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The Plague Within

Als Death-Metal-Band Ende der 80er Jahre gegründet, gaben sie Anfang der 90er dem Gothic-Metal mit dem gleichnamigen Album ihren Namen und prägten gemeinsam mit My Dying Bride und Anathema als die „Großen Drei“ beim Label Peaceville das Genre. Mitte der 90er waren die Shadowkings mit „Draconian Times“ und „Host“ unter den Fittichen des Labels Music for Nations ganz, ganz oben angekommen. Danach folgten ab Ende der 90er Jahre stilistische Wechsel über Dark Rock und die starke Implementierung von elektonischen Elementen. 2007 schloß sich mit Album Nummer elf, „In Requiem“ eine erste Rückbesinnung auf die frühen, doomig-melancholischen Tage an. Mit dieser ersten nostalgischen Rückschau definierte das Quintett seinen eigenen Stil und setzte diese Evolution mit „Faith Divides Us, Death Unites Us“ (2009) und „Tragic Idol“ (2012) fort. Und ja, mit „The Plague Within“ schließt sich der Kreis und Paradise Lost kehren ganz zurück zu ihren Wurzeln vor über 25 Jahren. Das neue Album ist kein klassischer Querschnitt durch das Schaffen der Band und auch keine reine Reise in die Vergangenheit. Es ist das Werk einer Gruppe von Freunden, die die Musik noch genauso liebt wie in ihren Teenager-Jahren und die sich für keine der Stationen auf der langen Reise schämt. Im Gegenteil, sie greift sie selbstbewusst und gereift in authentischer Art und Weise auf und stellt mit diesem spürbar gewachsenen Ansatz nichts weniger als ein Meisterwerk auf die Beine.

‚No Hope In Sight‘ erinnert – übrigens nicht als einziger Song – von den Riff-Ideen an „Draconian Times“, Nick Holmes geht aber beim Gesang einen deutlich weiteren Weg als auf dem Bandhöhepunkt. Düster knarzende Growls sind genauso dabei wie die langsamen Gesangsmomente mit der gewissen Paradise-Lost-Wehmut, der die Band so geprägt hat. ‚An Eternity Of Lies‘ verwebt Streicher, Piano und Gitarren auf einzigartige Weise – man hört zu jedem Augenblick daß hier Paradise Lost Werk sind und gleichzeitig klingen sie wie nie zuvor. Holmes hat seinen vielbeachteten Ausflug zur schwedischen Death-Metal-Supergroup Bloodbath offensichtlich sehr genossen. Mit seinem kongenialen Partner Greg Mackintosh haben sie die Dinge, die sie besonders beherrschen, nochmals gefährlich zugespitzt. Die harten Riffs klingen wie in Drachenblut gehärtet, die schwermütigen Melodie-Parts um ein vielfaches schwerer und Holmes Stimme wird auf drei Spuren mit Growls, Klargesang mit den Background-Vocals der Kollegen zu einem exzellenten, pechschwarzen Death-Doom-Geschmeide zusammengefügt. In ‚Punishment Through Time‘ kopulieren Paradise Lost heftig mit einer ganz in schwarz gekleideten Thrash-Metal-Braut, mit ‚Benath Broken Earth‘ endet der One-Night-Stand und die Jungs kehren zu ihrer wahren Liebe Doom zurück. Wie ein tonnenschweres Requiem schleppt sich der längste Song des Albums unter Holmes derben Growls dahin und MacIntoshs Gitarren jaulen bittersüß den Totentanz dazu. ‚Sacrifice The Flame‘ und ‚Victims Of The Past‘ treiben das dynamische Spiel zwischen Harmonien und Growls aus den Innereien, zwischen sanften Streichern und Stromgitarren auf einen explosiven Höhepunkt zu, um dann in pechschwarze Abgründe zu stürzen. Keine Sorge, der Schlußpunkt ‚Return To The Sun‘ ist kein heller Lichtblick, sondern lässt höchstenfalls weit entfernt die Wärme, aber keinesfalls das Licht der Sonne erahnen.

Wer hier nicht mit einer Träne im Augenwinkel ein unterirdisches Grollen im eigenen Bauch spürt, wem nicht das Herz schwer wird, wer nicht seinen Schmerz laut hinausschreien will, hat schlicht keinen Zugang zu seinen eigenen Emotionen. Denn dieses Album ist viel mehr eine Sache der Gefühle als von irgendetwas sonst. Das hier ist die Essenz von Gefühlen als Musik. Kein Titel auf dem Album ist ein Lückenfüller, jeder Stein in diesem Diadem von einem Metal-Album füllt perfekt den ihm bestimmten Platz aus. „The Plague Within“ wird zweifellos einen hohen Platz in den Jahresbestenlisten der Metal-Veröffentlichungen 2015 finden. Und ist unser Album des Monats Juni.

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