The Pale Emperor
‚Cannot say I’m breaking the rules / if I can glue ‚em back together‘
– Warship My Wreck
Immer dann, wenn Marilyn Manson im Begriff ist, ein neues Album zu veröffentlichen, fällt er im Vorfeld durch windige Zwischentöne auf. Er sei das fleischgewordene Chaos, ließ er dieses Mal verlauten. Außerdem habe er den Grunge erfunden. Dann noch diese anrüchige, verdächtig pünktlich publik gewordene Verwicklung mit Lana del Rey. Bereitwillige Pläuschchen über die sexuellen Vorl(i)eben. Wiedergeburt, Comeback, Auferstehung – auch solches Vokabular liegt aus unerfindlichen Gründen mit jeder neuen Veröffentlichung griffbereit auf dem Tisch. Dabei sind die Zeiten, zu denen sich der God of Fuck mit jedem neuen Album auch selbst neu erfand, doch ungefähr seit Mitte der 00er Jahre Geschichte. Und – mit Verlaub: Auch ein Brian Hugh Warner wird nur einmal Fleisch. Und dann irgendwann Staub.
Musikalisch rudert sich der Mephistopheles von Los Angeles alle Jahre wieder angestrengt in die Relevanz zurück, ohne dabei kritische Treffer auf sich zu ziehen, geschweige denn zu landen. Lediglich solide Werke nimmt man ihm nach den künstlerischen Heldentaten der Vergangenheit eben nicht mehr ohne Weiteres ab. Das könnte auch ‚The Pale Emperor‘ als einem für Manson-Verhältnisse doch recht bequem aufgezogenen Album zum Verhängnis werden.
Die dämonischen Heuschreckenschwärme des Antichristen sind längst über alle Berge; der Beat hat sich zur gleichgeschalteten, züchtig durch die Tracks stapfenden Legion formiert. Und wenn im besten Stück der Platte, ‚Deep Six‘, der Bass dreckig flappert und die Leadgitarre jault, ist das zwar ziemlich lässiger Rock’n’Roll, hat aber mit dem, wofür wir Manson kennen und schätzen, wenig zu tun. Geblieben ist ein Organ so schrundig wie Schieferbruch, das einem wiederholt die Knie schlottern lässt. Abgesehen davon wirkt der Marilyn Manson von heute vergleichsweise träge, steifknochig, satt; seine dereinst messerscharfe Verbalakrobatik macht kalauernden Sagengestalten Platz:
‚You wanna know what Zeus said To Narcissus? / You’d better watch yourself!‘
Köstlich.
Ähnlich köstlich wie das Gelage (‚Third Day Of A Seven Day Binge‘), an dessen drittem Tag der Pale Emperor bluesige Bilanz zieht und dabei geflissentlich übergeht, wie die protokollarische Tafelrunde ihn außer Sichtweite des Thin White Duke platziert. Und in dessen dritter Minute es sich irgendwie auch schon ausserviert hat. ‚Slave Only Dreams To Be King‘ ist mangels Nachschub gar ungeniert genug, die ruhmreichen ‚The Beautiful People‘-Beats in der Mikrowelle zu recyceln. Der Umwelt zuliebe? Wohl kaum. Der Umwelt zuliebe hätte man ‚Cupid Carries A Gun‘, das in der Rolle des Theme-Songs der US-Serie ‚Salem‘ eine ungleich bessere Figur abgibt denn als unsinnig verwucherter Album-Track, besser entgeizt. Oder einfach mehr Stücke wie die fantastisch arrangierten ‚Warship My Wreck‘ und ‚Odds Of Even‘ ersonnen, von deren atmosphärischer Strahlkraft die gesamte LP zehrt.
Fürwahr, der Kaiser hat heute seinen blassen Tag. Das Wasser ist dem alten Raufbold – verflixt und zugenäht – trotzdem noch immer nicht so leicht zu reichen. Damit steckt eine der wahrsten Halbwahrheiten dieses durchwachsenen Albums schon wie ein Weidepfahl im Titel; die zweite fällt einem in den Rücken und dekuvriert Manson als das, was er manchmal auch ist: nur ein Rockstar.