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Karacho

Die Donots, die singen jetzt auf Deutsch. Diese Nachricht hat ja nun schon die Runde gemacht. Für die Band ein Experiment. Für Fans und Kritiker wohl überfällig, jedenfalls kam diese Forderung schon öfter auf. Sänger Ingo Donot machte weiter – auf Englisch – und der Erfolg der vergangenen Alben gibt ihm Recht. Jetzt, wo niemand, der die Texte jedesmal per Google übersetzen und sich dann immer noch gründlich zusammenreimen musste, mehr darauf gehofft hat, entscheidet sich die Band, gleich ein komplettes Album in ihrer Mutterspache zu veröffentlichen. Warum? Laut Band „war jetzt der richtige Zeitpunkt, das einmal auszuprobieren“. Damit haben sie nicht ganz Unrecht, wenn man auf die aktuelle politische Situation blickt und sich die Texte auf ‚Karacho‘ durchliest. Die erste Single, ‚Ich mach nicht mehr mit‘, ist gleichzeitig der Opener der Platte und zeigt, in welche Richtung das Album geht. Der Sound ist typisch für Donots. Glatt, fast poppig, aber trotzdem druckvoll und sehr ausgewogen präsentieren sich die Jungs in gewohnter Manier. Nur versteht man eben schon beim Hören, wohin es auch inhaltlich geht.

‚Ich mach nicht mehr mit‘ ist ein Aufreger, der klar Stellung bezieht, aber nicht wie ein verzweifelter Protestsong wirkt. Selbstbewusst und energiegeladen brüllt Ingo Donot seine Zeilen heraus. ‚Ich weiß genau, was ich nicht will. / Ich glaub an mich und doch nicht viel.‘ Eine Ode an das eigene Bewusstsein und die Verantwortung für sich selbst. In Zeiten, in denen jeden Montag einige tausend Menschen auf den Straßen ’spazieren‘ gehen und dabei selbst nicht genau wissen, welche Botschaft sie damit verkünden wollen, treffen diese Zeilen den Nagel auf den Kopf. in den vergangenen Wochen äußerte sich die Band mehrmals zum Thema Pegida und auf ‚Karacho‘ sprechen sie dieses Thema weiter an. Die Aufregerei kommt dabei sehr echt rüber, denn Ingo Donot hält sich nicht mit ausufernden und fantasievollen Metaphern auf. Die band spricht Klartext. Musikalisch wird dabei diesmal nicht ganz so viel experimentiert wie noch auf dem Vorgängeralbum ‚Wake The Dog‘. Es sind Rocksongs, die sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Message. Weil die Donots plötzlich auf Deutsch singen, weil es zwischendurch keine Auflüchte in den Synthie-Pop der 80er Jahre (‚You’re So Yesterday‘), Bruce-Springsteen-Stadion-Rock (‚Solid Gold‘) oder in Flogging-Molly-Folk-Polkas (‚Dead Man Walking‘) gibt, rückt der Text in den Vordergrund.

Halten wir fest: Musikalisch gibt es wenig bis gar nichts Neues, aber Ingo singt auf Deutsch. Wie kommt das eigentlich an? Erschreckend normal! Der zweite Song der Scheibe heißt ‚Dann ohne mich‘. Titel, Musik und auch Text knüpfen genau da an, wo ‚Ich mach nicht mehr mit‘ aufhört. Klare Aussagen, wie ‚Kein Mensch ist illegal‘ oder ‚Nur Lügen und Schweigen‘ setzen politische Zeichen. Dabei kommt es einem so vor, als hätten das die Donots schon immer so gemacht. Es ist nicht so anders, so neu. Eher stellt man sich die Frage: ‚Haben die nicht schon mal auf Deutsch gesungen?‘ Es klingt scheinbar vertraut. So umschifft die Band auch das Deutsch-Rock-Klischee: schwache Texte in abgedroschenen Songs. Das Album klingt frisch und durch den Erfolg der englischen Scheiben ist der Skrupel, die Donots als abgedroschen zu bezeichnen einfach zu groß, um sie in eine Schublade mit Bands wie die Toten Hosen, die ihren wertvollen Inhalt längst verloren haben, zu stecken. Auch, wenn wir lange auf deutsche Zeilen von dieser wichtigen deutschen Band warten mussten und die Erwartungen dadurch gewachsen sind, werden wir nicht enttäuscht. Erwähnt werden sollte noch der einzige musikalische Ausbruch auf der Platte – ‚Immer noch‘. Der vorletzte Song auf ‚Karacho‘ ist ein Country-Folk-Wohlfühl-Stück über verflossene Liebe, die jedoch immer irgendwie im Kopf bleiben wird. Insgesamt gesellt sich dieses Lied zu 13 weiteren, die wie ein logischer nächster Schritt der Band rüberkommen. ‚Karacho‘ ist das wohl authentischste Album der Donots.

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