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HI! SPENCER – „Wir hätten auch nichts dagegen, mal auf einen Headliner-Spot zu wechseln!“

 

Im Speckgürtel von Osnabrück sind Hi! Spencer 2012 zunächst als Abi-Band gestartet, und haben sich danach aufgemacht, ihre Version von deutschsprachigem Rock in die Welt zu tragen. Mit dem neuesten Werk „oben“ sind sie tatsächlich ziemlich durch die Decke gegangen. Bundesweit ausverkaufte Konzerte, viele davon vorab hochverlegt, sprechen eine deutliche Sprache. Wir treffen den gut gelaunten und auskunftsfreudigen Frontmann Sven Bensmann vorm Soundcheck in der Sputnikhalle in Münster zum ausführlichen Interview.

Hallo Sven, wie oft musstet Ihr als erste Interviewfrage schon „Hi!“ oder „Hallo Spencer“ über Euch ergehen lassen?

Tatsächlich sehr oft! Ich weiß nicht, ob das im weiteren Verlauf unseres Gesprächs noch kommt, aber danach kommt meist, woher der Name stammt. Das sind tatsächlich die Eingangssätze oder Fragen, die am häufigsten gestellt werden.

Weil es das überall schon zu lesen gibt, schenke ich mir die Frage…ich muss zugeben, dass Ihr bis vor etwa einem Jahr an mir vorbeigegangen seid. Eine Ex-Redaktionskollegin meinte irgendwann zu mir: „Du stehst doch auf Selig, hör Dir mal Hi! Spencer an!“ Wie stehst Du zu diesem Vergleich?

Das ist ein richtig schöner Vergleich! Es hilft Leuten manchmal, einen kleinen Referenzpunkt zu haben. Ich habe jetzt gerade zum ersten Mal diese Selig-Referenz gehört, sonst wird uns oft Jupiter Jones nahegelegt…

…klar, bei der Stimme…

Genau, stimmlich und auch ein bisschen inhaltlich. Das ein oder andere emotionale und melancholische Thema wird angesprochen -wie auch bei Jupiter Jones oder Selig. Ich finde das immer sehr cool, da freuen wir uns sehr drüber, wenn so große und namhafte Bands, zu denen wir selbst einen positiven Bezug haben, als Vergleich genannt werden.

Wenige Monate später habe ich Euch dann das erste Mal live gesehen. Ihr wart als Lokal-Matadoren beim „Hütte Rockt“ die (zumindest in meiner Wahrnehmung) größte Attraktion des Tages, keine andere Band hatte so ein textsicheres Publikum. Trotzdem habt Ihr den Tag eröffnet; schlauer Schachzug der Veranstalter, oder hättet Ihr lieber später gespielt?

Beides würde ich sagen! Das ist natürlich abgesprochen gewesen. Die haben sich gewünscht, dass wir so früh spielen, und wir haben uns darauf eingelassen. Das „Hütte Rockt“ ist unsere Homebase, da kommen wir her. Dort verfolgen die Leute uns am längsten und intensivsten, und dementsprechend sind sie so textsicher. Wir haben uns da selbst zur „Haus-und-Hof-Band“ ausgerufen. Dieses Jahr spielen wir zum ersten Mal seit sechs oder sieben Jahren nicht dort.

Es ist natürlich toll für das Festival, dass die Leute unseren Auftritt zum Anlass nehmen, um in Scharen auf den Platz zu gehen -und die meisten von denen bleiben dann auch. Das ist für die Bands nach uns auch ganz cool, die zumindest in der Region einen anderen Bekanntheitsgrad haben, dass die dann auch ein anderes Publikum bekommen.

Also: Wir haben das jetzt ein paar Mal gerne so gemacht, aber wir hätten auch nichts dagegen, mal auf einen Headliner-Spot wechseln!

Wie schon in meiner Kritik geschrieben, seid Ihr vermutlich nicht nur für mich mit der neuen Platte „oben“ nicht nur genau dahin, sondern noch weiter und zwar steil durch die Decke gegangen. Nicht nur ausverkaufte, sondern hochverlegte und dann ausverkaufte Shows, angefangen mit zwei JAKs im Rosenhof, was sonst nur die Donots schaffen. Wann habt Ihr gemerkt, dass aus der Hobbyband kleine „Stars“ geworden sind?

Find ich OK, dass man das so sagt: „Kleine Stars“ – aber so nehmen wir uns selbst überhaupt nicht wahr, weil wir sehr organisch wachsen. Das hat nicht viel mit externen Push- und Pull-Faktoren zu tun, sondern das kommt alles immer aus uns heraus. Daher haben wir das gar nicht so mitbekommen, weil das so alles sehr im Prozess läuft, und immer „Step by Step“. Es fühlt sich auch alles sehr gesund und sehr vernünftig an. Wir sind immer noch die fünf Leute, die zusammen 2012 gesagt haben: „Wir wollen keine Abi-Band mehr sein, sondern wir wollen eigene Musik machen und auf die Bühne bringen!“

Wir haben uns nicht wirklich großartig in der Konstellation verändert und im Verhältnis zueinander, sondern nur die Menschen vor der Bühne sind mehr geworden, was total schön ist. Das ist alles sehr herzlich und ehrlich, wenn man irgendwas sehen will, was fernab der großen Musikbranche ist – zu der halten wir auf ´ne ganz gesunde Art und Weise nämlich ein bisschen Distanz. Es sind wir Fünf plus Produzent, wir machen Musik zusammen, gehen auf Tour – da steckt kein fettes Label hinter, keine fette Agentur, sondern das machen einfach wir.

Ich vermute, dass (bislang) die Band bei keinem der Haupt-Brotjob ist?

Wir haben alle noch einen anderen Job. Ich verdiene mein tägliches Brot mit Bühne, aber auch auf der Unterhaltungsseite. So langsam können wir den Kuchen etwas großzügiger verteilen, aber es geht nicht ohne Nebenjobs, das ist tatsächlich so.

Wie organisiert man sich zwischen Job und doch zeitaufwändiger Band?

Langfristig! Man muss einfach perspektivisch nicht auf die nächsten drei, vier Monate gucken, sondern schon auf die nächsten ein bis zwei Jahre. Wann wollen wir eine Album-Produktion machen? Dann muss das blocken, und dann wieder von der Comedy-Seite berücksichtigen und umgekehrt. Kommunikation und Langfristigkeit sind die Stichworte, aber es funktioniert, wenn man das möchte und sich da ja da drauf einlässt.

Was ist bei Dir mittlerweile „größer“, der Comedybereich oder die Band?

Das ist schwer zu vergleichen! Wenn man sich die Social-Media-Zahlen anguckt, dann funktionieren die beiden Sachen anders. Wir profitieren als Band arg davon, dass wir eine große Hörer*innenschaft in Streamingportalen haben. Ich profitiere bei der Comedy davon, dass ich in den letzten Jahren eine große Reichweite bei Instagram generieren konnte, und meine Reels da bis zu ein paar Millionen Menschen erreichen, was mich natürlich sehr freut! Diese Menschen kommen dann zu meinen Shows. Es ist ganz spannend zu betrachten, dass die Followerschaft bei Instagram von mir alleine ungefähr so groß ist, wie die monatliche Hörer*innenschaft [der Band] bei Spotify. Für Comedy und Entertainment ist so Reel-Content ähnlich relevant, wie in einer guten Playlist bei Spotify zu landen. Ich spiele mit der Band ein paar weniger Konzerte als Comedy Shows, aber am Ende kommen ähnlich viele Leute, auch wenn es manchmal so wirkt, als würde die Comedy etwas besser laufen. Für mich stellt sich sowieso die Frage gar nicht, denn ich will beides aus tiefster Intuition heraus unbedingt machen!

Du hast gerade schon gesagt, Ihr habt kein fettes Label, aber seid doch Profis. Ist es bei Euch noch ein klassisches „Freitag-Abend-Kasten-Bier-leer-proben“- Ding, oder wieviel Business und „professionelle“ Vorbereitung steckt da mittlerweile drin?

Wir haben tatsächlich ein Label, das ist jetzt aber kein Major Label – Uncle M, auch ehemals hier in Münster verortet! Aber das ist schon was anderes. Wir haben für diese Tour gezielt geprobt, und wir trennen eigentlich die Kiste Bier immer sehr arg vom Handwerk. Beides kommt nicht zu knapp, aber das Bierchen -dann auch in größerer Masse- immer erst, wenn die Arbeit getan ist. Das war früher anders. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir jetzt alle so um die 30 sind, und die wilden Jahre so langsam aufhören.

Auch, weil wir fünf Leute sind, die alle noch ein eigenes Leben führen, die sich aber entschieden haben, diese Band unbedingt zusammen machen zu wollen. Deshalb schauen wir, dass wir die Zeit, die wir haben, möglichst gut nutzen – und da steht natürlich die Musik im Vordergrund!

Leider sind in Eurer CD keine Song- und Aufnahme-Infos. Wer schreibt bei Euch, wie entstehen aus den Skizzen die Songs?

Es gibt einen Song-Pool, der entsteht mit der Zeit. Der kann auch einfach nur aus Sprach-Memos bestehen, die acht Sekunden lang sind. Es gibt einen Song auf der aktuellen Platte, der heißt „Frische Luft“. Ich bin spazieren gegangen im Wald, und hatte diesen Refrain im Kopf (singt ihn leise vor), und das war es. Das habe ich losgeschickt in diesen Pool. Meist kommt dann Janis, unser Gitarrist, und nimmt sich diesen Song. Er hat sehr coole Skills entwickelt, mit Q-Base kleine Demos zu bauen. Dann tüftelt er so rum, das kommt das wieder in diesen Song-Pool, dann nehme ich mir das wieder, schreibe neue Texte. Dann schauen die anderen, also es bedingt sich alles. Es gibt einen intensiven Impuls, der kommt meist von mir, Malte oder Janis, und sobald diese Idee rausgelassen wurde, auf die alle Zugriff haben, entstehen dann die Songs.

„Frische Luft“ hast du ja schon genannt, aber wer sind „Jolien“ und „Juno“ – oder anders gefragt: wieviel reales Leben steckt in Euren Songs und wieviel Fantasie?

Juno ist tatsächlich Maltes Hundes, er ist das knuffigste Lebewesen dieses Planeten! Sobald der irgendeinen Menschen sieht, freut dieser Hund sich so exorbitant, und zeigt das sehr nach außen. Eigentlich ein schönes Thema, und das fehlte uns noch, ein Hunde-Song. Jolien ist eine fiktive Person. Das ist ein Empowerment-Song, eine Ally-Hymne gerichtet an Trans-Personen, die kurz davor stehen, sich zu outen, vielleicht eine Transition vor sich haben, und die ihre ersten Unsicherheiten überwinden. Wir wollen aus unserer Sicht einfach etwas supportiges schreiben, weil wir in unserer Band keine Trans-Personen vertreten haben.

Was können Eure Gäste heute Abend in der ausverkauften (großen!) Sputnikhalle erwarten?

Genau, 650 Leute sind da! Wir haben schon zwei Konzerte mit den neuen Songs gespielt in Göttingen und Dresden. Das war ein sehr schöner Auftakt, ganz viel Euphorie und ganz fulminante Shows. Ich glaube, dass das heute für die Frühjahrs-Tour zumindest am nächsten an einem Heimspiel ist. Wir kommen aus Osnabrück, und wir sind jetzt nicht die Leute, die hier dieses Münster-Osnabrück-Fass aufmachen wollen. In Münster haben wir tatsächlich neben Osnabrück die zweitgrößte Connection zu den Leuten. Entsprechend ist das gar nicht so abwegig, dass wir jetzt die größte Club-Show ever außerhalb unserer Homebase hier und heute spielen. Wir freuen uns sehr, denn die Setlist ist sehr gut bedacht. Das heißt, die Leute kriegen eigentlich das, was sie schon vor diesem Album an uns und unserer Musik geschätzt haben, sie kriegen aber auch neun von zehn Songs der neuen Platte. Das haben wir in einer Art und Weise  verbaut, von der wir glauben, dass es auch den Leuten, die vielleicht sagen: „Früher waren die besserer!“, auf ihren Geschmack kommen, aber die Leute, denen das neue Album gefällt, kriegen auch ihr neues Album, ohne dass es einen Energieabfall gibt. Wenn Menschen etwas noch nicht so kennen, gehen sie oft erstmal bisschen auf Distanz, das probieren wir heute zu vermeiden und ich tippe, es wird uns gelingen. (Anmerkung der Redaktion: Das können wir im Nachgang eindeutig bestätigen, lest hier unseren Bericht des Abends!)

Die Tour ist fast zu Ende, am Ende habt Ihr ein Jahres-Abschluss-Konzert, bei dem Ihr eine Konzertlocation in Osnabrück einweiht. Ich finde: Sehr ambitioniert, nicht wegen der Größe – erst letzte Woche rollten die Bagger an. Glaubt Ihr wirklich, dass die Halle bis dahin fertig ist?

Ich würde sagen, es ist schon zu 99,9% realistisch. Alles andere wäre höhere Gewalt, oder irgendeinen Bauantrag, der falsch gestellt wurde. Es ist schon mal ein gutes Zeichen, dass dort überhaupt gebaut wird, und vor allen Dingen auch pünktlich angefangen wurde. Wir haben zu den Leuten, die das da bauen, einen guten Draht. Das ist ein toller Veranstalter aus Osnabrück, und die haben uns versichert, dass wir dort spielen können. Im Stadtzentrum Osnabrück hat so eine Location gefehlt, und wir haben genau so eine gesucht.

Wie sind die weiteren Pläne nach der Tour?

Wir nutzen tatsächlich Tourzeiträume, wenn wir ganz viele Stunden im Bulli verbringen, um Gedankenschlösser aufzubauen, und perspektivisch zu gucken, wo die Reise hingeht. Ein paar Sachen sind schon komplett in trockenen Tüchern. Wir werden auch im Jahr 2025 eine sehr intensive Tour spielen, und im besten Fall einen coolen Festivalsommer haben. Dann werden wir, wenn alles gut läuft, im nächsten Jahr ins Studio gehen. Wann dann eine neue Platte kommt, das kann ich an dieser Stelle noch nicht sagen…

…aber zeitnah und keine fünf Jahre Pause?

Nein, wir haben uns in den letzten Jahren immer mal ein bisschen mehr Zeit gelassen für eine Platte, vielleicht können wir die Zeit nun ein bisschen raffen!

Lieber Sven, ich danke für das Gespräch und wir sehen uns nachher vor bzw. auf der Bühne!

Ich danke und bis heute Abend!

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Fotocredit: Andreas Hornoff

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