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Haken – ‚Prog ist zu einem schmutzigen Wort geworden!‘


Die englische Prog-Metal-Band Haken hat bereits viel erreicht. Neben Auftritten auf dem wunderbaren „Night of the Prog“-Festival am Rhein waren die Briten unter anderem auf der Karibik-Kreuzfahrt „Progressive Nation At Sea“ mit dabei und haben vor zwei Jahren ihr drittes reguläres Studioalbum „The Mountain“ veröffentlicht, das nicht nur bei uns sehr gute Kritiken erhalten hat.

Haken1.jpg „Richard „Rich“ Henshall ist entspannt und freundlich wie immer, als wir ihn im Pressebereich des Kölner Euroblast-Festivals zum interview treffen. Die Band ist erst vor wenigen Minuten aus München angekommen, gleich steht der Auftritt an, und morgen geht es weiter nach Kopenhagen auf der aktuellen gemeinsamen Tour mit Between The Buried And Me. Nach acht Jahren Bandhistorie und unzähligen Liveauftritten ist Henshall das Touren gewöhnt. Wir loben ihn und die Band für das wunderbar vielschichtige letzte Album. „The Mountain“ ist eine komplexe und sehr abwechslungsreiche Reise, ein melodiöses und innovatives Stück Musik und tatsächlich ein wahrer Berg an Ideen und verschiedener Stile, die aber dennoch ein homogenes Ganzes ergeben. Der Gitarrist und Keyboarder ist bescheiden, aber er freut sich deutlich erkennbar über unser Lob für das letzte Album der Band.

„Wow, das bedeutet uns wirklich sehr viel. Wir schreiben und spielen die Musik, die wir gerne selbst hören. Wenn wir dann so tolles Feedback dafür bekommen, freut uns das natürlich besonders.“ Das Album „The Mountain“ ist vor nunmehr rund zwei Jahre erschienen. Diese Platte hat Haken viele Türen geöffnet, die Zahl der Fans beträchtlich erhöht und den Engländern die Gelegenheit für viele Auftritte gegeben. Wir wollten wissen, ob sich all die Energie und Arbeit, die Henshall und die anderen in die Band investiert haben, nun endlich bezahlt machen. Der Gitarrist erklärt, dass jeder in der Gruppe immer noch nebenbei für den Lebensunterhalt arbeiten muss. Ein Vollzeit-Job ist Haken damit noch nicht. „Wir sind aber zum Glück sehr flexibel, was unsere Zeiteinteilung angeht“, stellt der Musiker fest. „Ich gebe zum Beispiel Musikunterricht und kann mir das ganz gut einteilen. Dadurch kann ich mir die Zeit nehmen, wenn ich sie brauche, um zum Beispiel auf Tour zu gehen.“ Ein Ziel ist es aber immer noch, nur von der Band leben zu können. „Es ist nur leider nicht so einfach, heute als Prog-Band soviel Erfolg zu haben, dass man davon wirklich leben und alles bezahlen kann.“

„The Mountain“ war Hakens erstes Album, das über das Label InsideOut Music veröffentlicht wurde. Der Erfolg dieser Platte hat Henshall und die anderen vollkommen überrascht. „Wir waren total aus dem Häuschen vor Freude“, erinnert sich der Brite. „Wir wollten uns für das Debüt bei InsideOut besonders anstrengen und mit einem richtigen Knalleffekt dort loslegen.“

Haken2.jpg „Das ist Haken mit „The Mountain“ mehr als gelungen. Viele Fans und Kritiker behaupten, dass die Platte viele alte und viele neue Elemente des Progs miteinander kombiniert. „Wir wurden inspiriert durch klassische Bands wie Gentle Giant und King Crimson in einer Mischung mit zum Beispiel Meshugga und Dream Theater, lässt sich Rich Henshall zum Stil der Band und insbesondere des Albums aus. „Das sind wichtige Bands für uns, aber wir haben auch eine ganze Menge Humor in unserer Musik.“

Humor? Im Prog? Natürlich, warum auch nicht? Schauen wir uns doch einmal das Musikvideo zu ‚Cockroach King‘ an, das nicht nur eine Hommage an Queen und das Video zu ‚Bohemian Rhapsody‘ darstellt, sondern auch mit seinen Muppet-ähnlichen Puppen zeigt, dass man nicht alles im Prog bierernst nehmen muss.

Wir wollten natürlich noch mehr über die Entstehung dieses ungewöhnlichen Videos wissen. Die Idee dazu stammte vom Gitarristen Charlie Griffiths. „Charlie hat schon immer The Muppets geliebt. Und er ist ein großer Fan von ‚Bohemian Rhapsody‘. Er hat also damit angefangen, die ganzen Puppen selbst zu entwerfen und zu bauen. Dann haben wir das Video selbst gedreht. Nur einer von Charlies Freunden hat noch geholfen und uns bei der Regie und mit der Kameratechnik unterstützt.“ Das nennen wir mal Teamwork und es zeigt, dass man nicht immer teure Studios und eine riesige Crew braucht, um innovative Musikvideos zu produzieren. Und es beweist uns, dass Puppen und Prog irgendwie zusammen gehören – immerhin hat auch Devin Townsend mit seinem Ziltoid schon eine Puppe ins Leben gerufen.

Haken3.jpg „Bei den vielen verschiedenen Stilen der Band, die insbesondere auch auf „The Mountain“ Verwendung finden, ist es gar nicht so einfach, Haken in eine bestimmte Genre-Schublade zu stecken. Eine Kategorisierung ihrer Musik ist auch etwas, mit dem Haken Probleme haben. „Was ist überhaupt Prog?“ fragt Richard Henshall und fährt sogleich fort: „In der letzten Zeit ist der Name Prog ja schon zu einem schmutzigen Wort geworden. Mit Prog verbinden die meisten Leute Bands wie Marillion oder die frühen Platten von Genesis. Ich möchte Prog nicht als Genre betrachten. Unsere Musik ist progressiv. Wir verwenden Elemente des Rocks, Elemente des Metals, wir haben Jazz. Wir versuchen immer, uns selbst nicht zu sehr zu kategorisieren. Alles wird unter den großen Regenschirm namens ‚Progressive Music‘ gesteckt. Man findet im Internet so viele Unterkategorien wie Italienischer Prog, Canterbury Prog, Neo-Prog und so weiter. Ich denke, dass es zu viele Unterkategorien gibt. Wichtig ist doch, wie die Musik eigentlich klingt, nicht wie sie bezeichnet wird.“ Rich Henshall sieht die Gefahr, dass die Leute eine bestimmte Musikrichtung oder Band sofort ablehnen und ihr nicht die nötige Zeit zur Entfaltung lassen, weil ihnen eine bestimmte vorgegebene Kategorie oder ein aufgedrückter Stempel nicht gefällt.

Damit würden viele Musikfans das eine oder andere Kleinod verpassen, was doch schade wäre. Wir wollten daher wissen, welche klassische und welche moderne Prog-Band Henshall jemandem empfehlen würde, der sich neu mit progressiver Musik beschäftigt. „Wir mögen alle Gentle Giant sehr gerne, und ich denke, der Einfluss dieser Band ist auch auf ‚The Mountain‘ sehr gut zu hören. Daher würde ich Gentle Giant auf jeden Fall einem Prog-Neuling an das Herz legen.“ Henshall empfiehlt besonders das Album „Three Friends“ von 1972. „Bei den modernen Bands ist es schon schwieriger“, erklärt er dann. „Ich denke, ich würde Tigran Hamasyan empfehlen. Er ist ein armenischer Jazzmusiker, der Elemente des Jazz mit richtig heavy Pianoakkorden verbindet. Eine Menge armenischer Folklore ist in seinen Songs zu finden, alles auf dem Piano gespielt – sehr interessant.“

Als Prog-Musiker ist man in der Regel ein aufgeschlossener Mensch und hört viele verschiedene Stile und Genres. Wir waren dennoch neugierig, ob Richard Henshall mit einer bestimmten Musikrichtung überhaupt nichts anfangen kann. Gangster-Rap vielleicht? Er lacht. „Nein, ich mag tatsächlich auch Ganster-Rap. Ich habe in meiner Jugend viel davon gehört. Was ich nicht unbedingt auf meinem IPod mit mir herumtrage, sind allerdings Opernarien. Ich habe da nie den Zugang zu gefunden. Man muss wahrscheinlich direkt im Theater sitzen, um Opernarien genießen zu können.“

Haken4.jpg „Wir finden, dass es zwei Jahre nach „The Mountain“ Zeit für einen Nachfolger wird. Und tatsächlich arbeiten Haken bereits seit längerm an einem neuen Album. „Im Gegensatz zu unseren bisherigen Platten arbeiten wir diesmal noch enger als Band zusammen, das heißt, die Songs entstehen wirklich als Gemeinschaftsproduktion im Probenraum. Jeder steuert etwas dazu bei, jeder bringt seine Ideen mit ein. Wir haben jetzt auf der Tour sogar im Tourvan an den neuen Songs gearbeitet. Das Material klingt daher sehr frisch, und wir können es alle kaum erwarten, die Songs zu veröffentlichen.“ Wann das genau der Fall sein wird, steht allerdings noch nicht fest. Aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Angepeilt wird derzeit eine Veröffentlichung im Frühjahr 2016 – möglicherweise im April.

Im Laufe der Bandgeschichte hat sich auch das Songwriting verändert. „Für die ersten beiden Platten hat Ross (Ross Jennings, der Sänger, Anmerkung der Redaktion) zunächst als Konzept alle Texte geschrieben, und ich habe dann die Musik dazu komponiert“, erinnert sich der Gitarrist und Keyboarder. „Bei ‚The Mountain‘ habe ich die Musik zuerst geschrieben, dann haben wir gemeinsam die Arrangements ausgearbeitet. Und zum Schluß haben wir alle zusammen die Texte geschrieben.“

Rich Henshall hat übrigens schon früh mit dem Musizieren angefangen. Seine eigene Mutter war Klavierlehrerin. „Aber ich hatte zunächst einen anderen Lehrer, nicht meine Mutter. Man sagt, dass ich ein sehr schwieriger Schüler war. Der Lehrer kam mit mir nicht klar, da hat dann doch meine Mutter damit begonnen, mir das Klavierspielen beizubringen. Da war ich ungefähr sieben Jahre alt. Mit elf habe ich mir selbst das Gitarrespielen beigebracht. Ich habe als Jugendlicher auch noch Klarinette und ein wenig Schlagzeug gespielt. Ich wollte schon immer Musiker werden. Wenn ich am Piano saß oder auf der Gitarre spielte, fühlte ich mich einfach am besten und war zufrieden mit mir und der Welt.“

Haken5.jpg „Zufrieden kann Richard Henshall mit sich und Haken auch sein. Die Band hat es in den vergangenen Jahren geschafft, immer wieder musikalisch zu überraschen und sich einen festen Platz in der Prog-Szene zu erspielen. Zum Schluss bitten wir den Musiker noch, für uns ein paar kurze Sätze zu vervollständigen. Lest selbst, was Rich zu unseren folgenden Vorgaben zu sagen hat:

Deutschland ist…„voll von Fleisch“
Die Musik-Szene braucht…„mehr Gangster-Rap“
Spotify ist…„voller Scheiße“
Musik-Journalisten sind…„toll“ (Dankeschön!)
Keyboards sind aufregend, weil…„sie im Mix so schön im Hintergrund bleiben“
Gitarren mit mehr als sechs Saiten sind…„absolut faszinierend“

Absolut faszinierend sind auch Haken und ihr Prog, der bei dieser Band ganz bestimmt nicht zu einem schmutzigen Wort verkommen ist. Viel mehr zu einem, das dem Fan das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Interview, Übersetzung und Fotos: Michael Buch

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