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Her Halo

Teramaze sind eine fester Bestandteil der internationalen Progressive-Metal-Szene. Das Quartett aus Melbourne in Australien hat bereits vier Alben veröffentlicht, zuletzt vor erst eineinhalb Jahren „Esoteric Symbolism“. Album Nummer fünf mit dem Titel „Her Halo“ ist das erste auf dem neu gegründeten Mascot Progressive-Metal-Sublabel Music Theory Records. Und es hat das Potenzial, den lange bestehenden, ehrgeizigen Vierer ganz weit nach oben zu katapultieren. Denn mit dem Konzeptalbum, das Freundschaft, Liebe und Leidenschaft, den schmalen Grat zwischen strahlendem Ruhm und tiefem Fall der Trapezkünstlerin eines Wanderzirkus zum Gegenstand hat, haben die Aussies ein sehr starkes Statement abgeliefert, wie überaus gelungen Progmetal 2015 klingen kann.

Schon der fast dreizehnminütige Opener ‚An Ordinary Dream‘ ist eine kleines Schmuckstück, das für sich alleine stehen könnte. Mit einer winzig-zaghaften Melodie auf einer Konzertgitarre beginnt das Stück, das Keyboard steigt dezent ein und dann ist da ein treibend-dunkles Riff im Hintergrund, das in einem ersten, symphonischen explodiert. Im Mittelteil ist nach einer Keyboard-Bridge ein wunderbares Classic-Rock-Gitarren-Solo platziert und auch der dramatische Gesang – teilweise mehrstimmig – darf nicht unerwähnt bleiben. Im Titelsong sticht er besonders hervor, mit einer unglaublichen Melodie, die sich schon nach dem ersten Hören ins Gehirn eingräbt und einen nie wieder loslässt. ‚Out Of Subconsious‘ belegt mit seiner Komplexität an Rhythmen, Stimmungs- und Instrumentenwechseln klar, dass das hier kein Melodic-Metal sondern waschechter Progmetal ist. ‚For The Innocent‘ verbindet die Verspieltheit des Progressive Rock mit einer messerscharfen metallischen Kante. ‚Trapeze‘ ist eine instrumentale Melodic-Metal-Metapher – vor dem inneren Auge kann man die Trapezkünstler beinahe greifbar in schwindelerregender Höhe dramatisch in ihrer Zeltkuppel hin- und herschwingen sehen. ‚Broken‘ versprüht dank dem neuen Sänger Nathan Peachey mit jeder Note herzzerreissende Tragik. Mit ‚Delusions of Grandeur‘ verfällt die Protagonistin musikalisch und emotional imposant dem Grössenwahn. Was für eine Achterbahnfahrt!

Um die gleiche Zeit wie Teramazes Vorgänger „Esoteric Symbolism“ wurde vom schwedischen Prog-Quintett A.C.T ein in vielerlei Hinsicht ähnliches Konzeptalbum mit dem Titel „Circus Pandemonium“ veröffentlicht. In der Handlung geht es ebenfalls um das Leben in einem Zirkus, stricken die Musiker genauso wie nun Teramaze wundervolle Melodien um die dramatische Geschichte mit echten Gefühlen. A.C.T legte eine Rock-Oper mit Suchtpotential vor – und das tun nun auch ihre Kollegen aus Australien in metallischer Form. Es sind die vielseitigen, eingängigen Riffs, die richtig schön rocken. Die perfekt platzierten Soli an Gitarre und Keyboard. Und natürlich die verzerrten Gitarren, die die Platte der Australier zu einem gewichtigen Progressive-Metal-Album machen. Die acht Klassesongs, die sich wie perfekte Perlen zu einem strahlenden Diadem aufreihen, bestehen aber vor allem als emotionales Gesamtkunstwerk, das leichtfüssig eine fesselnde und berührende Geschichte erzählt. Musikalisch ist ohnehin für jeden Rockmusikfreund die passende Zutat dabei.

In Zeiten wie diesen, in denen Dream Theater zwar noch immer mit der meisterhaften Beherrschung ihrer Instrumente, aber weniger durch musikalische Innovationen punkten, kommt die Stunde von Teramaze. Dieses perfekt stimmige Konzeptalbum hat es schon heute verdient, mit Genre-Meilensteinen wie „Images & Words“ oder „Operation: Mindcrime“ in einem Satz genannt zu werden. Mit seiner Melodik erinnert es entfernt an Symphony X. Wenn Teramaze nicht auch in Zukunft in Gesellschaft dieser Namen genannt werden, gibt es schlicht keine Gerechtigkeit.

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