Let Bad In
Zurück in die Zukunft. Die Vergangenheit kommt nicht wieder. Der damalige Mensch bleibt ein unwirklicher Schatten des Jetzt. Weg ist die Naivität, die Blauäugigkeit. Wieso kann ich das heute nicht mehr sein? …
Das alles ging wohl Ciaran Lavery durch den Kopf, als er sich die VHS-Kassette anschaute, die ihm sein Onkel vor der Entstehung des Albums gab. Darauf war eine Aufnahme eines alten Familienausflugs im Sommer, der ihn ins Grübeln brachte.
Auf ‚Let Bad In‘ bekommt der Hörer Laverys Nostalgie nicht nur durch das Einbinden von authentischem Audiomaterial der Familienmitglieder zu spüren. Auch die musikalische Untermalung passt perfekt ins reflektierende Konzept. Die Perspektiven und Ansichten seiner unterschiedlichen Ichs sind genauso wechselhaft wie die Genrevielfalt. So bedient sich Lavery zu Beginn des Albums einer emotionalen Pianoballade (‚Sonoma‘), auf die ‚Okkervil River‘ mit RnB-Beats und verwaschenen E-Bläsern folgt. Die nächsten Songs wirken wie eine Hundetherapie: die folkigen Wohlfühlsongs sind schlicht, entspannend und reizen nie das Ohr mit überfluteten, extravaganten Klängen. Dazu kommt die kratzige Stimme von Lavery, die von der Farbe und vom Gefühl stark an Ben Howard erinnert.
So entsteht auf ‚Let Bad In‘ der schöne Mix aus der kindlichen, neugierigen, sorglosen Aufbruchstimmung, der inneren Geborgenheit und ruhevollen Harmonie – und des Spiegels, den sich Lavery vor Augen hält, während er versucht, das Kind in seinen Gesichtszügen wiederzufinden.
‚Ich denke, jeder beneidet das Kind, das er oder sie einmal um die Angstlosigkeit, die sie einst hatten und nie wieder einfangen können.‘
Nach diesem sehr persönlichen, 34-minütigen Einblick in die Konfrontation von Ciaran Lavery mit seinem früheren Ich kann es für ihn nur noch heißen, zurück in die Zukunft zu schauen. Mit wenigstens einem kleinen, blauen Auge.