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Ace Frehley wirft das Handtuch


Es passiert ja auch nicht allzu oft, dass eine große Schnittmenge an Songs von Musikern, die früher einmal gemeinsame Wege gegangen sind, am gleichen Abend an zwei verschiedenen Orten live gespielt wird. Heute aber stehen Kiss mit Tommy Thayer an der Gitarre in Zürich vor rund 7000 Fans auf der Bühne, während Ace Frehley in Hamburg nur gut zehn Prozent dieser Menge anlockt und heute an der Reeperbahn alles im Vergleich zur Rock’n’Roll-Gigantonomie in der Schweiz ein paar Nummern kleiner ausfällt. Der Space Invader ist nach Hamburg gekommen, eben jener ehemalige Spaceman „Space Ace“ vom Planeten Jendell, der Mitbegründer von Kiss. Zuerst stieg Frehley 1982 bei Kiss aus, um dann von 1995 bis 2002 noch einmal für einige Reunion-Tourneen in die Band zurück zu kehren. Aber seine Verbindung zu Kiss ist es natürlich, die heute die Fans in die Hansestadt gelockt hat. Eine nicht geringe Menge davon dürfte auch vorige Woche beim Hamburger Gastspiel von Kiss mit dabei gewesen sein. Und die erwarten natürlich – zu Recht – auch ein paar der alten Kiss-Klassiker in der Setlist.

DB1.jpg „Aber der Reihe nach: Zunächst einmal dürfen die Belgier von Diablo Boulevard das Publikum auf Betriebstemperatur bringen. Die Hardrocker konnten ihre Fans vor Kurzem mit Ihrem neuen Album „Follow The Deadlights“ überzeugen und haben auch heute Abend ein relativ leichtes Spiel mit dem Publikum. Frontmann Alex Agnew ist selbst natürlich auch klar, dass die ca. 800 Menschen vor der Bühne nicht für seine Band gekommen sind. Aber dennoch – der Auftritt von Diablo Boulevard ist mehr als überzeugend. Laute stürmische Gitarrenriffs mit Punkrock Attitüde, peitschende Drums und eine energetische Show mit all den obligatorischen Posen, Luftsprüngen und coolem Besteigen der Monitorboxen – Diablo Boulevard wissen, wie sie die Menge auf den kommenden Abend einstimmen. Sänger Agnew berichtet in sehr gutem Deutsch davon, dass Diablo Boulevard die erste belgische Band ist, die beim Majorlabel Nuclear Blast unter Vertrag genommen wurde und davon, wie gerne die Band nach Deutschland kommt: „Deutschland ist unsere zweite Heimat geworden!“

Zum Schluss gibt es noch das altbekannte Gesangsspiel zwischen Frontmann und Publikum, bei dem es nicht um Wohlklang, sondern lediglich um Lautstärke geht. Und diese genügt Agnew natürlich noch nicht. „You have to warm up your voices for Ace Frehley!“ Bei der dritten Wiederholung und der Ansage „To hell with Ace Frehley, do it for me!“ wird es dann tatsächlich am lautesten.

Ace_Frehley_1.jpg „Eine gute halbe Stunde haben Diablo Boulevard, und die nutzen sie bestens. Die Hamburger sind auf Temperatur, die Stimmung ist gut, so kann es weiter gehen. Leider lässt sich Ace Frehley dann erst einmal soviel Zeit, dass die guten Bemühungen des Openers schon fast wieder vergessen sind. Rund eine Stunde (!) dauert es, bis der Amerikaner um kurz vor 22 Uhr endlich die Bühne betritt. Die Fans nehmen es mit stoischer Gelassenheit.

Dann aber endlich das Intro: Zu leerer Bühne schallt ‚Fractured Mirror‘ vom Band, bis Ace und seine dreiköpfige Band (zweite Gitarre, Bass und Schlagzeug) aus dem Dunkeln auftauchen und mit der alten Kiss Nummer ‚Rocket Ride‘ das Konzert eröffnen. Da gibt es natürlich keine Pyrotechnik, keinen Rauch, keine Effekte. Das ist sozusagen Kiss ohne den Rockzirkus drum herum, ohne Hochseilakrobatik und natürlich auch ohne das berühmte Make-Up. Ace Frehley macht sein Ding – er spielt zwar viele Kiss-Songs, macht aber eben auch klar, dass seine Zeit mit der Band lange vorüber ist. Apropos Make-Up: Frehley wird natürlich auch nicht jünger. Über 40 Jahre Rock’n’Roll, endloses Touren und eben auch Alkohol und Drogen haben den 64jährigen gezeichnet. Fit ist er allerdings noch immer und versteht es, seine Fans sofort zu begeistern. Ohne viel Schnickschnack präsentiert er dem Hamburger Publikum geradlinigen Hardrock, wobei es neben eigenem Material natürlich auch viele Kiss-Songs zu hören gibt. Die werden teils etwas vom Original abweichend interpretiert, gehen aber insgesamt immer noch als „Originale“ durch.

Ace_Frehley_3.jpg „Frehley outet sich bei der Ansage zum Rolling Stones Cover „2000 Man“ als großer Fan der Jungs um Mick Jagger. Ansonsten gibt es Zwischen den routiniert dargebotenen Songs einige kurze Ansagen, wie man sie schon oft gehört hat und wohl auch immer wieder hören wird: „Hamburg, you rock!“, „Put your motherfucking hands in the air!“ oder „It’s great to be in Germany!“. Überwiegend beschränkt sich der Space Invader aber auf das Singen und Gitarrespielen – und beides kann er einfach, da besteht kein Zweifel. Die Fans freuen sich, sind aber überwiegend passend zur Band auch nicht mehr die jüngsten, so dass es im Publikum nicht allzu wild hergeht. Ein paar nach oben gestreckte Arme und ein wenig Mitsingen sind da schon das höchste der (Fan)gefühle.

„We’re back in the 70s now“, erklärt der Spaceman seinen nächsten Song. „Everybody was doing cocain, except Paul and Gene.“ ‚Snowblind‘ wird dann – ganz egal ob mit oder ohne Drogen – schnell zu einem Highlight des Abends. Der Sound ist druckvoll und laut, der Gesang klar verständlich, die Mischung stimmt überwiegend, auch wenn der Bass teilweise etwas rumpelt. Spendabel ist er ja, der Ace. Immer wieder wirft er Gitarrenplektren ins Publikum, und mehrfach auch seine Handtücher, mit denen er sich gerade noch den Schweiß abgetupft hat. Ob die glücklichen Fänger der Handtücher diese ungewaschen mit nach Hause nehmen, ist leider nicht bekannt.

Ace_Frehley_2.jpg „Die Setlist birgt keine großen Überraschungen und enthält erwartungsgemäß eine Mischung aus Kiss-Songs und Frehleys Solo-Stücken. Zwischendurch verabschiedet sich der Star kurzzeitig von der Bühne und gibt Chris Wyse am Bass Gelegenheit für ein grooviges Solo. Wyse hat schon als Studiomusiker für Mick Jagger und Ozzy Osbourne gespielt und ist seit 2006 Bassist der Band The Cult. An der zweiten Gitarre steht Frehleys alter Weggenosse Richie Scarlet, während das Schlagzeug von Scot Coogan bedient wird, der immer wieder beim Trommeln mal aufspringt und eine sehr energetische Performance hinlegt.

Ace_Frehley_4.jpg „Bei ‚Shock Me‘ hat Ace Frehley auch die Gelegenheit für ein längeres Gitarrensolo, und da ist dann auch der einzige wirkliche Showeffekt des ganzen Abends: Die rauchende Gitarre! Dicker Qualm dringt aus dem Instrument und hüllt den Musiker ein. Aber ansonsten steht die Musik definitiv im Vordergrund, es wird nichts angezündet, es sprühen keine Funken, es fliegt niemand durch die Luft (was in dem eher übersichtlichen Club auch gar nicht möglich gewesen wäre). Und es bleiben auch alle Instrumente ganz. Ace Frehley reduziert Kiss auf die Musik, und das macht er gut so. So darf wohl jeder am Ende des Abends zufrieden sein, denn hier wurde wieder einmal gezeigt, dass man nie zu alt zum Rocken ist und ein großer Profi auch ohne Firlefanz und Effekte eine überzeugende Show liefern kann.

Ace_Frehley_5.jpg „Nach knapp 90 Minuten gibt es als Zugaben die beiden Klassiker ‚Detroit Rock City‘ und ‚Deuce‘, bevor Frehley das letzte Handtuch schmeißt und sich für heute verabschiedet. Damit spielten Kiss tatsächlich an ein und dem selben Abend in Zürich und quasi auch in Hamburg. Das ist Rock’n’Roll!

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Setlist Ace Frehley, 10.06.2015 Hamburg, Grünspan

Rocket Ride
Gimme A Feelin’
Toys
Parasite
Love Gun
Breakout
Space Invader
2000 Man (Rolling Stones Cover)
Snowblind
Rock Soldiers
Bass Solo
Strange Ways
2 Young 2 Die
New York Groove
Shock Me
Guitar Solo
Cold Gin
Rip It Out

Detroit Rock City
Deuce

Bericht und Fotos: Michael Buch

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