Traces

Manche ein Comeback kommt im Rock’n’Roll doch unverhoffter als Andere. Wenn Black Sabbath trotz dem verkündeten „The End“ demnächst doch noch einmal aktiv werden, wird sich niemand wundern, auch bei, sagen wir mal, Twisted Sister ist fraglich, wie lange die Band wirklich tot bleibt. Dass aber die ehemalige Journey-Goldkehle Steve Perry tatsächlich noch einmal aktiv werden würde, war selbst für die, die ganz hartnäckig nicht aufhören zu glauben, nur ein sehnsüchtiger Wunschtraum. Zu oft hatte man von beispielsweise Kip Winger oder Extreme-Klampfer Nuno Bettencourt gehört, dass sie angeblich mit Perry an Material gearbeitet hätten, und nie hatte irgendetwas davon zu einem Ergebnis geführt. Nun hat sich Perry höchstselbst aber vor einigen Wochen mit dem tollen neuen Song ‚No Erasin“ und der Ankündigung eines neuen Albums zurückgemeldet. Und jetzt ist er wirklich da: „Traces“, der insgesamt dritte Steve Perry-Longplayer steht in den Plattenläden.

Schon ‚No Erasin“ hatte als Vorabsingle gezeigt, dass Perrys Stimme zwar durchaus gealtert ist, aber immer noch dieses unvergleichliche Charisma hat, das seinen Nachfolgern – und 99% der Melodic-Rock-Konkurrenz – ziemlich abgeht. So sollte es auch niemanden wundern, dass das Material und die Produktion von „Traces“ ganz gnadenlos auf seine Stimme zugeschnitten sind. Wer allerdings nach dem feinen AOR-Song ‚No Erasin“ ein Album in der Tradition von, nun ja, Journey erwartet hatte, dürfte ein wenig Enttäuschung verspüren. Besagte Vorabsingle ist nämlich mit Ausnahme des mit John 5 komponierten und eingespielten ‚Sun Shines Gray‘ der einzige rockige Song des Albums. Natürlich, dass ein Album, das vom Tod seiner Lebensgefährtin inspiriert wurde, keine Sex, Drugs & Rock’n’Roll-Stories enthalten würde, war zu erwarten. Auch das letzte Journey-Album mit Perry („Trial By Fire“, 1997) und seine beiden vorangegangenen Soloalben waren schließlich eher balladesk orientiert. Dass „Traces“ aber so konsequent im ruhigen Bereich bleibt, gerät dem Album dann trotz der Gänsehautstimme Perrys ein wenig zum Nachteil. Denn da wäre erst einmal die fehlende Abwechslung, die ein wenig ermüdet, aber auch songwritingtechnisch ist bisweilen Luft nach oben. Auf Songs wie ‚You Belong To Me‘, ‚In The Rain‘ oder dem komplett umgestrickten Beatles-Cover ‚I Need You‘ rutscht das Ganze nämlich leider ein wenig in die kitschigen Niederungen von Mainstream-Schmalztöpfchen wie Michael Bolton oder Barry Manilow ab. Dagegen stehen Songs wie die zweite Single ‚We’re Still Here‘ oder das an Perrys ewiges Vorbild Sam Cooke angelehnte ‚No More Cryin“, die zwar genauso butterweich in die Gehörgänge flutschen, aber deutlich machen, dass man es hier mit dem Mann zu tun hat, der für Schmuseklassiker wie ‚Open Arms‘, Lights‘ und Konsorten mitverantwortlich zeichnete.

Zur ganz großen Begeisterung reicht es also bei „Traces“ leider nicht, aber es ist natürlich dennoch schön, eine der großartigsten und unverkennbarsten Stimmen der ganzen Rockmusik wiederzuhören. Die rosa Fanbrille lässt dann auch über die Schwächen des Albums zumindest ein Stück weit wegsehen, aber der erhoffte Überhammer wurde Steve Perrys Comeback leider auch nicht. Vielleicht sind das ja aber nur kleine Rostspuren, die sich in Zukunft wieder geben – falls es nicht noch einmal 21 Jahre bis zum nächsten Album dauert…

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