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Ghost Play

Auf dem Cover blickt eine bildhübsche, junge, natürlich blonde Dame trotz (oder gerade wegen? Man weiß es nicht) wehenden Haares mysteriös an der Kamera vorbei. Doch halt, dem Albumtitel gemäß ist sie nochmal geisterhaft-halbdurchsichtig im Vordergrund „versteckt“, neben Wolkenkratzern, dazugehörigen Wolken und ein paar Möwen (uiuiuiuiui)! Der Bandname und Albumtitel sind in Lila und Pink geschrieben – richtig geraten, eine AOR-Scheibe aus Schweden.

Angst vor Klischees haben Miss Behaviour also schonmal nicht. Und vor Kitsch erst recht nicht. Zwar soll „Ghost Play“, das mittlerweile vierte Album, laut Aussagen der Band angeblich rockiger sein als seine Vorgänger, aber so richtig nachvollziehbar ist diese Behauptung nicht. Denn jedes auch nur halbwegs rockig klingende Gitarrenriff (z.B. im Opener ‚Friendly Fire‘) wird von jeder Menge Zuckerguss aus der Keyboardburg und vor allem den schlagerhaft schmachtenden Leadvocals von Sebastian Roos erdrückt. Der soll, wie ein wenig Recherche zu Tage fördert, angeblich in Schweden ein halbwegs bekannter Solomusiker sein, der sogar bereits an einem Eurovision Song Contest beteiligt war. Nun, das passt irgendwie, und hier kommt auch mein großes Problem mit der Scheibe zum Vorschein: „Ghost Play“ ist offenbar nur für Menschen gedacht, denen selbst Treat, Europe (Spätachtziger), Shy und Brother Firetribe noch zu brutal, metallisch und disharmonisch tönen. Das ist größtenteils platter Kitsch, der eher an die mit Recht schon wieder vergessenen Pseudo-Rock-Projekte wie Vanilla Ninja und Indica erinnert als an AOR mit Klasse. Wenn dieser Kitsch wenigstens gut gemacht wäre, hätte ich damit ein viel kleineres Problem. Aber ernsthaft, selbst von im Ansatz ganz ordentlichen Songs wie dem bereits erwähnten ‚Friendly Fire‘ (die Bridge erinnert unangenehm an Celine Dions Titanic-Schmachtfetzen) oder ‚Savage Heart‘ hat man die Hooklines einfach schon zehntausendmal gehört. Und wem das noch nicht genug ist, der bekommt mit der abschließenden Ballade ‚Save The World‘ noch die wahrscheinlich peinlichste Schlagerschnulze jenseits des schmerzlich vermissten Mutantenstadl zu hören. Dazu kommt die kompetente, aber brave und keimfreie Produktion, die den Songs entgültig das letzte Stückchen Rock’n’Roll entzieht. Das mag denen gefallen, die lieber den „Rock Of Ages“-Soundtrack hören als die Originale, aber als Rockfan wird man hier eher nicht glücklich werden.

Besonders harte (oder extrem kuschelweiche) Plüschfreaks können nun gerne beschließen, daß ich keine Ahnung von nix habe und die Scheibe gerne trotzdem gutfinden. Immerhin, technisch gesehen beherrschen die Jungs ihr Handwerk. Aber selbst (oder gerade!) mir als altem Achtziger-AOR-Fetischisten klingen Miss Behaviour einfach zu kitschig, klischeehaft und beliebig, als daß ich hier mehr als eine wohlwollende 3- zücken möchte.

(geschrieben von Sascha Glück)

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