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If I Should Go Before You

Vorbei sind die Zeiten der seicht dahinplätschernden Klänge einer Akustikgitarre. Dahin die Zeiten des einfachen, aber genialen Sounds des Singer-Songwriters Dallas Green alias City and Colour. Sicher: Mit den letzten Alben hatte man sich schon mit den instrumentalen Ergänzungen arrangiert. In ‚Little Hell‘ hatte Green nach seiner Zeit bei Alexisonfire erstmals wieder eine elektrische Gitarre für eine Plattenaufnahme in die Hand genommen. Bei ‚The Hurry And The Harm‘ hörte man dann im Hintergrund sogar dezent und gut eingesetzte Streicher spielen.

Aber was einem beim Opener des fünften Studioalbums des Kanadiers entgegenkommt – das muss man erst einmal langsam verdauen. Ganz langsam baut sich der Song ‚Woman‘ auf. Erst nach anderthalb Minuten Klangteppich, der an Incubus und sogar ein wenig an Tool erinnernt, ertönt die sanfte, unverwechselbare Stimme von Green. Es ist ein Mantra (

‚Woman, My love is never ending, Like a sea without a shore…‘

), das er drei Mal wiederholt und mit dem er die zuvor noch ruhige See in einem brausenden Sturm verwandelt. Klangwellen rollen über den Hörer neun Minuten hinweg, bis wieder Ruhe einkehrt. Und man ist fast ein wenig erleichtert ob dieses ungewohnten Einstiegs.

Eine Verschnaufpause bietet danach ‚Northern Blues‘, dessen Name Programm ist und es geht wider Erwarten auch bei den nächsten Songs viel gemächlicher zu, wenn auch viel abwechslungsreicher als gewohnt. Tatsächlich hat sich Green bei der Aufnahme von ‚If I Should Go Before You‘ längst nicht mehr allein mit seiner Gitarre vor das Mikrophon gesetzt, sondern gleich seine ganze Tourband eingeladen. Und so reizt er die gesamte musikalische Vielfalt bei den nächsten Songs aus: Von überraschend harten Gitarrensoli beim ansonsten ruhigen, folkigen ‚Mizzy C‘ über soulige Melodien bei ‚Killing Time‘ bis hin zu Country-Klängen bei ‚Runaway‘ und Rock’n’Roll bei ‚Map Of The World‘.

Der Titelsong ist zweifelsfrei eine großartige Ballade. Die Liebe bleibt ein großes Thema für City And Colour, auch wenn es sich hier mit düsteren Todesgedanken verknüpft. Allerdings mit einem pathetischen Happy End im Afterlife:

‚And when that night crawls itself away, Dying in the light of day. Our endless love will remain, Until we meet again‘.

Es bleibt dabei, dass sich Greens großartige Stimme vor allem bei den ruhigen Songs komplett entfalten kann. Obwohl man gespannt sein kann, was er nach der angekündigten Reunion von Alexisonfire demnächst zum Besten geben wird. City and Colour haben sich derweil weit von den folkigen Anfängen à la ‚Comin‘ Home‘ entfernt. Doch sieht man über den protzenden, ein wenig irritierenden Opener ‚Woman‘ hinweg, bleibt doch ein sehr stimmiges Album übrig, in dem Green sein großes musikalisches Talent zur Schau stellt. Und man kann ja beim weiteren Hören einfach den ersten Track überspringen.

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