|

MONOBO SON – Wenn die Bierlaune weg ist, aber die Idee bleibt

Touren per Anhalter, ja das geht. Genauso wie man es sich vorstellt. Die Idee von Freiheit und Abenteuer im Kopf, genauso wie ein Fuck, was machen wir wenn… und dann läuft es doch von ganz alleine. Eine Woche lang waren Monobo Son jetzt ausschließlich per Anhalter unterwegs um ihr neues Album „Scheene Wienerin“ vorzustellen. Bei der Rückkehr ins Vereinsheim Schwabing haben wir den Daumen rausgestreckt und uns mit Monobo Son darüber unterhalten, warum Flucht aus dem Alltag nötig oder Tuba und Trompete so vertrauenerweckend sind. Außerdem haben wir erfahren, was eine Woche Hardcore-Touren mit dem Bandgefüge macht und wie man mit einer Überdosis Menschlichkeit umgeht.

Die Basstrompete liegt zusammen mit dem Anhalter-Schild auf dem Tisch. Unter dem Instrument blitzen noch die letzten Buchstaben der Aufschrift „Wien“ hervor. Das Pappschild sieht mittlerweile ein wenig mitgenommen aus, auch die Stimme ist leicht angeschlagen. Die Idee zur Anhalter-Tour entstand eigentlich aus einer Bierlaune heraus, wie Sänger Manu erzählt. „Auch die Fotos zum Album und das Artwork haben wir in einer Anhalter-Romantik gemacht. Wenn die Leute die Fotos sehen und denken, die Typen machen schöne romantische Fotos und kommen dann mit dem dicken Tourbus angefahren – das wollten wir uns nicht nachsagen lassen. Ich bin in meinem Leben noch nie getrampt, habe es einmal probiert, da hat es nicht hingehauen und seitdem habe ich es nie wieder versucht. Wir müssen diese Fotos in die Tat umsetzen, damit das seine Berechtigung hat. Das war die beste Entscheidung, die wir jemals getroffen haben.“

Dennoch hat auch die reguläre Tour, wo alles organisiert abläuft, ihren Charme, weil „man sich kräftemäßig auf die zwei Stunden am Abend konzentrieren kann. Aber diese besonderen Geschichten sind wie eine Art Reset-Knopf, die uns grundlegende Sachen vor Augen führen. Wenn sich der Alltag einstellt, braucht man zwischendurch Fluchtmöglichkeiten, wo man den Nervenkitzel spürt.“ Der dürfte bei jedem Auto, das angehalten hat, da gewesen sein.

Die erste Antwort ist normalerweise ein verhalten gemurmeltes „Anhalter nehme ich eigentlich nie mit …‘ „Das war schon immer so ein neuralgischer Punkt. Wenn man die Leute ansprach, hat man das Rattern im Kopf gesehen.“ Die Erkenntnis, wann die Person sich dazu durchgerungen hat, die Musiker ins Auto einsteigen zu lassen, war offensichtlich. „In dem Moment sind die Gesichtszüge ganz weich geworden und man merkte, jetzt haben wir sie überzeugt. Was uns super in die Karten gespielt hat, war, dass die Instrumente immer sichtbar mitgereist sind. Wir sind an Tankstellen oder am Straßenrand gestanden mit Tuba oder Trompete im Anschlag. Darauf sind wir im Auto oft angesprochen worden, dass das den Ausschlag gegeben hat. Als Signal, dass die zwar ziemlich verrückt, aber wahrscheinlich harmlos sind. Bei all den Variablen, die nicht planbar sind, ist die einzige Möglichkeit, das einfach passieren zu lassen. Das hat uns auch die nötige naiv-emotionale Ausstrahlung gegeben, damit die Leute das Vertrauen zu uns gefasst haben, um uns mitzunehmen.“

So erstreckten sich die Mitfahrgelegenheiten von einem gewissen grundsätzlichen Wohlwollen zwischen Musikern untereinander, über hippe Fitness-Influencer bis hin zu ganz gesettelten Leuten und allem dazwischen. Eindruck haben sie alle hinterlassen. „Manche waren ganz skurril, z.B. so eine hyperspirituelle Frau, die mit dem Kosmos nicht mehr klar kam, weil das alles so aufregend war. Sie hat Millionen von Wesen in unserer Aura gesehen, die gerade in Aufruhr waren. Die Hilfsbereitschaft hat uns wahnsinnig viel gegeben. Am Ende hatte man immer das Gefühl, dass die Leute genauso viel mitgenommen haben wie wir, die eigentlich die Beschenkten waren.“

Zweieinhalb Jahre Projektzeitraum liegen nun hinter der Band, bevor sie sich aufmachen konnten, die „Scheene Wienerin“ zu suchen. Monobo Son haben ihren Sound neu definiert und toben sich auf einer Spielwiese voller Brass-, HipHop- und Pop-Elementen aus, um sich dann vom Jazz umarmen zu lassen. Das ist energiegeladen und schweißtreibend. Der Einstieg von Beni Dorn an der Gitarre war ausschlaggebend dafür, dass sich der Klang wandelte. „Das war ein sehr signifikanter Wechsel, da wir am Anfang mit Keyboard und Orgel noch einen ganz anderen Sound hatten. Die Position war durch den Beni dann perfekt besetzt, sowohl menschlich als auch musikalisch. Es brauchte aber auch Zeit, dass dieser Wechsel hat wachsen können.“

2018 wurde dann als kleiner Album-Vorbote und als aktueller Stand zum Geschehen um die Band die EP „Scheissen“ veröffentlicht. „Dadurch bekamen die Leute auch wieder die Neugier. Und obwohl jetzt das Gesamtwerk auf dem Album ist, ist es für mein Gefühl kein Stückwerk, sondern ein Überblick über den gesamten Projektzeitraum.“ Der Großteil der Songs stammt aus der Feder von Frontmann Manu. Den Entstehungsprozess beschreibt er als unterbewusst und intuitiv. „Ich wache in der Früh auf und es schwirrt eine Textzeile mit einer Melodie in meinem Kopf umher, die ich nicht mehr loswerde. Um das herum baut sich über die nächsten Tage ein Song auf. Es ist Zufall, dass es jetzt mehr gesungene Sachen sind und auch kein Wegweiser für die Zukunft. Da wollen wir uns immer die Wege offen halten. Wir sind alle von der Ausbildung her Instrumentalmusiker. Das Singen und Texte Schreiben ist ein Hobby, das sehr viel Spaß macht. Dabei setze ich mich jetzt nicht hin und versuche mit dem Text einen Bruch zur Melodie.“ Um authentisch zu bleiben vertraut Manu beim Komponieren auf sein Bauchgefühl. Für ihn der beste Weg sich künstlerisch auszudrücken, nämlich “nicht so wie man sich gern im Spiegel sehen würde, sondern einfach so wie es ist.

Das neue Album erzählt aber nicht nur von der Suche nach der ominösen Dame aus Wien, sondern schlägt auch durchaus sozialkritische Themen an. Dazu erzählt Manu „wir sind keine Predigerband und wollen das auch nicht sein. Und trotzdem haben wir unsere Ansichten vom Leben und versuchen, das in Lieder zu gießen. Wenn das bei den Leuten ankommt, sie es gern hören und sagen, der Typ hat sich mit dem Thema eine Zeit lang beschäftigt und sie so zu einem neuen Gedanken inspiriert werden, finde ich das am schönsten.“

Doch eine Plage klebt der Band nahezu seit ihrer Gründung am Instrumentenzipfel, nämlich die häufigen Wechsel in der Besetzung, die phasenweise sogar darin gipfelten, ein Jahr lang fast jeden Auftritt in anderer Besetzung absolvieren zu müssen. „Es ist nicht bequem, nach getaner Arbeit wieder bei Null anfangen zu müssen. Es erfordert mehr Aufwand, wenn sich das mit neuen Leuten wieder neu finden muss. Aber es hat uns auch sehr geprägt, weil man ziemlich schnell merkt, was der Kern des Ganzen ist, was sich ändern kann und was uns heilig ist. Es hat uns auch ein Stück weit mit Selbstvertrauen ausgestattet. Diese Wechsel sind einfach manchmal Realität, damit muss man umgehen. Es wäre aber natürlich wünschenswert, wenn es ab jetzt in der Stammbesetzung weiterginge, damit man den Klangkörper, den wir jetzt gefunden haben, weiterentwickeln kann.“

In dieser Phase hat die Band aber auch noch andere Eigenschaften an sich entdeckt. „Was uns wahnsinnig gut tut, ist, dass jede Position Verantwortung für alle Elemente in der Musik übernimmt. Wir haben das Schlagzeug, was traditionell immer am Anfang aufgenommen wird, zuletzt aufgenommen. Ursprünglich, weil Sevi nicht vorher Zeit hatte, aber das war für den Rest der Band total gut. Dadurch waren wir rhythmisch viel mehr gefordert, auch das Treibende hineinzubringen, wo man sich gern auf das Schlagzeug verlässt. Das zahlt sich jetzt auch live aus. Es gibt bei uns keine reinen Melodie-, Harmonie- oder Rhythmusinstrumente.“

Und das jüngste Bandmitglied Tubist Feschl, seit der Anhalter Tour fester Bandbestandteil, ergänzt noch: „Es ist schon brutal, was es für einen Unterschied macht, wenn man jeden Tag zusammen spielt. Wie schnell man da zusammenschmilzt und schon weiß, was die anderen machen, bevor es passiert. Wenn sich das nach so kurzer Zeit schon so verändert, ist es nach ein oder zwei Jahren sehr eingespielt, und dann wird es immer schwieriger, es zu ersetzen, weil es dann immer anders ist.“ Seit dem Debut-Album „Jambo“ gab es nicht nur einige personelle Wechsel für die Band zu verkraften, auch ein Wechsel von Unterstützung durch ein Plattenlabel hin zu Arbeiten in Eigenregie wurde vollzogen. „Wir waren vorher bei International Bohemia, das waren Spezln von uns, die es allerdings nicht mehr gibt. Wir haben dann überlegt, was zu uns passen könnte, aber der hundertprozentige Kandidat war nie dabei. Daher war klar, dass wir es weitestgehend in Eigenregie machen werden. Das fühlt sich nicht so schlecht an, auch weil wir uns auch aus der Notwendigkeit heraus das Know-how aneignen müssen. Es ist kein Schaden, wenn man sich als Künstler mit den Zahlen auseinandersetzt.“

Fotocredit: Felix Pitscheneder

Facebook

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar