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In Times

Enslaved sind nun schon seit längerem die extremere Antwort auf Opeth und Garant für progressiven, harten Metal, der im Gegensatz zur genannten Konkurrenz aber niemals seine Wurzeln verraten hat und dabei das technische und kreative Niveau besitzt, immer ausgefeilter, interessanter, anspruchsvoller und intelligenter zu werden, ohne aber das, was Enslaved mal war aus den Augen zu verlieren.

Das neue Album „In Times“ schließt dort nicht nur nahtlos an sondern vermag den vorherigen Werken in jeder Hinsicht die Krone aufzusetzen. Enslaved sind immer noch zu großen Teilen Black Metal, der sich aber nicht über sinnfreies Gedresche definiert, sondern über das Grenzen ausreizende Ineinanderschachteln von genrefremden Elementen. Zunächst fällt sicherlich auf, dass es längere Teile in einigen Songs gibt, die unglaublich geradlinig, ja gar eingängig sind – sowohl im Opener „Thurisaz Dreaming“ als auch im darauffolgenden „Building With Fire“ – selbst das in höchste Kunst ausartende „Daylight“ verfügt über einfache, klar strukturierte Phasen schönster Eingängigkeit.

„Building With Fire“ etwa kombiniert fast jazzartige Passagen mit den klirrenden, kreischenden Gitarren aus den Anfangstagen der Band, legt darüber wunderschönen, melancholischen Gesang, der einen unfassbaren Refrain zu einem Ohrwurm sondergleichen kulminieren läßt – ein Song, der fast alles, was sogenannte Post Black Metal – Bands machen, ad absurdum führt. Denn natürlich bleibt es nicht bei dieser Eingängigkeit, da wird mit Tempo und Geschwindigkeit gebrochen, Ambientelemente verzögern das Stück, bloß um Grunts den Weg freizumachen.

Mit zunehmender Dauer des Albums werden die Stücke – immer unter Bewahrung eines unterschwelligen Gefühls, dass es sich immer noch um die Band handelt, die mal nordischen, Viking Black Metal gemacht hat, handelt – progressiver, noch verschachtelter. Klassische Heavy Metal – Taktung und dynamisches, aber simples 4/4-Black Metal-Vorgepresche lösen sich gegenseitig im Hintergrund ab, während im Vordergrund Gesang und Leadgitarren faszinierendste Sprünge zwischen Aggression und Melancholie bewältigen. Im Gegensatz zu den um ein vielfaches progressiveren Dodheimsgard deren Abum ja kurz nach Enslaved erscheint, schaffen Enslaved es aber mit einer Leichtigkeit, Stücke zu erschaffen, die sowohl den hochkonzentrierten Kopfhörergenußmenschen als auch den Gelegenheitshörer im Autoradio zufriedenstellen können.

Allein im herausragenden Epos „One Thousand Years Of Rain“ treffen mit Folk Metal – Männerchören, Doom Metal-Riffs, Black Metal-Drumming, klassischen Heavy Metal-Gitarren und progressiv-jazzigen Rhythmen Gegensätze aufeinander, wie sie größer nicht sein könnten. Der Gesamteindruck der Stücke ist aber von perfekter Harmonie. Die gesteigerte Progressivität wird auf solch subtile Weise den Melodien untergeordnet, dass man aus dem Staunen kaum heraus kommt. Jede der überfrickelten Bands, die so gern so hoch gelobt werden kann sich an „In Times“ ein Beispiel nehmen, wie man trotz aller Post Metal-Elemente knallharte Musik macht, wie man trotz progressivster Parts hocheingängig bleibt, und wie man es schafft, ohne alkoholtrunkene Hummpparhythmen nordischen Black Metal zu machen.

Enslaved schaffen es hier, die Atmosphäre der größten Legenden zu kombinieren – wenn es einen Grat geben sollte der exakt in der Mitte zwischen neueren Opeth und älteren Bathory verläuft – Enslaved wandern auf ihm mit sicherem Schritt.

Mit diesem Album sind Enslaved endgültig in die Top 5 der Metalbands aufgestiegen, sie sollten auch in Medien, die sich üblicherweise nicht mit Metal beschäftigen genügend Respekt finden und den Erfolg haben, der dem Niveau ihrer Musik entspricht.

„In Times“ ist in jeder Hinsicht ein Meisterwerk und sicherer Kandidat für die Listen, die gen Ende des Jahres gern aufgestellt werden. Zum Niederknien.

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