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Atheists & Believers

Die Diskussion, ob The Mute Gods nun Prog sind oder nicht, wird ja auf diversen anderen Seiten mit verbitterter Härte geführt. Da sich aber Whiskey Soda keine musikalischen Reinheitsgebots-Fanatiker finden, können und dürfen wir natürlich auch The Mute Gods gut finden (puh!). Aber ernsthaft: natürlich wird man auch auf dem dritten Album der Band wieder enttäuscht, wenn man erwartete, dass Nick Beggs, Marco Minnemann und Roger King musikalisch nach ihren aktuellen und ehemaligen Arbeitgebern wie Steve Hackett oder Steven Wilson klingen. Kennt man aber die musikalische Vergangenheit von Beggs bei Kajagoogoo und dem unterbewerteten Ellis/Beggs/Howard-Projekt, die eklektischen Soloarbeiten von Marco Minnemann und Roger Kings Vergangenheit, in der er auch mit Pop-Sternchen wie S Club 7 oder Brit-Disco-Schnuckel Sophie Ellis-Bextor gearbeitet hat, ist es eigentlich sogar ziemlich weird, von den Dreien so etwas Mondänes wie lupenreinen Prog zu erwarten. Auch auf Album Nummer Drei gibt es also konsequenterweise eine eingängige Mischung aus leicht psychedelisch angehauchtem Beatles-Pop, Alternative Rock, immer wieder auftauchenden harten Riffs und, ja, auch ein paar modernen Prog-Elementen. Oder, ganz kurz, eben so, wie The Mute Gods nun schon seit 2014 klingen.

Der Schlüssel zum Verständnis der Kapelle liegt dabei wohl hauptsächlich im Charakter von Nick Beggs höchstselbst verborgen. Genauso, wie sein lautes und exzentrisches Auftreten gelegentlich die Tatsache zu überschatten scheint, dass er ein höchst talentierter Musiker und ein hochintelligenter Mensch ist, täuscht auch die vordergründige Pop-Affinität der Musik ein wenig darüber weg, dass sich auf „Atheists And Believers“ musikalisch eine ganze Menge höchst eigenwilliger und vor allem auch eigenständiger Ideen versammelt haben. Ach, und ganz fraglos, auch die Musikerpolizei bekommt immer noch ordentlich Stoff zum Nachdenken – so sie denn nicht auf pure „Prog“-Elemente wie Zehn-Minuten-Moog-Soli, Vierzehn-Elftel-Takte oder doxycyclinische Tonleitern wartet. Beggs‘ ziemlich entspannter Gesang, oft mit deutlichem Augenzwinkern versehen, mag nicht jedem gefallen, passt aber zu der ebenfalls auf Effekthascherei verzichtenden Ausrichtung der Scheibe. Ein weiterer wichtiger Punkt bei The Mute Gods sind natürlich auch die sarkastisch-engagierten Texte, die oftmals die Richtung für die Musik vorgeben. Dem Thema des Albums folgend, geht es diesmal ein wenig düsterer zu – Beggs hat sich ordentlich über Neo-Konservative, Neo-Puritanismus und generelle Intoleranz ausgekotzt, und das tut er wie gehabt höchst eloquent und mit einem traditionell galligen Humor, der nahelegt, dass Beggs mehr als einmal in die bizarre Kultserie „The League Of Gentlemen“ hereingezappt hat. Oder vielleicht einfach nur das Geschehen um Trump, Brexit, Erdogan, Putin oder „unsere“ eigene Fremdschäm-Zusammenrottung AfD verfolgt hat – die Unterschiede sind marginal. Ein Song wie ‚Iridium Heart‘, fängt musikalisch wie textlich ziemlich genau die Paranoia unseres Zeitalters ein und macht sich im gleichem Maße darüber lustig. Im Gegensatz dazu stehen das ruhige, an die „Wind And Wuthering“-Ära von Genesis erinnernde ‚Old Men‘, das mit leichtem 10CC-Schlag versehene, ebenfalls sehr ruhige ‚The House Where Love Once Lived‘, von dem man sich glatt eine Tony-Bennett-Coverversion vorstellen könnte oder das minimalistische Instrumental ‚I Think Of You‘ mit Rick-Wright-Gedächtnis-Pianoakkorden. Generell versprüht die erste Hälfte des Albums eher eine leichte, mild ironische Stimmung, in der zweiten Hälfte wird es aber deutlich düsterer und auch ernsthafter – wo Beggs zu Beginn noch über den ‚Knucklehed‘ (sic) spöttelt, geht es ab dem mit einem Grunge-Riff und Gungfly-Anleihen verzierten ‚Envy The Dead‘ immer weiter in die Talsohle, und am Ende steht mit ‚Twisted World, Godless Universe‘ ein bitterer Abgesang auf – nun ja, ratet mal. Ein Hinweis ist im Titel des Songs versteckt…

Also, Butter bei die Fische: für scheuklappenfreie Rockfans ist „Atheists And Believers“ einmal mehr eine ziemlich gelungene Scheibe, die sich Inspiration in vielen verschiedenen Genres holt. Vergleiche erübrigen sich dabei, da The Mute Gods sich über ihre drei Alben komfortabel in ihrer eigen stilistischen Nische eingerichtet haben, die ihnen einerseits jede Menge Spielraum bietet, andererseits aber auch einen sehr hohen Wiedererkennungswert hat.

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