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How Big, How Blue, How Beautiful

Neu ist immer besser. Nicht nur Barney Stinson aus der US-Serie ‚How I Met Your Mother‘ hat uns dies gelehrt. Auch das Leben tut es. So hat Florence Welch in den letzten Jahren das für sie neue ganz normale Leben kennenlernen dürfen. Nach ihrer letzten Tour hieß es dann weg von ihrem Konzertalltag, weg von Rummel und Trubel, weg von Hotel Mama. In ihren Worten erlebte die 28-Jährige „eine ziemliche Bruchlandung“, die sie anscheinend geerdet hat. Genau diese bodenständigeren Klänge sollten sich auf ‚How Big, How Blue, How Beautiful‘ übertragen.

‚How Big‘ sich diese Veränderungen im Nachhinein auf ihre Musik ausgewirkt haben, ist gleich in ‚Ship To Wreck‘ zu hören: Der Opener lässt wichtige Elemente der Vorgängeralben wie Harfe, Synthie-Orgel und Akkordeon vermissen und präsentiert stattdessen leider ganz gewöhnlichen, launigen Poprock à la Amy McDonald, der sich nur dank Welchs phänomenaler Stimme vom restlichen Mainstreamrock abhebt. Aber wie auch das Leben zeigt diese Platte viele Gesichter und Facetten. Der beste Song ‚How Big, How Blue, How Beautiful‘, welcher auch als erster im Kasten war, bietet die gleiche melodische Euphorie von früher, gepaart mit straighten pushenden Drums und schier endlosen Harmonien, die durch ein monumentales, einfach nur fettes Bläseroutro ihre volle Entfaltung erhalten. Hinzu kommen noch ‚Caught‘, ein altmodischer Wohlfühl-Song mit gemütlichen Beat, oder der Schlusstrack ‚Mother‘, der als bluesig-psychedelischer Trip an den berauschenden Rock der späten 1960er Jahre im Stile von Jefferson Airplane erinnert.

Das ‚How Blue’ spiegelt sich in ihrer neuen Schreibweise für melancholische Texte wieder. Früher gab es sphärisch leichte Fantasiewelten, mit Natur-, Wasser- und Dämonenmetaphern gefüllt, die den Tod als „Weg zur Transzendenz“ thematisierten. Diesmal lassen Florence And The Machine das elfen- und märchenhafte bei Seite und Folgen einem anderen, greifbareren Blues – der Realitätsbezug spiegelt sich in Form von Liebeskummer wieder. Im Album geht es darum, wie man Liebe finden kann, sich verliebt, wieder trennt und lernt, damit umzugehen. Letzteres zeigt ‚What Kind Of Man’, das eine neue, trotzige Art von Stärke präsentiert. Dennoch haben das befreiende ‚Delilah‘ oder die wunderschöne, im Raum schwebende Ballade ‚St. Jude‘, die den Zuhörer in andere Welten tragen, große Ähnlichkeit zur alten Florence.

Stellt sich nur noch die Frage, ‚How Beautiful‘ die neuen Florence And The Machine sind. Nicht jeder Track ist gelungen, beziehungsweise entfaltet Wirkung. Beim wiederholten Hören prägen sich die Songs dann aber stärker ein und werden tatsächlich von Mal zu Mal besser. Das Album haut zwar nicht so vom Hocker wie ‚Lungs‘, ist aber abwechslungsreicher als ‚Ceremonials‘. Das Positive ist, dass die einmalige Stimme dieser Frau scheinbar für jede Art von Musik geschaffen ist. Egal ob luftig, kraftvoll, zart. Das ganze in jeder Lautstärke und Emotion. Damit könnte Florence Welch sogar den letzten musikalischen Dreck gut klingen lassen. Das Negative: Auch wenn die Erkundung neuer Stile vollkommen legitim ist und oft zu Unrecht von Fans verschmäht wird, vermisst man hier in der Musik doch die romantische Naturverbundenheit mit seinen sphärischen Klangteppichen. Vielleicht muss man einfach nur – genauso wie Florence Welch – vom alten Fantasiebild loslassen und der Realität im Hier und Jetzt ins Auge blicken. Immerhin für die offene Zukunft darf der märchenhafte Traum weiter existieren.

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