Für Außenstehende hat das Genre Progressive-Metal möglicherweise so manchen Haken: Sperrige Songs, krumme Taktarten, ausufernde Soli - die Vorurteile sind vielfach und teilweise durchaus zutreffend. Für Insider gibt es einen ganz anderen Haken. Der stammt aus London und hat in seiner achtjährigen Bandgeschichte bereis Beachtliches erreicht. Die Rede ist natürlich von Haken, dem britischen Prog-Metal-Sextett, das schon mit den berühmtesten Prog-Bands des Genres gemeinsam auf den wichtigsten Bühnen Europas gestanden hat. Auf dem Euroblast Festival in Köln sprachen wir mit dem Keyboarder und Gitarristen Richard Henshall über die erfolgreiche Band, Klassiker des Genres, das nächste Album und Muppet-Videos.

Die englische Prog-Metal-Band Haken hat bereits viel erreicht. Neben Auftritten auf dem wunderbaren „Night of the Prog“-Festival am Rhein waren die Briten unter anderem auf der Karibik-Kreuzfahrt „Progressive Nation At Sea“ mit dabei und haben vor zwei Jahren ihr drittes reguläres Studioalbum „The Mountain“ veröffentlicht, das nicht nur bei uns sehr gute Kritiken erhalten hat.
„Wow, das bedeutet uns wirklich sehr viel. Wir schreiben und spielen die Musik, die wir gerne selbst hören. Wenn wir dann so tolles Feedback dafür bekommen, freut uns das natürlich besonders.“ Das Album „The Mountain“ ist vor nunmehr rund zwei Jahre erschienen. Diese Platte hat Haken viele Türen geöffnet, die Zahl der Fans beträchtlich erhöht und den Engländern die Gelegenheit für viele Auftritte gegeben. Wir wollten wissen, ob sich all die Energie und Arbeit, die Henshall und die anderen in die Band investiert haben, nun endlich bezahlt machen. Der Gitarrist erklärt, dass jeder in der Gruppe immer noch nebenbei für den Lebensunterhalt arbeiten muss. Ein Vollzeit-Job ist Haken damit noch nicht. „Wir sind aber zum Glück sehr flexibel, was unsere Zeiteinteilung angeht“, stellt der Musiker fest. „Ich gebe zum Beispiel Musikunterricht und kann mir das ganz gut einteilen. Dadurch kann ich mir die Zeit nehmen, wenn ich sie brauche, um zum Beispiel auf Tour zu gehen.“ Ein Ziel ist es aber immer noch, nur von der Band leben zu können. „Es ist nur leider nicht so einfach, heute als Prog-Band soviel Erfolg zu haben, dass man davon wirklich leben und alles bezahlen kann.“
„The Mountain“ war Hakens erstes Album, das über das Label InsideOut Music veröffentlicht wurde. Der Erfolg dieser Platte hat Henshall und die anderen vollkommen überrascht. „Wir waren total aus dem Häuschen vor Freude“, erinnert sich der Brite. „Wir wollten uns für das Debüt bei InsideOut besonders anstrengen und mit einem richtigen Knalleffekt dort loslegen.“
Humor? Im Prog? Natürlich, warum auch nicht? Schauen wir uns doch einmal das Musikvideo zu ‚Cockroach King‘ an, das nicht nur eine Hommage an Queen und das Video zu ‚Bohemian Rhapsody‘ darstellt, sondern auch mit seinen Muppet-ähnlichen Puppen zeigt, dass man nicht alles im Prog bierernst nehmen muss.
Wir wollten natürlich noch mehr über die Entstehung dieses ungewöhnlichen Videos wissen. Die Idee dazu stammte vom Gitarristen Charlie Griffiths. „Charlie hat schon immer The Muppets geliebt. Und er ist ein großer Fan von ‚Bohemian Rhapsody‘. Er hat also damit angefangen, die ganzen Puppen selbst zu entwerfen und zu bauen. Dann haben wir das Video selbst gedreht. Nur einer von Charlies Freunden hat noch geholfen und uns bei der Regie und mit der Kameratechnik unterstützt.“ Das nennen wir mal Teamwork und es zeigt, dass man nicht immer teure Studios und eine riesige Crew braucht, um innovative Musikvideos zu produzieren. Und es beweist uns, dass Puppen und Prog irgendwie zusammen gehören – immerhin hat auch Devin Townsend mit seinem Ziltoid schon eine Puppe ins Leben gerufen.
Damit würden viele Musikfans das eine oder andere Kleinod verpassen, was doch schade wäre. Wir wollten daher wissen, welche klassische und welche moderne Prog-Band Henshall jemandem empfehlen würde, der sich neu mit progressiver Musik beschäftigt. „Wir mögen alle Gentle Giant sehr gerne, und ich denke, der Einfluss dieser Band ist auch auf ‚The Mountain‘ sehr gut zu hören. Daher würde ich Gentle Giant auf jeden Fall einem Prog-Neuling an das Herz legen.“ Henshall empfiehlt besonders das Album „Three Friends“ von 1972. „Bei den modernen Bands ist es schon schwieriger“, erklärt er dann. „Ich denke, ich würde Tigran Hamasyan empfehlen. Er ist ein armenischer Jazzmusiker, der Elemente des Jazz mit richtig heavy Pianoakkorden verbindet. Eine Menge armenischer Folklore ist in seinen Songs zu finden, alles auf dem Piano gespielt – sehr interessant.“
Als Prog-Musiker ist man in der Regel ein aufgeschlossener Mensch und hört viele verschiedene Stile und Genres. Wir waren dennoch neugierig, ob Richard Henshall mit einer bestimmten Musikrichtung überhaupt nichts anfangen kann. Gangster-Rap vielleicht? Er lacht. „Nein, ich mag tatsächlich auch Ganster-Rap. Ich habe in meiner Jugend viel davon gehört. Was ich nicht unbedingt auf meinem IPod mit mir herumtrage, sind allerdings Opernarien. Ich habe da nie den Zugang zu gefunden. Man muss wahrscheinlich direkt im Theater sitzen, um Opernarien genießen zu können.“
Im Laufe der Bandgeschichte hat sich auch das Songwriting verändert. „Für die ersten beiden Platten hat Ross (Ross Jennings, der Sänger, Anmerkung der Redaktion) zunächst als Konzept alle Texte geschrieben, und ich habe dann die Musik dazu komponiert“, erinnert sich der Gitarrist und Keyboarder. „Bei ‚The Mountain‘ habe ich die Musik zuerst geschrieben, dann haben wir gemeinsam die Arrangements ausgearbeitet. Und zum Schluß haben wir alle zusammen die Texte geschrieben.“
Rich Henshall hat übrigens schon früh mit dem Musizieren angefangen. Seine eigene Mutter war Klavierlehrerin. „Aber ich hatte zunächst einen anderen Lehrer, nicht meine Mutter. Man sagt, dass ich ein sehr schwieriger Schüler war. Der Lehrer kam mit mir nicht klar, da hat dann doch meine Mutter damit begonnen, mir das Klavierspielen beizubringen. Da war ich ungefähr sieben Jahre alt. Mit elf habe ich mir selbst das Gitarrespielen beigebracht. Ich habe als Jugendlicher auch noch Klarinette und ein wenig Schlagzeug gespielt. Ich wollte schon immer Musiker werden. Wenn ich am Piano saß oder auf der Gitarre spielte, fühlte ich mich einfach am besten und war zufrieden mit mir und der Welt.“
Deutschland ist…„voll von Fleisch“
Die Musik-Szene braucht…„mehr Gangster-Rap“
Spotify ist…„voller Scheiße“
Musik-Journalisten sind…„toll“ (Dankeschön!)
Keyboards sind aufregend, weil…„sie im Mix so schön im Hintergrund bleiben“
Gitarren mit mehr als sechs Saiten sind…„absolut faszinierend“
Absolut faszinierend sind auch Haken und ihr Prog, der bei dieser Band ganz bestimmt nicht zu einem schmutzigen Wort verkommen ist. Viel mehr zu einem, das dem Fan das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.
Interview, Übersetzung und Fotos: Michael Buch