Sixx:A.M. und Korn – Mehr Gemeinsamkeiten als gedacht
„Sixx: A.M., das sind neben Sixx die Musik-Produzenten DJ Ashba (Gitarre) und James Michael (Gesang). Drummer Dustin Steinke und die beiden Background-Sängerinnen Amber Vambnuskirk und Melissa Harding gehören nur zur-Live-Besetzung. Vor 9 Jahren als Solo-Projekt von Sixx gegründet, hat der agile Dreier bisher vier Alben veröffentlicht. Massgeblich war von Beginn an vor allem die Leitlinie, gemeinam mit der Rockmusik Spass zu haben. Das klingt wie das schlimmste Klischee überhaupt, aber wenn man die Band live sieht, muss man anerkennen, dass dieser Vorsatz spürbar ist. Und bei aller Erfahrung der drei Herren im Musikbusiness ist das nicht unbedingt zu erwarten. Vor allem der sympathische Michaels füllt seine Rolle als Sänger und Frontmann exzellent aus. Er plaudert gelassen mit dem Publikum, räumt bescheiden ein, dass man noch nicht so bekannt sei und dann wird mit Vollgas-Hardrock alles daran gesetzt, genau das zu ändern.
„Das Z7 ist an diesem Abend ausverkauft und die eher auf (Nu)-Metal eingestimmte Menge feiert Sixx: A.M. ordentlich ab. Verdient, denn der Live-Sound der Band ist erstklassig und die Songs abwechslungsreich, eingängig und melodiös. Mit den hymnenhaften Refrains von ‚When We Were Gods‘ oder ‚Lies of the Beatuiful‘, der gefühlvollen Ballade ‚Skin‘ oder dem beinahe symphonischen ‚Dead Man’s Ballet‘ überrascht die Band mit unerwarteter Vielseitigkeit. Zu ‚Lies of the Beautiful‘ taucht ein bekanntes Gesicht am Schlagzeug auf: Ray Luzier von Korn trommelt den ohrwurmigen Hardrock-Song und gibt mit seinen Power-Beats dem Lied eine absolut geniale Note. ‚Prayers for the Damned‘ vom gleichnamigen, aktuellen Album bewegt sich schlafwandlerisch auf dem schmalen Grat zwischen Pathos und autobiografischer Schwermut. Lediglich die beiden Background-Sängerinnen Melissa und Amber wirken häufig deplatziert, bei ‚Rise‘ nerven die beiden hübschen Damen fast etwas. Mit dem optimistischen ‚Life is Beautiful‘ endet der rund einstündige Auftritt unter verdient grossem Applaus. Wobei einer der Herren nochmals auf der Bühne erscheinen sollte…
„Korn bringen den „verlorenen Sohn“ Brian „Head“ Welch mit, der 2013 nach einer achtjährigen Auszeit wieder zur Band zurückgekehrt war. Auf der Tour zum aktuellen Album „Paradigm Shift“ stand der alleinerziehende Vater dann erstmals wieder mit seinen Schulfreunden auf der Bühne. Die sehr schwierige Zeit, die der Gitarrist mit den Dreadlocks nicht bei Korn war, hat dieser gerade erst im zweiten Teil seiner Autobiografie „With My Eyes Wide Shut“ eindrucksvoll und sehr intim beschrieben. Mit „Happy End“, so viel sei hier gesagt – und das merkt man Head auch an. Mit ‚Right Now‘ geht’s mit dem typischen Korn-Sound los: Böse, hypnotisch-rhythmische Riffs, die Bass-Saiten wummern und Jonathan Davis schreit sich die Seele aus dem Leib. So muss das, wo wollen das die Fans. Bereits als dritter Song ist der erste Hit auf dem Programm: ‚Somebody Someone‘ mit dem prägnanten, dissonanten Gitarrensound zur Eröffnung. Kurz darauf hüpft sowohl auf der Bühne als auch in den vordersten Reihen alles. Mit nur einem Song dazwischen, ‚Narcissistic Canibal‘ geht es actionreich weiter mit ‚Falling Away From Me‘ und dem chilligen ‚Coming Undone‘.
Zu ‚Shoots and Ladders‘ tauscht Frontmann Davis seinen HR-Giger-Mikrofonständer gegen seinen Dudelsack – die Menge jubelt. Nach dem Anti-Mobbing-Song ‚Hater‘, dem einzigen Song vom aktuellen Album darf Drummer Ray Luzier auf seinem gigantischen Drumkit zwischen fünf und zehn Minuten eindrucksvoll zeigen was er drauf hat. Und kann der Mann trommeln! Die Laune im Publikum ist bestens und steigt weiter, als zu ‚Blind‘ plötzlich Nikki Sixx mit seinem Bass auf der Bühne auftaucht und den Song gemeinsam mit Korn zockt. Das freuen sich nochmal die Fans beider Bands. Zu ‚Y’all Want A Single (Fuck that)‘, eigentlich einer Abrechnung mit der Musikindustrie, fordert Jonathan Davis seine Fans zum kollektiven Mittelfinger-Strecken und Mitgröhlen. Die aufgeheizte, hüpfende Menge lässt sich nicht zweimal bitten. Hier kann schliesslich jeder seine persönlichen Frustgefühle kanalsieren, egal ob wegen der internationalen Politik, dem nervigen Chef oder dem ertrunkenen Goldfisch. Was vereint schon mehr, als gemeinsam seinen Frust mit den richtigen Worten in die Welt hinaus zu schreien?
„Zum Ende des Sets intonieren Korn ihre ganz eigene, sehr coole Version von Pink Floyds ‚Another Brick In The Wall‘. Damit beweisen sie, dass sie nicht nur Nu-Metal-Pioniere mit Bock auf Crossover sind, sondern aufgeschlossene Rockmusikfans. Neben den klassischen Hits, von denen natürlich noch ‚Freak On A Leash‘ aussteht, ist die Coverversion zweifellos der musikalische Höhepunkt des Abends. Nach dem Abgang der Band folgen als Zugaben noch das schaurige ‚4 U‘ und das ebenfalls untypische ‚Got The Life‘ vom Hitalbum „Follow The Leader“. Den krönenden Abschluss liefert die Band dann natürlich mit ihrem grössten Hit ‚Freak On A Leash‘, das unter anderem durch das preisgekrönte Video weltberühmt wurde, an dem auch Spawn-Schöpfer und Comic-Legende Todd McFarlane mitgewirkt hatte. Die Fangemeinde in Pratteln hüpft kein bisschen müde geworden munter mit. Was für ein spannender Abend mit zwei hervorragenden Bands, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Experiment gelungen.
Setliste Korn (CH-Pratteln, Z7, 16.06.2016)
Right Now
Here to Stay
Somebody Someone
Narcissistic Cannibal
Falling Away From Me
Coming Undone
Shoots and Ladders
Hater
Drum Solo
Blind (with Nikki Sixx)
Twist
Did My Time
Y’All Want a Single
Another Brick in the Wall
(Pink Floyd cover)
Encore:
4 U
Got the Life
Freak on a Leash
(Alle Fotos mit freundlicher Unterstützung von Daniel Strub)