|

Symphony X in Pratteln – 114 Dezibel Schweizer Jubel

melted_space_350.jpg

Pünktlich um 20 Uhr sorgten Melted Space für den Auftakt des Konzertabends. Herz und Kopf der Band ist der Pianist und Komponist Pierre Le Pape und sein Metal-Opera-Projekt mit zahlreichen (Gast)musikern mehr als ambitioniert. Im Bezug auf Kontinuität also das pure Gegenteil von Symphony X – und das merkte man dem Auftritt (bei aller Klasse der Einzelnen, beinahe ausnahmslos in anderen Bands aktiven Musikern) leider an. Während Le Pape selbst nicht nur im übertragenen Sinne im Hintergrund an den Tasten blieb, hielten vor allem die vier (!) beinahe gleichwertigen Vokalisten die Blicke auf sich gebannt. Die beiden Sängerinnen Clémentine Delauney und Lucie Blatrier wechselten sich teils mit ihren männlichen Kollegen Guillaume Bideau (Klar) und „Black Messiah“ (Growls) ab, teils wurden die Stimmbänder gemeinsam zum Schwingen gebracht. Bei vier Sängern waren die möglichen Konstellationen zahlreich, und alle fanden auf der Bühne des Z7 ihren Raum – inklusive einem beeindruckenden vierstimmigen Part gegen Ende des Aufritts. Bis dahin hatten der Sound der Franzosen leider unter großen technischen Problemen zu leiden. Rauschen und Feedbacks und häufig übersteuerte Mikrofone trübten den Genuss für die Besucher doch merklich. Hinzu kam deutlich spürbar das Manko, das bereits auf dem aktuellen Album „The Great Lie“ nicht von der Hand zu weisen war: Die viel zu große Ähnlichkeit der Gesangsharmonien, die im krassen Gegensatz zu der großen stimmlichen Bandbreite der Solisten steht. Ein Widerspruch, der So war vor allen Dingen der ständige Auf- und Abgang der Sänger auf der Bühne spannend zum Zuschauen, die Ohren wurden deutlich weniger versorgt. Das spiegelte sich auch in den Reaktionen des Publikums wider, die so verhalten waren wie der halbstündige Auftritt durchschnittlich.

myrath_350.jpg

Auf Myrath traf das definitiv nicht zu. Mit dem nagelneuen, vierten Studio-Album „Legacy“ (was im Übrigen die Übersetzung des Bandnamens ins Englische ist) im Gepäck und zum zweiten Mal im Z7 zu Gast, überzeugte das französisch-tunesische Quintett von Beginn an mit enormer Power, Geradlinigkeit und Abwechslungsreichtum. Den bringt der Stil der Oriental-Prog-Metaller zwar von Haus aus mit sich – und die Rollen sind klar verteilt. Trotzdem ist die authentische Live-Präsentation damit nicht von vorneherein gewährleistet. Wenngleich das neue Album zwar im direkten Vergleich zum überragenden Vorgänger „Tales of the Sands“ ein wenig abfällt, verstanden es die Jungs (allen voran Sänger Zaher Zogarti) ausgezeichnet, das Publikum im Z7 schnell aus der Reserve zu locken. Beispielhaft steht hier der Song ‚Believer‘ zu dem die Band mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne ein schickes Musikvideo drehten. Da ist einfach alles drin. Und mehr. Die orientalischen Rhythmen und Melodien, die Bühnenpräsenz von Zogarti, die treibenden und punktgenauen Beats vom neuen Drummer Morgan Berthet. Die Keyboards von Elyes Bouchoucha, die die abwesenden orientalischen Streichinstrumente wunderbar ersetzen. Dazu liefert Gitarrist Malik Ben Ariba einige stimmungsvolle Gitarrensolos. Zogarti bedankt sich sehr sympathisch bei den Schweizer Fans für die Möglichkeit der Rückkehr ins Z7 und mit den großen, verehrten Vorbildern Symphony X. Ganz allgemein kommen Myrath sehr unverkrampft rüber, die nordafrikanische Lebensfreude strahlt ins knapp gefüllte Z7 aus. So ist dann der Applaus und das Bedauern deutlich größer, als die Band nach dreißig Minuten die Bühne schon wieder verlassen muss. Man darf sich fragen, wann es Myrath wohl schaffen, als Headliner aufzutreten und längere Sets zu spielen. Es dürfte weder an den Fähigkeiten noch an den wunderbaren Songs mit einem würzigen Touch Drama und Pathos liegen.

symphony_x_1_350.jpg

Wer sich bis hierhin gewundert hatte oder enttäuscht war, warum beide Bands nur je eine halbe Stunde spielen durften, wurde in der Umbaupause für den Headliner erhellt. Diese dauerte mit gut dreißig Minuten nämlich genauso lange wie der jeweilige Auftritt der Support-Bands – kein Wunder! So war es bereits kurz vor Zehn in der von Myrath gut angeheizten Konzerthalle, als die Scheinwerfer zum den Klängen der Overture vom neuen Album „Underworld“ auf Symphony X und ihren Frontmann Russell Allen strahlten. Der gab erstmal den coolen Hund mit Sonnenbrille, gegeltem Pferdeschwanz und Stretch-Jeans und ärmellosem Hemd. Doch bald schon hatte der Sänger ehrlich gezeigt, daß er deutlich mehr ist als ein Rocker mit einer Spur Machismo. Nach dem Direkteinstieg in das in seiner vollen Längen präsentierte neue Album begrüßte der Shouter herzlich das angereiste Publikum und lobte das „legendäre Z7“ und die internationale „Metal Family“ in den höchsten Tönen. Apropos höchste Töne: Allen zeigte natürlich auch, daß er ein hervorragender Sänger ist und auch die höchsten Töne wie bei ‚Kiss of Fire‘ ohne ein Wanken in der Stimme traf. Allen dürfte zweifellos einer der besten Metal-Sänger weltweit sein. Wobei die musikalische Klasse von Symphony X ohnehin unbestritten ist.

symphony_x_2_350.jpg

Jeder der Musiker zeigte seine Klasse und das perfekt harmonierende Zusammenspiel war schlicht atemberaubend. Komponist, Produzent und Saitenzauberer Michael Romeos Finger flogen nur so über die Saiten – und das, ohne jemals bemüht zu wirken. Der Mann beherrscht sein Instrument im Schlaf perfekt. Selten sahen so schnelle (und zahlreiche) Soli so einfach zu spielen aus. Mit einem zufriedenen Grinsen und genußvollen Grimassen sorgte der 48jährige Gitarrist anhaltend für bewundernde Blicke und Applaus. Allen führte erzählend durch die Geschichte von „Underworld“, die von Liebe, Verlust und Opfern handelt. Allerdings nicht, ohne zwischendurch ein Bier wegzukippen. Ebenfalls amüsant: Allen forderte das Publikum im Z7 gegen den an der Wand installierten Dezibelmesser heraus – 114 Dezibel war das Endergebnis. Mit der Ansage von ‚Swan Song‘ als letzter Song nach einer guten Stunde erntete der Frontmann kurz darauf empörte Rufe. „Letzter Song von Underworld“, korrigierte sich Allen umgehend. Als kleiner Bonus folgten nämlich noch ‚The Death of Balance‘ sowie ‚Out of the Ashes‘ und ‚Sea of Lies‘ vom 1997er Magnus Opus „The Divine Wings of Tragedy“, bevor die Herren die Bühne verließen. Als finale Zugabe gab’s dann noch ‚Set the World on Fire‘ von „Paradise Lost“ und das als Konzertabschluß hervorragend bombastische ‚Legend‘ vom aktuellen Album. 100 Minuten exzellenter Metal mit einem tollen Bonus von Myrath. Wenn man von den zu vernachlässigenden Melted Space absieht – ein rundum gelungener Konzertabend mit Gleichgesinnten an einem verregneten Samstag. Was will man mehr?

Setliste (CH-Pratteln, Z7, 5. März 2016)

Nevermore
Underworld
Kiss of Fire
Without You
Charon
To Hell and Back
In My Darkest Hour
Run With the Devil
Swan Song
The Death of Balance / Lacrymosa
Out of the Ashes
Sea of Lies

Zugabe:
Set the World on Fire (The Lie of Lies)
Legend

(Alle Fotos mit freundlicher Unterstützung von Daniel Strub)

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar