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Silent So Long

Vitamin B (Bekanntschaften), Vitamin C (Connections) – geschenkt. Als Rammstein-Mitglied hockt man mitten im Saft und kriegt sie alle an den Hörer. Marilyn Manson, Lemmy Kilmister, Peaches, … Wetten, dass Richard Zven Kruspe alles andere als lange bitten musste, um die illustren Namen, die als blitzende Anhängsel die Tracklist seines neuen Albums ‚Silent So Long‘ zieren, vor die Geräte zu holen? Nach siebenjähriger Stille – der Albumtitel verrät’s – emigriert der Gitarrist des deutschen Exportschlagers zum zweiten Mal und lässt es nicht auf dem Grundstock einer Kosmopoliten-Band beruhen. Wer so laut zusammentrommelt, möchte man meinen, der macht auch sonst ganz gut Lärm.

Und liegt richtig:

‚I’m set for detonation!‘

, verspricht die Einstiegszeile; sie meint es grundehrlich. Den ersten Paukenschlag setzt es aber schon, bevor man das Digipak aus der Folie geschält hat. Was ganz erwartungsgemäß zum Vorschein kommt, ist ein derber Protz von einem Album, der aber seine Gewöhnlichkeit hinter großen Namen und noch größerem, Rammstein-inspiriertem Gitarrengebrettere zu verstecken sucht.

‚Fuck!‘

, meldet sich Marilyn Manson auf seinem nur allzu symptomatisch betitelten Feature-Track ‚Hypothetical‘ zum ersten Mal zu Wort; viel Originelleres soll nicht folgen – weder von Brian Warner, noch von sonst jemandem auf diesem Album, ausgenommen vielleicht Lemmy, dem Rockergreis, der redlich Rollergeist mit aufbockt. Ach, und da gibt es ja auch noch die Hooklines, die Tunes, die Melodien. Die sind derart skrupellos auf Einprägsamkeit getrimmt und im Rhythmus so unverschämt verzehrfertig ausgestanzt, dass sie einem gleich aus dem anderen Ohr abgehalftert wieder herauskrümeln.

‚… Bitches.‘

Das war’s. Selten trifft außerhalb eines vorweihnachtlichen Charity-Albums so viel Prominenz so uninspiriert aufeinander.

Doch wer lässt hier wen im Stich? Seeeds Frank Dellé, Korns Jonathan Davis und sogar die eigene Geliebte und Mutter seiner Tochter, Margaux Bossieux – keiner der weiteren Kontributoren vermag ‚Silent So Long‘ dem Treibsand der Mittelmäßigkeit zu entreißen, und Richard Kruspe wird kaum Anderes übrig bleiben, als das auf seine Kappe zu nehmen, feilte er doch so überaus vertieft an seiner Gästeliste, dass letztlich für auch nur im Geringsten aussagekräftige Texte und vergleichbar förderliche Erledigungen offensichtlich weder Zeit noch Muße blieb. Die Geladenen – sie versumpfen schlechterdings. Reichte ihnen Kruspe wenigstens was zum Knuspern? Hey! Hey!-Backgroundrufe, die effekthascherisch einem Pulk vom Band einheizen, sind mehr schlechter Scherz denn wirkungsfördernd. Hier hat jemand vor lauter Völkerverständigung und Produktionsgeilheit die Musik aus dem Auge verloren.

Traurige Erkenntnis: Kraft ist nicht alles. Richard Kruspes Ideenreichtum ist erschöpft, sein Pulver verschossen, sein Vokabular durchdekliniert, sein … ach, lassen wir das. ‚Silent So Long‘ ist eine knappe Dreiviertelstunde selbstherrliches Muskelspiel, aber – soviel sei ihm zugestanden – weder handwerklich minderwertig noch reine Zeitverschwendung. Fett! Fett! Fett! Na und? Belanglos bleibt es trotzdem. Da kann der gute Mann noch so oft nach New York und wieder zurück jetten.

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