In The Blue Light

Mit seinem aktuellen Studiowerk hat sich Paul Simon eine Handvoll Songs aus seinem Backkatalog vorgenommen, abgestaubt und mit neuen Arrangements versehen. Dabei hat er die „üblichen Verdächtigen“ wie ‚Kodachrome‘, ’50 Ways To Leave Your Lover‘ oder ‚The Boy In The Bubble‘ gleich aussen vor gelassen und widmet sich eher dem Übersehenen oder Unterschätzten. Eingespielt wurde „In The Blue Light“ mit Musikern der New Yorker Jazzszene, und so gibt sich das Ganze auch betont zurückhaltend und, nun ja, dunkel. Das gilt auch für Simons Vortrag: sehr zurückhaltend und sehr intim.

Ob man das nun gut findet oder nicht, hängt hauptsächlich davon ab, ob man die Songs im Original mochte. Gleich vier der zehn Stücke stammen vom „You’re The One“-Album, das ja auch bereits eine ziemlich düstere Angelegenheit war. ‚Love‘ ist nur marginal verändert worden, ‚The Teacher‘ wurden lediglich die Percussions entzogen. ‚Darling Loraine‘ wird mit verringertem Tempo zu klassischem Crooner-Stoff umgedeutet und ‚Pigs, Sheep And Wolves‘ bleibt trotz angedeuteten New Orleans-Bläsern letztendlich doch so minimalistisch wie im Original. Unkaputtbar präsentieren sich ‚One Man’s Celing Is Another Man’s Floor‘, auch wenn der Dion-artige Bronx-Shuffle des Originals schmerzlich vermisst wird, und ‚Rene And Georgette Magritte With Their Dog After the War‘, der wohl bekannteste Song der Zusammenstellung. ‚How The Heart Approaches What It Yearns‘ hingegen wirkt im neuen, Tom-Waits-anno-78-Arrangement bereits überladen und hat nur wenig von der Kloß-im-Hals-Intensität des Originals. Auch das kammermusikartig arrangierte ‚Can’t Run But‘ schießt deutlich über’s Ziel hinaus, was umso schwerer wiegt, da das Original von „Rhythm Of The Saints“ ja eben mehr durch seine rhythmische Struktur und Atmosphäre punkten konnte als durch die für Simon-Verhältnisse eher durchschnittliche Melodieführung. Überhaupt nicht gefallen will nur ‚Some Folks Lives Roll Easy‘, bei dem es Simon mit der stimmlichen Improvisation dann doch etwas übertreibt und von der Melodie des Originals nur wenig durchschimmert. Abgesehen davon gibt sich Simon aber auch im – wieder mal – ungewohnten musikalischen Umfeld keine Blöße. Leider ist auch nicht eine der Neuversionen tatsächlich „besser“ als das Original ausgefallen – auch im Falle der neueren Songs nicht, der ursprüngliche Instinkt war wohl hier immer der Richtigere.

Ja, Paul Simon hat den selben Fluch zu tragen wie Paul McCartney oder Neil Finn. Denn sein größtes Talent liegt in der klassischen Songschreiberkunst, dem Herbeiträumen von wunderbaren Melodien, die bei Millionen zünden, ohne jemals ins Flache zu fallen – aber eigentlich wäre er wohl doch lieber so kryptisch und unberechenbar wie, sagen wir, Bob Dylan, Elvis Costello oder Peter Gabriel. Somit ist auch „In The Blue Light“ ein durchaus achtbarer Versuch, sich als Jazzsänger zu verdingen, und tatsächlich verdreht er die Songs hier weit weniger als er das bei seinen Liveshows seit Jahren mit den teils Dylan-verdächtien Dekonstruktionen der Klassiker macht. Wie alle Simon-Alben nach dem erwähnten „Rhythm Of The Saints“ wird „In The Blue Light“ aber wohl nur langjährige Fans erreichen – die werden sich aber auch hier bestens versorgt fühlen.

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