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Schick Schock

Auch wenn man schwerlich behaupten könnte, nicht bereits durch zwei Alben vorgewarnt gewesen zu sein, ist es doch zum Rosen-zum-Plafond-Werfen: Bilderbuch setzen zur dritten Attacke an auf alles, was da draußen ernsthafte Ansätze wahrt. Zu billig, zu bunt oder zu banal ist ihnen dafür nichts. Nicht Tiergeräusche, nicht Flachwitze, kein noch so müder Reim, ja nicht einmal der Autotune. Die Österreicher Youngster um Maurice Ernst – die wasserstoffblonde Zentralfigur allen Übels – reißen an, was nicht niet- und nagelfest ist, lecken es lasziv ab und lassen es dann hinter sich liegen. Und das ist dann, wie es da so liegt, ihre Collage. Ihr fingerfarbenbesudeltes Brainstorming. Ihr akustischer Wichsfleck.

Postklostergymnasiale Belastungsstörung könnte man es nennen, würde man den Wienern die Flucht ins Pathologische durchgehen lassen. Alles Abgeklemmte will schließlich eines Tages mal raus, und dieser sprichwörtliche eine Tag verteilt sich im Fall Bilderbuch auf mehrere Jahre. 2015 markiert die nächste fette Eiterblase, ‚Willkommen im Dschungel!‘ deren Ouvertüre. Einem aus Gummipalmen und Alkopops. Und da geht das Theater auch schon los:

‚Hol‘ die Police, hol‘ die Police / Ich fühl‘ mich so verbrecherisch!‘

Zum Wegschließen ist bis heute niemand eingetrudelt. Schade eigentlich. Immerhin riecht Frau Professor Lunte. Beziehungsweise Dampf, denn die Buam ziehen sich zwischenzeitlich einen ‚Spliff‘ durch. War ‚Schick Schock‘ eine Rauschtat? Sind Bilderbuch schuldfähig? Fest steht: Klein übt sich, was ein großer Anti sein will. Und diese Band hier hält es sowas von klein.

Ein Song wie ‚Softdrink‘ freut vielleicht noch die Coca Cola Company, die gleich mit einer ganzen Reihe ihrer Brausen vertreten ist. Barry Manilow hätte sich aber sicherlich ebenfalls eine geistreichere Hommage gewünscht. Und Unfug wie ‚Feinste Seide‘ (

‚Heiße Luft, so flüssig wie Kristall / Ich lese Proust, Camus und Derrida / Mein Schwanz so lang wie ein Aal / Deine Mutter so dick wie ein –‘

) (kein Kommentar; Kmt. d. Red.) findet nicht einmal mehr Markus Lanz großartig.

‚Wo sind die Drinks?‘

Ja, wo sind sie? Und: Machen die auch gut stramm? Womöglich die einzige Frage, die es sich bei dieser Begegnung zu stellen lohnt.

Schon gut, schon gut: ‚Schick Schock‘ mag vor Ironie triefen. Ja, es mag zudem das originellste deutschsprachige Popalbum seit langem sein. Nur macht es das keinen Deut erträglicher. Schnöseliger Kopfstimmen-Sprechgesang mit zum Himmel schreienden Kunstpausen ist das Mittel der Wahl, eine Message durchzuschleusen, die keine ist. Die schelmischen Spitzen, die selbstgefälligen Reime, die billig blinkenden Plattitüden, die sich Ernst da so albern auf der unartigen Zunge zergehen lässt, sind purer Selbstzweck. Wenn man aber Bilderbuch einen Vorwurf nicht machen kann, dann ist es wohl der, sich zu ernst zu nehmen. Alle anderen Vorwürfe – und seien die noch so berechtigt – grinsen sie mit hochgezogener Augenbraue weg. Bis sie früher oder später keine Sau mehr interessieren, versetzt sie das leider Gottes in den God-Mode.

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