Painted Doll – Retro-Rock auf Todes-Comedy?
WS: Dave, Chris, eure Musik scheint von einer ganzen Bandbreite von Rockbands von den sechzigern bis heute geprägt zu sein. Man kann da The Kinks oder auch The Clash raushören, und vermutlich jede Menge anderes Zeug. In den letzten zwanzig Jahren gab es ja eine Art „Retro-Rock-Revival“, was so weit ging, dass man oft reflexartig denkt: „Oh nein, schon wieder so ne uninspirierte Retro-Band!“ War das etwas, was euch Jungs gegenwärtig war und falls ja, habt ihr versucht, das irgendwie zu berücksichtigen?
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Dave: Ich glaube nicht, dass wir im eigentlichen Sinne versucht haben, „retro“ zu sein, aber die Band wurde definitiv von unserer gemeinsamen Liebe für den Psychedlic Rock und Pop der 60er und 70er inspiriert. Wir haben uns bei einem Auftritt von Autopsy vor ein paar Jahren kennengelernt und schon kurz darauf begonnen, unsere Lieblingsmusik miteinander zu teilen. So Sachen wie Shocking Blue oder die Groundhogs genauso wie abgefahreneres Zeug wie Inca Bullet Joe und andere Bands, die zum Teil nur eine oder zwei Singles veröffentlicht hatten. Irgendwann entschieden wir uns, eine Band zu gründen, die genau von diesem Zeug, das wir uns ständig hin- und hergeschickt hatten, inspiriert sein sollte.
Chris: Wir sind da völlig ohne Vorsätze, was genau wir tun würden, ran gegangen. Als wir uns dann entschieden hatten, die Band zu gründen, begannen wir uns Songideen hin- und herzuschicken, allerdings ohne irgendwelche Bemerkungen, wie das dann am Schluss klingen sollte. Auf gewisse Weise war es eine sehr „reine“ Erfahrung im Sinne einer unausgesprochenen, gemeinsamen Wellenlänge, was wir schreiben wollten, was sich unabhängig voneinander in unseren Köpfen an Musik formte. Über die Existenz dieses Retro-Revivals haben wir uns nie ausgetauscht. Für mich sind diese Songs eigentlich auch sehr frisch und gar nicht „retro.“ Es sind einfach gute Rocksongs mit psychedelischem Pep, verstehst du?
WS: Frisch trifft es auf jeden Fall! Was macht eurer Meinung nach das Besondere oder Einzigartige am Album aus bzw. gibt es etwas, auf das ihr besonders stolz seid oder herausstellen möchtet?
Dave: Einzigartig ist auf jeden Fall, dass Chris und ich aus so unterschiedlichen kreativen Backgrounds kommen, zumindest sind wir für total unterschiedliche Dinge bekannt. Und dann so etwas wie Painted Doll gemeinsam auf die Beine zu stellen, etwas, was keiner von uns sich hatte vorstellen können. Im Bezug darauf, auf was ich stolz bin – klingt jetzt vielleicht banal – aber es war vor allem der ganze Prozess. Wie das alles zustande kam: Wie wir gute Freunde wurden, dann vom Musiktausch unter Fans zum gemeinsamen Jammen und schliesslich im Studio landeten! Es ist alles einfach so passiert, ganz schnell und ohne irgendwelche Planungen. Zuerst haben wir uns gegenseitig auf unseren Telefonen aufgenommene, rohe Ideen zugeschickt. Immer, wenn ich dann wegen Comedy-Shows oder Fernsehauftritten in LA war, ist Chris von der Bay Area zu mir runter gekommen und wir haben ein paar Stunden gejammt. Ich schätze, wir haben das so vier mal wiederholt, dann sind wir ins Studio und haben das gesamte Album in drei Tagen rausgehauen. Es war eine total lockere Sache und hat echt Spass gemacht! Alles rein aus dem Bauch raus, ohne zu viel Nachzudenken. Wir hatten von vorneherein das Studio auch nur für drei Tage gebucht, von daher konnten wir uns eh nicht verzetteln. Wir haben uns ein paar Gitarren und Verstärker geschnappt, deren Klang uns gefiel und haben das Ding live in den Kasten gekloppt. Den Bass und eine zweite Gitarre haben wir dann mit Overdubs realisiert. Alles war nach ein, zwei Versuchen fertig. Es war also dieser ganze Prozess, der sich echt super anfühlte und ich bin total aus dem Häuschen, dass die Leute das jetzt anhören können.
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Chris: Ja, das hat wirklich keiner Kommen sehen, am wenigsten wir selber, Haha! Aber genau das ist es, was es auch für mich so cool macht. Mir gefällt sehr, dass die Songs stilistisch recht vielseitig sind und trotzdem so einen schönen, gemeinsamen Fluss haben. Das hat mich echt verzaubert! Stolz bin ich drauf, dass die ganze Sache überhaupt zustande gekommen ist. Wir hatten eine verrückte Idee, haben uns dahinter geklemmt und es hat geklappt! Wir haben das Album aufgenommen, ohne dass irgendjemand von uns gehört hatte, auch ohne das Interesse eines Labels oder so. Wir haben sogar ein Musikvideo rausgebracht. Nick Gomez hat ein cooles Video auf die Beine gestellt – der Typ ist einfach erstaunlich auf so vielen unterschiedlichen Ebenen. Wir habe einfach das Album gemacht und uns gedacht: „Wenn es richtig gut wird, dann wird sich schon jemand dafür interessieren!“ Ich kann mich noch erinnern, dass Dave sagte, er würde damit gerne zu Tee Pee Records gehen, und genauso kam es zu unserer grossen Verwunderung und Freunde dann auch. Bis jetzt war’s ne Klasse Sause und mit der ganzen Öffentlichkeit geht es jetzt ja erst los. Ich hab jedenfalls einen Heidenspass an der ganzen Sache!
WS: Wie schon angeklungen – auch in unserer Rezension – ein Komiker und ein Death-Metal-Schlagzeuger gründen eine Band, das klingt ja schon sehr ungewöhnlich. Gab’s da denn besondere Hindernisse zu überwinden?
Dave: Das einzige wirkliche Hindernis ist, dass Chris in LA lebt und ich in New York, da ist es nicht gerade einfach, zu proben! Auf der anderen Seite ist es so vielleicht sogar besser, so muss alles sitzen, wenn wir uns treffen. Manchmal denke ich, wie wären wahrscheinlich noch nicht so weit, wenn wir in derselben Stadt leben würden. Wir haben sogar das nächste Album schon fast fertig geschrieben und wir schaffen es hoffentlich, das noch in diesem Jahr fertig zu kriegen.
Chris: Genau. Wir wollten einfach zusammen rocken und haben uns von der Distanz nicht bremsen lassen. Wenn man Bock hat, dann findet man einen Weg, wie die Sache funktionieren kann.
WS: Chris, du bist ja ein bekannter Death-Metal-Schlagzeuger. Hast auf dem inzwischen legendären ersten Album von Chuck Schuldiners Death gespielt und seit Jahren deine eigene Band Autopsy. Für viele deiner Fans dürfte Painted Doll also eine ziemlich Überraschung sein. War das irgendwie schwer für dich, jetzt Psychedelic Rock mit Dave zusammen zu schreiben? Wie genau teilt ihr die Arbeit eigentlich auf, wie lief das im Studio ab?
Chris: Ich hab schon vorher mit Psych-Rock rumgemacht. Vor zwölf Jahren hatte ich ein Projekt namens Mirror Snake. Das hat Spass gemacht und war auch recht gelungen, aber ist dann irgendwie in der Versenkung verschwunden. Ich habe daheim noch Kartons mit dem Album rumstehen, haha! Aber ich mag es gerne, mich selbst herauszufordern und unterschiedliche musikalische Dinge auszuprobieren. Death Metal fiel ja auch in diese Kategorie, als ich damit anfing, war das was ganz Neues! Damals war das schräg und auch uncool, aber ich hatte einfach Bock drauf. Es gefiel mir, eine besondere, neue Bewegung mitzuprägen, von der die meisten Leute entweder nichts wussten oder nichts hielten. Es war mir egal, ob daraus einmal etwas Grosses werden würde oder nicht und es gab auch jede Menge Leute, die es doof fanden. Haha! Bei Painted Doll hab ich genau die gleiche Philosophie an den Tag gelegt. Ich glaube hundertprozentig dran, egal ob das jetzt vor irgendeiner Szene mit offenen Armen aufgenommen wird oder nicht. Wenn ich Musik mache, dann, weil mich innerlich etwas antreibt, es zu tun. Genau so war es hier auch. Bis jetzt ist allerdings alles super gelaufen und das freut mich natürlich riesig.
Im Bezug auf Musik ist eine meiner Liebsten Dinge das Schreiben. Ein neues Lied einfach nur daheim auf der Gitarre zu entwickeln und irgendann das fertige Ding mit Gesang und allen Instrumenten in meinem Kopf zu hören – davon kann ich nie genug kriegen! Es ist eine Riesenfreude etwas Neues zu schaffen, was vorher nicht da war, verstehst du? Das Schreiben ist mir echt leicht gefallen und ich glaub Dave würde das gleiche von sich sagen. Dass wir beide auf die gleiche Musik stehen, war natürlich super praktisch, obwohl wir die Lieder eigentlich separat geschrieben haben. Wir haben uns Demos zugeschickt, jeder von uns hatte ein halbes Album beigetragen und im Studio haben wir das dann ganz simpel umgesetzt: Ich habe auf allen Songs Schlagzeug gespielt und Dave hat auf allen Songs Gitarre gespielt und gesungen, bei einigen hat er auch Keyboard gespielt. Den Bass und die zweite Rhythmusgitarre hat dann jeder zu seinen Liedern geschrieben. Es war eine Riesengaudi und ich kann’s nicht erwarten, es wieder zu tun!
WS: Mir ist bewusst, dass ihr ganz am Anfang steht und die Frage vielleicht gar nicht beantworten könnt, aber zum jetzigen Zeitpunkt: Ist es in erster Linie das „Spassprojekt“, das ihr jetzt selbst so enthusiastisch beschrieben habt, oder könnte aus Painted Doll etwas Grösseres, eine „richtige“ Band, die auf Tour geht, werden? Sprich: Habt ihr Pläne, Ideen, Wünsche, wie es weitergehen soll?
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Dave: Es ist beides. Wir haben auf jeden Fall unseren Spass, wir sind aber auch total gespannt, wie es weitergeht und werden dafür auch Möglichkeiten ergreifen, wenn sie sich ergeben. Momentan planen wir ein paar Liveshows an der Ostküste, unter anderem als Opener für Monster Magnet, da sind wir schon ganz gespannt drauf. Im April machen wir dann ein paar Konzerte an der Westküste. Wir haben ein komplettes Live-Lineup am Start. Bass wird Erika Osterhout von Scolex spielen und an der zweiten Gitarre haben wir Tom Beaujour – in seinem Studio in New Jersey haben wir das Album aufgenommen. Wir freuen uns auf die Auftritte und würden auch total gerne nach Europa kommen, wenn sich dort Möglichkeiten ergeben und die Leute uns sehen wollen. Und dann haben wir natürlich schon das zweite Album fertig geschrieben, da kann’s also auf jeden Fall weitergehen. Also ja: Wir sind in erster Linie zwei Typen, die zusammen verschwitzt in einem kleinen Proberaum jammen, aber wir wären super happy, überall auf der Welt aufzutreten, wo sich die Möglichkeit eröffnet. Wenn ihr Bock habt, dass wir in eure Stadt kommen, dann meldet euch. Wir meinen euch Leute, egal ob in Berlin, Tokio, Cleveland oder sonstwo.
Chris: Wir nehmen die Sache auf jeden Fall ernst, aber es ist auch ein Spass-Ding. Die Zusammenarbeit läuft super, nichts fühlt sich irgendwie gezwungen an, und genau so sollte es auch sein. Die Shows mit Monster Magnet werden super, vor allem weil es eine Lieblingsband von uns beiden ist – das ist natürlich hammercool! Und das zweite Album kommt, ihr könnt euch also definitiv auf mehr launige Jams von uns freuen, und zwar in nicht allzu ferner Zukunft. Ich bin saugespannt, was noch alles auf uns zukommt, ich hab einen Riesenspass an der Band und wir sind bereit, euch aus den Socken zu hauen!
WS: Euer Talent als Musiker steht ja nach dem tollen Painted Doll Debüt fest. Habt ihr denn noch andere Talente? Oder etwas, in dem ihr alles andere als talentiert seid?
Dave: Ich kann diesen speziellen Tanz-Move, bei dem man durch seine eigenen Beine hüpft. Das Ding war in den Neunzigern bei MTV mal kurz DAS Ding. Ich könnte das vielleicht in einen Painted Doll Auftritt einbauen, falls es mal etwas zu lahm wird. Und gar nicht talentiert? Ich bin richtig mies im Basketball, aber das stört mich nicht.
Chris: Ich kann die Gedanken von Eichhörnchen lesen, allerdings habe ich bisher für diese besondere Gabe keinen Nutzen gefunden. Davon abgesehen ist Musik das einzige, in dem ich nicht furchtbar bin.
WS: Jetzt dürft ihr endlich auf die Frage antworten, die euch bisher noch nie ein Musikjournalist gestellt hat.
Dave: Mich fragt nie jemand, was ich von der 90er R&B-Gruppe TLC halte. Ich liebe sie.
Chris: Mich fragt nie jemand, ob ich die Gedanken von Eichhörnchen lesen kann oder wie ich zu diesem besonderen Talent gekommen bin. Aber ich hab’s bisher ja nicht erwähnt, also konnte es natürlich keiner wissen! Jetzt, wo ich es erwähnt habe, werde ich vermutlich ziemlich schnell genervt davon sein, dass mich ständig alle fragen, warum zum Geier ich das für ein nützliches Talent halte. Ich werde dann immer die gleiche Antwort geben: „Frag‘ nicht, wart‘ einfach ab und sieh‘ mit eigenen Augen, wer völlig in Sicherheit sein wird, wenn die Eichhörnchen-Invasion kommt! Nämlich ich!“
WS: Habt ihr zum Ende des Interviews noch was auf dem Herzen, was ihr unseren Lesern sagen möchtet? Über die Band, das Album, eure anderen künstlerischen Projekte?
Dave: Falls uns jemand zu einem unserer Auftritte Snacks mitbringen möchte – wir würden das lieben! Ich habe mal ein Konzert in Cardiff/Wales gespielt und da brachte jemand Lachshäppchen. Wir waren alle total von den Socken! Manch einer wird jetzt vielleicht sagen, man sollte von fremden Menschen keinen rohen Fisch annehmen – aber da muss ich widersprechen. Man lebt nur einmal – probiert also gefälligst den Lachs, wenn euch jemand welchen mitbringt!
Chris: Also, zu Lachshäppchen würde ich auch nicht Nein sagen. Vor allem, wenn sie mit Zitrone, Dill und Kapern serviert werden! Und falls ihr Dave heimlich mit dem Lachs ein paar Habanerno-Chillis unterjubeln wollt – da müsst ihr früher aufstehen. Der knallt die sich ohne mit der Wimper zu zucken rein, ich hab’s mit eigenen Augen gesehen! Die Antwort hat zwar Null mit deiner Frage zu tun, aber wenn mir Dave so ne Steilvorlage gibt, kann ich nicht widerstehen!
„Painted Doll“ ist seit dem 16.02.2018 erhältlich. Lest hier unsere Rezension.
Read the unedited, English version of this interview here.
Copyright Fotos: Painted Doll Facebook / Courtney Cronon.