Zwei Äcker, zwei großartige Headliner, zwei Tage im Sommer und zwei Kanonen als Logo: Am 7. und 8. August feierte das Reload Festival im niedersächsischen Sulingen in der Nähe von Bremen sein zehnjähriges Jubiläum. Im letzten Jahr war es noch ausgefallen, da die ehrenamtlichen Veranstalter nicht genügend Unterstützer und Investoren gefunden hatten. Zwar konnte man dieses Mal an nur zwei anstatt wie gewohnt drei Festivaltagen auch entsprechend weniger Künstler sehen. Die Besucherzahlen zeigten jedoch, wie sehr sich die Fans über das Revival des Rockfestivals gefreut haben müssen.

Ein riesiger Acker stand für die Festivalbesucher bereit, nur zehn Minuten Fußweg zum Infield miten in einem Maisfeld entfernt. Doch bereits am Abend vor dem eigentlichen Festival war der Andrang auf den Campingbereich so groß, dass über Nacht zwei weitere Ausweichflächen im wahrsten Sinne aus dem Boden gestampft wurden. Ohne die tatkräftige Unterstützung der Stadt Sulingen wäre dies wohl kaum möglich gewesen. Selbst der Bürgermeister packte mit an und half kurzerhand, höchstpersönlich auf der Straße den Verkehr umzuleiten.
Selbst der heftige, nächtliche Regen, der das Camping- und Festivalgelände in eine Schlammlandschaft verwandelte und so manchen unachtsamen Zeltbauer fluchen ließ, konnte die gute Stimmung am nächsten, ersten Festivaltag nicht trüben. Schließlich stand dieser Freitag ganz im Zeichen des Metal- und Hardcore mit einem würdigen Headliner als Abschluss. Um 13:20 eröffneten Mantar das Reload Festival, ein Doom-Metal-Projekt aus Hamburg, das 2014 für den Metal Hammer Award für das beste Debüt nominiert wurde. Umso erstaunlicher, da Mantar (türk. ‚Pilz‘) nur aus zwei Leuten besteht, die mit Gitarre, Drums und Vocals auf der Bühne ebenso überzeugten wie eine fünfköpfige Band aus Bremen: Watch Out Stampede sind zweifelsfrei ein vielversprechender Newcomer in der deutschen Post-Hardcore-Szene, die 2014 das großartige Debüt ‚Reacher‘ vorlegten.
Mittlerweile hatte sich das Wetter endgültig zum Besseren geändert und die Mengen vor der Bühne den schlammigen Untergrund etwas fest getreten, als die Hardcore-Punker von Ignite mit großem Applaus am späten Freitagnachmittag begrüßt wurden. Und dass obwohl das Quintett aus Orange County, Kalifornien seine Fans seit beinahe zehn Jahren auf einen Nachfolger ihres letzten Albums ‚Our Darkest Days‘ warten lässt. Doch siehe da: Kaum hatten sie die ersten Songs gespielt, verkündete Frontmann Zoltan ‚Zoli‘ Téglás, der zwischenzeitlich für drei Jahre bei Pennywise gesungen hatte, dass Ignite schon bald ein neues, fünftes Album veröffentlichten werde. Wie man an einem kleinen musikalischen Vorgeschmack daraus sehen konnte, sind sich Ignite über die Jahre treu geblieben und politisieren weiterhin gegen Korruption, den militärisch-industriellen Komplex, hetzerische Propaganda in den Medien und anderes Unrecht in der Welt.
Obgleich nicht aus heimischen Gefilden sind Architects auf deutschen Bühnen längst keine Unbekannten mehr. Mit ihrem impulsiven Mix aus Metal- und Hardcore sowie ihrer unermüdlichen Spielfreude haben sie sich die Briten hierzulande viele Freunde gemacht und durch ihren Reload-Auftritt verdientermaßen wohl noch einige mehr hinzugewonnen. Ein gelungener Auftakt für eine noch größere Sensation von der Insel.
Der Festivalsamstag stand zwar durch den zweiten Headliner Dropkick Murphys und einigen anderen Bands entscheidend stärker unter dem Stern des Irish Folk Punks, begann aber ähnlich wie der erste mit harten Gitarrenriffs. GWLT, ein Deutsch-Rap-Hardcore-Crossover-Projekt aus München, bei dem der Name Programm ist, legten mittags los. Gefolgt von Death By Stereo, einem Hardcore-Quintett aus Orange County, Kalifornien, und dem New-York-Hardcore-Urgestein Madball.
Um kurz nach vier wurden jedoch plötzlich ganz andere Töne angeschlagen. Und zwar mit Akustikgitarre, Tin Whistle, Banjo und Akkordeon. Erst nur zögernd ließ sich die Menge, die kurz zuvor noch zu harten Riffs ihre Köpfe geschwungen hatte, auf diese neuen Klänge ein, wurde aber so schnell wie ein Guinness auf ex von Mr. Irish Bastard mitgerissen, einer Irish-Folk-Punk-Band aus Münster. Schließlich stimmten alle bei ‚Drink Another Day‘ begeistert in den Refrain ein und sangen: ‚With a raised glass and a raised fist – I’ll fight my way out of this – and we’ll live to drink another day!‘ Die Celtic Rocker waren nach einer halben Stunde ebenso überrascht wie das Publikum, dass sie kurz nach ihrem Abschied schon wieder auf der Bühne standen. Die Southern-Rocker von Black Stone Cherry aus Edmonton, Kentucky, hatten sich auf dem Weg zum Festival verfahren. Großes Pech für sie, großes Glück für Mr. Irish Bastard, die kurzerhand einsprangen und sich eine dreiviertel Stunde länger in die Herzen der Festivalbesucher spielen durften.
Danach bekamen die vom Tanzen ermüdeten Beine eine kleine Pause durch die schwedische Blues-Rock-Band Blues Pills, welche die Gemüter etwas abkühlen ließ. Doch nicht für lange, denn in den Startlöchern standen bereits fünf Jungs aus dem Pott, die sich in den letzten Jahren an die Spitze des deutschsprachigen Metalcore katapultiert hatten. Die Rede ist natürlich von Callejon – ein Höhepunkt des zweiten Festivaltages für viele jüngere Besucher.
Den Rest des Abends beherrschten zwei irisch-amerikanische Folk-Punk-Bands, die zu den Pionieren des Genres gehören. Flogging Molly aus LA und Festival Headliner Dropkick Murphys aus Boston holten noch einmal mit viel Enthusiasmus alles heraus, was es an Energie zum Tanzen, Klatschen, Singen und Springen beim Publikum zu holen gab. Ob man die beiden Bands vorher kannte, war ohne Bedeutung. Ob jung oder alt, Headbanger oder Folkfan, Bier- oder Weintrinker – keiner konnte sich den lebensfrohen, mitreißenden Songs verschließen.
Ein großartiger Abschluss des Reload Festivals, der die Fans nachher entweder todmüde aber glücklich auf ihre Schlafsäcke fallen ließ oder sie tatsächlich noch zu einer Aftershow-Party motivierte. Kaum jemand wollte am nächsten Tag abreisen. Doch nächstes Jahr heißt es mit großer Zuversicht beim Reload Festival wieder: Nachgeladen und Feuer frei.
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