal“, das Label ATM „Dark Melodic Metal“. Die Richtung dürfte klar sein, und Album Nummer 10 mit dem Titel „The Storm Within“ ist da keine Ausnahme, wenn auch wieder zugänglicher als die letzten Werke der Schweden. Textlich geht es Englund, der sich auch für die Texte verantwortlich zeigt, wie üblich um persönliche Begebenheiten und Personen. Das zentrale Thema auf „The Storm Within“ ist der Verlust von geliebten Menschen, von Englund als Konzeptalbum gestaltet, das er in einer interstellaren Welt ansiedelte. Es gehe um „die Suche nach der eigenen Identität, sich nach einem Verlust nur noch als „halb“ wahrzunehmen und die entstandene Leere mit etwas zu füllen“, so der Sänger und Bandleader der Skandinavier. Eine Thematik, der sich jeder verbunden fühlen kann und daher persönlich und universell zugleich ist.

Mit einigen minimalen Piano-Tönen beginnt die neue Scheibe, die einen Sekunden in wohliger Wärme wiegen – bis die donnernden Drums und Riffs einsetzen. Und die Keyboards, die der langsamen Nummer ‚Distance‘ gemeinsam mit der warmen Stimme von Englund das monströse, melodramatische geben. ‚Passing Through‘ ist ein hübscher Melodic-Metal-Titel, dem aber etwas Dynamik fehlt. Die hat ‚Someday‘ bereits im Intro, in dem sich Drums und Keyboard gemeinsam in die Höhe schrauben und dessen Refrain sich im Ohr festsetzt. Schicke Gitarrensoli finden sich in den ersten drei Songs natürlich genauso wie auf dem Rest des Albums. Ebenfalls sehr cool: Die beinahe thrashige Rhythmus-Gruppe, die wie beim Auftakt von ‚Astray‘ ordentlich abgeht und dann von der traurigen Melodik von Gesang und Keyboard wieder „eingefangen“ wird. ‚The Impossible‘ ist ein akustische Ballade im Stil neuerer Katatonia-Songs, aber direkt darauf mit ‚My Allied Ocean‘ geht es wieder mächtiger zur Sache. Bei ‚In Orbit‘ und ‚Disconnect‘ singt Englund mit Nightwish-Sängerin Floor Jansen im Duett, deren Stimme vor allem bei ersterem einen gelungenen Akzent setzt. Das flotte ‚The Lonely Monarch‘ hat neben der düsteren Grundstimmung einen coolen Drive, der beinahe zum Tanzen einlädt – der abschliessende Titeltrack kommt einem Sturm bei allem Pathos aber nicht sehr nahe.

Das ist etwas, woran das Album allgemein etwas krankt. Gleichförmigkeit ist ja schön und gut, und sie passt auch zur Melancholischen Attitüde des Albums. Aber wo ist die Wut? Es geht doch um Verlust? Am ehesten wird die noch von den leider zu seltenen Eruptionen von Riffs und Drums ausgedrückt. Aber alles in allem ist das dann doch recht viel Pathos mit viel zu wenig Dynamik und Gefühlsausschlägen. Wer sich heulend vor Herz- und Weltschmerz im vor der Türe stehenden Herbst im Bett verkriechen will: Perfekter Soundtrack. Vielen anderen dürfte es allerdings ähnlich gehen wie dem Autor dieser Zeilen: Wie bei den neueren Katatonia-Sachen fehlt da bei aller wundervoller Dramatik einfach der Bumms, das metallische, das Gequälte, die Wut. Vielleicht sollten Evergrey ab und an auch etwas Schwarz und Rot in das Grau ihres Dark Metal einfliessen lassen.

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