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Michael Kiske – ‚Ich bin keine Marionette!‘


Der 1968 in Hamburg geborene Sänger und Gitarrist ist ja in der Tat so etwas wie ein Held. Er führte das Power-Metal-Urgestein Helloween 1987 zum kommerziellen Durchbruch. Die beiden „Keeper Of The Seven Keys“ Alben sind unbestritten die großen Klassiker der Band und zählen immer noch zu den meistverkauften Metal-Alben Deutschlands. Nach seiner Trennung von Helloween war Kiske unter anderem als Gast bei Tobias Sammets Projekt Avantasia mit dabei und ist inzwischen mit der Band Unisonic erfolgreich unterwegs, zu der auch Kai Hansen gehört, den Kiske ja schon aus alten Helloween-Zeiten kennt.

Zunächst einmal beglückwünschen wir den Hamburger Musiker zum neuen Album „City Of Heroes“, das er gemeinsam mit der amerikanischen Sängerin Amanda Somerville aufgenommen hat. Und er ist auch ganz zufrieden mit dem Ergebnis. „Ja, ich hab es noch nicht so richtig als Album gehört“, erklärt er uns. „Ich habe noch keine Box gekriegt mit CDs, die müsste aber jetzt eintrudeln in den nächsten Tagen. Ich bekomme das immer als Letzter!“ Er lacht. „Aber das ist nicht so wichtig. Ich kaue mir schon lange nicht mehr die Fingernägel ab, dass ich das jetzt sofort hören muss oder so. Aber beim Aufnehmen selber ist mir schon aufgefallen, dass es gut geworden ist.“ Und natürlich hat Kiske das Album dann auch bei der Nachproduktion und Mischung mehrfach gehört, wobei er dort noch auf andere Dinge geachtet hat: „Level-Verhältnisse und solche Sachen. Einen richtigen Eindruck bekommt man tatsächlich erst, wenn man dann die fertige CD bekommen hat. Dann höre ich sie mir auch noch mal durch – und dann wahrscheinlich nie wieder!“

Kiske1.jpg „Bevor wir aber weiter auf die neue CD zu sprechen kommen, eröffnen wir den Plausch zunächst mit der Erkundigung nach der Gesundheit. Im Oktober letzten Jahres hatte sich Michael Kiske bei einem Auftritt mit seiner Band Unisonic nicht unerheblich am Knie verletzt. Die Diagnose lautete Kreuzbandriss – zumindest beinahe, denn komplett gerissen war es zum Glück nicht. „Es hing schon noch an der richtigen Stelle“, berichtet Kiske von dem Missgeschick. Aber: „Dem Knie geht’s erstaunlich gut, da bin ich wirklich sehr glücklich drüber“, verrät der Musiker weiter. „Wir haben das Knie also nur ruhig gestellt, es musste nicht operiert werden. Der Trend geht ja dahin, dass heute nicht operiert wird, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Wenn’s ab gewesen wäre, dann hätten sie es antackern müssen. Aber auch so ist es eine sehr langwierige Sache. Erst sagte der Arzt sechs Wochen, aber bei mir waren es erst einmal zwölf Wochen, und dann musste ich selbst Ende Februar noch weiter eine Schiene tragen. Aber jetzt merke ich kaum noch was. Ich habe nur noch etwas Probleme beim Treppe-Abwärts. Es gibt keine Instabilität, darüber bin ich sehr froh. Ich muss nur aufpassen, dass da nicht wieder was passiert.“ Damit ist Kiske auch wieder fit für die Bühne und die anstehenden Termine. „Ja, sind ja nicht soo viele“, relativiert der alte Hase. „Jeden Monat ein Festival oder so. Ich hab mir eine spezielle Schiene geholt, die ich unter der Hose tragen werde, die sieht man nicht.“

Aber zurück zum aktuellen Album. Wir sind natürlich neugierig, ob es das Duo Kiske – Somerville demnächst auch gemeinsam live zu erleben gibt, ob die „City Of Heroes“-Songs live präsentiert werden sollen. Das ist jedoch aktuell nicht geplant: „Als wir damals das erste Album gemacht haben, hatte ich noch keine eigene Band“, erklärt Kiske. „Da hätte man so etwas aufbauen können vor fünf Jahren. Wir haben damals die Platte gemacht, dann gab es ein bisschen Promotion, zwei Videos – und das war’s. Danach habe ich dann ja meine eigene Band wieder gegründet.“ Diese eigene Band ist natürlich Unisonic, in der neben Kiske u. a. auch Dennis Ward (Pink Cream 69) und natürlich der alte Helloween-Kollege Kai Hansen (Gamma Ray) aktiv sind. Unisonic ist Kiskes Hauptprojekt, mit dem er auch auf Tour geht. Nebenbei hat er zuletzt ja auch für Tobias Sammet und sein Projekt Avantasia auf der Bühne gestanden. „Das reicht eigentlich alles“, gesteht der Musiker. „Da ich meine eigene Band habe, will ich das echt nicht übertreiben.“ Also keine Live-Duette mit Amanda Somerville? „Amanda hat total Lust dazu, ihr blutet auch das Herz, das habe ich gemerkt im letzten Austausch. Für sie wäre es natürlich schon schön, das zu machen, aber mein Management will das auch nicht. Es sei denn, das neue Album würde total durch die Decke gehen, dann wären wir natürlich blöde, wenn wir nicht touren würden.“ Wer also das Duo gemeinsam live erleben möchte kauft am besten schnell das Album, vielleicht ändern Michael Kiske und sein Management dann ja ihre Meinung.

Kiske2.jpg „Wie ist „City Of Heroes“ aber nun genau entstanden? Kiske erklärt uns, dass die Initiative – wie schon beim ersten gemeinsamen Projekt mit Amanda Somerville – wieder vom Label Frontiers Records und dessen Chef Serafino Perugino ausging. „Diese ganzen Alben-Projekte sind Sachen, die vom Label angestoßen wurden. Sie haben nachgefragt, ob ich Lust auf so etwas hätte. Serafino macht ja sehr viele solcher Projekte. Es macht ihm Spaß, sich solche Sachen auszudenken, und mir ja auch. Er hat wieder angefragt, und als alle einverstanden waren, da hat er losgelegt. Ich selbst habe für das Album ja jetzt keine Songs geschrieben. Ich bin nicht so der Viel-Song-Schreiber. Bei mir passiert das ab und zu mal, wenn ich mich etwas konzentrierter hinsetze, passiert es auch ein bisschen öfter, aber trotzdem ist es bei mir nicht so wie bei anderen Leuten, die sich fünf oder sechs Wochen hinsetzen und ein ganzes Album schreiben. Es lief also so, dass das neue Album soweit schon produziert wurde, Amanda hat ihre Parts gesungen, und ich bekam dann die Dateien zugeschickt und habe meine Parts eingesungen. Heutzutage läuft es oft so ab, wenn ein Projekt nicht wirklich eine Band ist, die gemeinsam im Studio die Songs ausarbeitet, wie wir das zum Beispiel bei Unisonic machen.“

Das Songwriting für das neue Album wurde also überwiegend von Magnus Karlsson (Place Vendome, Primal Fear) und Mat Sinner (Primal Fear, Sinner) übernommen. Die einzige Ausnahme stellt der Titel ‚Breaking Neptune‘ dar, der von Amanda Somerville persönlich geschrieben wurde. Probleme damit, von anderen geschriebene Songs zu singen und sich zu eigen zu machen, hatte Michael Kiske aber zum Glück ja noch nie. „Wenn das so wäre, hätte ich ja damals auch 90% der Helloween Sachen nicht singen können“, erklärt er. „Es ist ja in der Regel oft so, dass nicht der Sänger allein einen Song schreibt. Bei der Interpretation muss man ihn sich dann zu eigen machen. Es ist nur wichtig, dass Du einen Song so umsetzen kannst, dass er überzeugt.“ Eine gemeinsame Studioarbeit zwischen Amanda Somerville und Michael Kiske fand also überhaupt nicht statt. „Das war schon bei der letzen Platte so. Und im Prinzip ist es auch bei Unisonic so. Dort arbeiten wir zwar die Songs gemeinsam im Studio aus, was auch sehr wichtig ist, weil es sonst nicht viel mit einer Band zu tun hat und zum Projekt wird. Aber wenn es dann um die eigentliche Aufnahme geht…ich krieg‘ sehr viel schneller befriedigende Resultate hin, wenn ich nicht nach irgendeinem Zeitplan arbeiten muss. Ich bin jemand, der sehr selbstbewusst ist. Für mich gibt es einen hörbaren Unterschied, wenn ich zum Beispiel einen Song einsingen kann, wenn ich das ganz in Ruhe für mich alleine einsingen kann. Ich habe noch nie jemanden gebraucht, der mir sagt, wie ich was machen soll. Ich bin natürlich offen für kreative Vorschläge. Wenn ich zum Beispiel bei Unisonic einen Take fertig habe, dann schicke ich ihn Dennis (Ward, Bassist bei Unisonic, Anm. der Red.), und wenn er dann noch eine Idee hat, was man da machen könnte, dann mach‘ ich das natürlich, wenn ich es nachvollziehen kann. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich mich einfach ins Studio stelle und jemand anderes benutzt mich…so als Sänger-Marionette. Manche Leute brauchen das auch, aber ich persönlich empfinde so etwas als destruktiv. Auf der letzten Unisonic-Scheibe zum Beispiel hatte Dennis im Demo den Song ‚You And I‘ ganz anders eingesungen. Ich habe es dann sehr gerade gesungen, fast so ein bisschen Halford-mäßig. Nicht vom Attitüde her, sondern eben so geradlinig. Ich war sehr unsicher, weil es ganz anders war, aber der Rest war ganz begeistert, und da habe ich mich sehr drüber gefreut.“ Man merkt Michael Kiske natürlich auch die jahrzehntelange Erfahrung im Geschäft an. Er weiß, dass es bei Gesangsstilen nicht wirklich richtig oder falsch gibt und wie sich ein Song anfühlen muss, um gut zu klingen.

Kiske3.jpg „Wir wollten wissen, wie die Zusammenarbeit mit den Musikern auf „City Of Heroes“ war, mit denen Kiske ja schon beim ersten Kiske/Somerville-Album gute Erfahrungen gemacht hatte. „Ich mag Mat und Magnus sehr gerne“, antwortet der Hamburger. „Und sie hatten sich ja schon damals bewährt. Es war eine sehr gute Chemie zwischen uns. Unter Musikern hat man ja meistens ohnehin eine sehr gute Chemie, wenn’s nicht völlige Idioten sind.“ Gab es denn vielleicht den Wunsch, die Belegschaft für das Album aufzustocken und die Kollegen von Unisonic mit ins Boot zu holen für das Projekt? „Nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sicher, wenn man jetzt Dennis fragen würde, ob er was schreiben würde, kann es schon sein, dass er Lust dazu hätte. Aber damit würde man die beiden Sachen wieder einander annähern, und ich finde es gerade gut, wenn sie sich doch sehr voneinander unterscheiden, das macht die Sache ja reizvoll!“

Diesen Sommer hat Michael Kiske noch ein anderes Projekt am Start. Auf dem Rock Of Ages Sommer Open Air in Seebronn tritt der Hamburger gemeinsam mit einem großen Orchester bei „Rock Meets Classic“ auf. Diese Auftritte machen auch immer großen Spaß. „Das ist auch wieder eine völlig andere Baustelle“, erklärt der Musiker. „Solche Sachen liebe ich ja und mag es, wenn es abwechslungsreich ist.“ Vorher geht es aber noch mit Unisonic nach Brasilien. Die deutschen Fans müssen sich noch bis 2016 gedulden, bis Unisonic auch bei uns wieder auf Tour kommen. Aber die Planungen laufen bereits. „Letztes Jahr die Tour mit Edguy zusammen hat super viel Spaß gemacht, aber wir peilen für nächstes Jahr schon eine eigene Tour an. Wir sind jetzt dabei, das neue Album zu schreiben, das hoffentlich im April oder Mai nächsten Jahres veröffentlicht wird.“ Damit dürfen wir uns im kommenden Jahr sowohl auf eine neue Unisonic-Platte als auch auf die dazugehörige Tour freuen!

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Über mangelnde Projekte und Musikideen kann sich der Hamburger also wirklich nicht beklagen. Und doch ist das noch nicht alles. Michael Kiske plant noch mehr – ein Album mit Elvis-Songs steht weit oben auf seiner persönlichen Wunschliste. Wie kam es zu einem solchen Wunsch? „Es ist ja bekannt, dass ich Elvis sehr verehre“, erklärt der Musiker. „Als ich wieder angefangen habe, mehr zu singen, da habe ich beim Warmsingen für Konzerte oder Aufnahmen immer ganz ruhige Elvis-Sachen gesungen. Ich habe dann angefangen, mir entsprechende Elvis-Playbacks und Karaoke-Versionen zu besorgen. Es gibt teilweise von den Songs extrem geniale Playbacks mit Backing-Vocals von irgend welchen Mädels, und dann hab ich auch mal angefangen, die aufzunehmen. Ich habe bestimmt 200 Elvis-Songs als Karaoke-Versionen. Da sind dann etwa 70 Songs aufgenommen worden, wo ich eben Elvis singe, und die Sachen wurden unheimlich geil. Da habe ich mal angefangen, das Freunden zu schicken, und alle waren immer begeistert. Dann habe ich es mal einem von der Plattenfirma geschickt, und der meinte, ich müsse unbedingt eine Elvis-Platte machen. Das ist wieder ein völlig anderer Markt. Die Planungen gingen dann soweit, dass wir uns den originalen Gitarristen von Elvis, den James Burton, heranholen wollten, der ja noch lebt und als Studiomusiker arbeitet. Das war die erste Idee. Aber mittlerweile bin ich schon wieder auf einem etwas anderem Trip: Ich hatte mal, um eine neue Soundkarte zu testen, hier bei mir zu Hause einfach mal ‚There Goes My Everything‘ von Elvis gesungen und auf der Akustikgitarre begleitet. Das hatte ein ganz eigenes Flair, weil ich es total anders gesungen habe, als ich es zum Playback singen würde. Dann habe ich dazu eine zweite Gitarre aufgenommen und das auch wieder durch die Gegend geschickt. Wenn ich also so etwas mal tatsächlich mache, werde ich es wohl ganz anders als Elvis machen, nämlich ganz intim und ganz ruhig.“

Kiske5.jpgMichael Kiske singt Elvis Presley – ja, warum denn nicht? Sollte das Projekt wirklich einmal zustande kommen, dürfte es ein höchst interessantes Album werden. Neben seinen ganzen Projekten und Unisonic findet Kiske aber zum Glück immer noch genug Zeit für sich selbst. „Ich brauch‘ das auch“, verrät er uns. „Zeit ist wirklich genug da. Ich verbringe viele Zeit mit geistigen Dingen. Ich würde auch gerne wieder schreiben. Aber primär ist jetzt erst einmal das neue Unisonic-Album dran, das geht auf alle Fälle bis in das nächste Jahr rein. Dann hat mich Michael Sweet, der Sänger von Stryper, kontaktiert. Er hat da ein Projekt, das er gerne mit mir machen würde. Da fielen große Namen wie Pat Benatar. Da habe ich auf alle Fälle Interesse dran, ich weiß aber nicht, wie weit das im Moment schon fortgeschritten ist. Soweit ich weiß, ist außerdem eine neue Avantasia Platte geplant. Das heißt, da ist also wirklich genug für mich zu tun. 2012 wollte Sandro (Sandro Giampietro, Sänger und Gitarrist von Starchild, Anm. der Red.) mit mir gemeinsam was machen, wir haben auch in seinem Studio Aufnahmen gemacht, aber dann kam ihm dann seine Leidenschaft für Starchild in die Quere, was ja auch okay ist. Wenn jemand Lust hat, mit mir was zu machen, dann sollte er das auch gleich machen, wenn’s heiß ist. Jetzt ist das bei mir wieder eingeschlafen.“

Wir dürfen also gespannt sein auf das, was Herr Kiske da noch so plant. Er verrät: „Ich hab noch ein bisschen was vor! Meine Stimme ist gut, so gut war sie eigentlich noch nie. Und solange es noch geht, will ich auch noch viel machen. Wenn man alt wird, geht das vielleicht irgendwann mal nicht mehr. Das kommt dann irgendwann, wenn Du richtig alt wirst. Guck Dir mal Rob Halford an, ich meine, wie hart hat der gesungen? Und er kriegt es immer noch hin, auch im Alter. Da darf man echt nicht unfair sein. Ich finde, so eine Band wie Priest hat nichts anderes als Respekt verdient. Die dürfen sich alles erlauben meiner Ansicht nach. Das hat man einfach zu ehren, und der Halford ist ein Wunder für sich, auch was er heute noch so packt. Aber worauf ich hinaus wollte, es ist einfach eine Gewissheit, wenn ich alt werde…aber vielleicht funktioniert meine Stimme dann ja immer noch, wer weiß?“

Kiske4.jpg „Wo sieht eine Legende wie Michael Kiske denn die Zukunft der deutschen Rock- und Metalszene? „Ich hab echt keine Ahnung!“ erklärt der Musiker ohne zu zögern. „Ich verfolge das auch überhaupt nicht. Je mehr man selber sehr laute Musik macht, desto mehr hat man privat die Neigung, ruhige Musik zu hören. Ich höre zum Beispiel sehr gerne Cara Dillon, das ist eine irische Folk-Sängerin mit einer engelsgleichen Stimme. Sehr naturverbunden mit Irland und der irischen Geistigkeit. Ansonsten höre ich viel Elvis und Beatles. Wenn ich härtere Sachen höre, dann eher die alten Sachen wie Priest. Aber was ‚die Szene‘ angeht…ich war ja noch nie der Typ, der sich für Szenen oder so interessiert. Mit 14 hab‘ ich angefangen, richtig auf Metal abzuheben. Maiden, Priest, Queensryche, Metallica bis zur ‚Master Of Puppets‘-Album, aber die Hauptbands für mich waren Maiden und Priest. Ich sah‘ natürlich aus wie ein Metaller, lange Haare, Lederjacke und so, ich war schon ein klassisches Metal-Kid, aber ich habe auch immer noch andere Musik gehört. Aber die Szene an sich…da habe ich nie so hingeguckt. Wenn ich was geil finde, hole ich mir die Platten, egal, ob das Metal, Rock, Pop oder Klassik ist.“

Verfolgt Michael Kiske denn, wenn zum Beispiel Helloween eine neuen Platte herausbringt? Immerhin war die damalige Trennung von der Band alles andere als „Friede, Freude, Eierkuchen“. Aber Kiske sieht das Thema Helloween jetzt wesentlich entspannter. „Da wird mit Sicherheit irgendwann demnächst mal die Friedenspfeife geraucht werden, die wollen das ja auch und haben es mir signalisiert. Wir sind ja auch alle älter geworden. Es ist auch richtig und gut und wichtig, dass das alles irgendwann mal geklärt ist. Man muss auch mal vergeben können, und dann lebt man auch wesentlich weniger belastet. Ich habe das immer boykottiert und nie irgendwas gehört, was die so gemacht haben. Ich hab das alles aus verletztem Stolz ausgeblendet und nie gehört, was die so gemacht haben.“

Friedenspfeife. Aussprache. Das hört sich doch nicht schlecht an. Hört es sich denn an wie die Möglichkeit einer Reunion mit der jetzigen Helloween-Besetzung? „Sagen wir’s mal so: Im Moment ist das uninteressant. Im Moment interessiert mich vor allen Dingen Unisonic. Aber es hat sich so viel geändert, muss ich ganz ehrlich sagen. Vor ein paar Jahren war ich so anders drauf, was das Thema betrifft, da habe ich so etwas auch kategorisch ausgeschlossen. Dinge ändern sich. Es wäre schon etwas, was irgendwo auch einen gewissen Reiz hat, das man sich vielleicht mal überlegt, ob man nicht so etwas wie eine ‚Keeper-Reunion-Tour‘ macht. Ich weiß dass (Kai)Hansen sofort bei wäre. Das würde einen unglaublichen Spaß machen. Das ist wirklich nicht ausgeschlossen, aber es ist im Moment nicht dran!“

Kiske6.jpg „Das hört sich doch gar nicht mal so schlecht an, und eine gemeinsamer musikalischer Auftritt von Michael Kiske mit Helloween steht sicher auf der Wunschliste vieler Fans ganz weit oben. Zum Schluss sprachen wir mit dem Musiker noch darüber, dass unserer Meinung nach heute Musik beim Konsumenten viel weniger gewürdigt wird als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Im digitalen Zeitalter lebt der (illegale) Download, und viele kaufen gar keine „richtigen“ Datenträger mehr. Erlebt ein Musiker wie Kiske das auch so, und was hält er davon? „Das werde ich niemals nachvollziehen können, dass man so ein Verhalten gegenüber der Musikkultur haben kann!“ Eine klare Aussage des Hamburgers gegenüber Raubkopien, illegalen Downloads und Tauschbörsen. „Die Leute wollen alle Musik hören, aber sie wollen nichts mehr dafür bezahlen. Die Musiker sollen alles quasi nur noch für umsonst produzieren. Es ist ein ziemlich asoziales Pack da nachgewachsen, das muss man echt mal so sagen!“ Harte, klare Worte.

„Damals hattest du vielleicht einen Song im Radio gehört oder im Fernsehen gesehen und dann das Album gekauft, dann hattest du erstmal den einen Song, aber du hast in der Regel ja die ganze Platte durchgehört, und dann hast du gemerkt ‚Ah, der Song ist ja auch geil‘ oder ‚Der Song, den ich richtig scheiße fand, der gefällt mir jetzt auch‘. Es fand quasi noch eine richtige Kultivierung durch die Musik statt. Jetzt skippen die Leute durch die Songs und kaufen nur noch das, was sie unmittelbar sofort verstehen. Sie lernen damit ja nichts Neues. Das heißt, sie verblöden auch von ihren Musikkenntnissen!“ Kiske erklärt, dass er sich auf so etwas aber nicht einlässt. Als „Musiker der alten Generation“ lässt er seinen Songs Zeit, sich zu entwickeln. Ein Song muss nicht gleich nach zehn Sekunden hören sein volles Potential entfalten. „Wir halten bewußt an dem fest, was uns in den 80ern und 90ern musikalisch geprägt hat! Und wenn du gar nichts mehr dazulernen kannst in Sachen Musik, dann entgeht dir ganz viel!“

Ja, wir wollen noch lernen, was neue Musik angeht. Wir fragen bei Michael Kiske nach, was er für die Leser von Whiskey-Soda denn noch parat hat und ob er noch etwas loswerden möchte. Im Prinzip hat er schon eine Menge gesagt, wie er selbst feststellt. „Ich halte ja auch nichts zurück, das ist für mich persönlich auch sehr wichtig. Ich sage immer, was ich meine. Deswegen kann ich immer nur jedem empfehlen: Bleibt Ihr selber! Bleibt Euch selber treu, sagt was Ihr denkt, und lasst Euch nicht vorschreiben, was Ihr zu tun oder zu sagen habt! Dann bleibt man auch länger gesund.“

Eine besseres Schlusswort kann man ja kaum finden. Wir bedanken uns bei Michael Kiske für das nette Gespräch und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft und weiterhin viel Spaß mit der Musik. Freuen wir uns gemeinsam darauf, den Musiker bald wieder live on stage erleben zu dürfen, sei es nun mit einem seiner diversen Projekte, mit Unisonic im nächsten Jahr oder vielleicht doch irgendwann einmal wieder mit Helloween. Der Keeper Of The Seven Keys hält die Schlüssel jedenfalls bereit.

Das Interview führte Michael Buch
Fotos: Michael Buch (1 und 2), cmm-online (Header und 3 bis 6)

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