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+4626-COMFORTZONE

Das neue Jahr beginnt ungewöhnlich. Zumindest für Progger. „+4626-COMFORTZONE“ ist ein ungewöhnlicher Titel für ein ungewöhnliches Album. Und ja, es stammt von einer gleichfalls ungewöhnlichen Band. Die schwedische Progrock-Formation Beardfish hat es seit ihrer Gründung im Jahre 2001 und über sieben Alben hinweg immer wieder geschafft, ihre Fans zu überraschen. Jetzt liegt Album Nummer Acht auf dem Tisch, und Beardfish wollen den Hörer mit „+4626-COMFORTZONE“ nach seiner eigenen persönlichen Komfortzone fragen, wollen uns mitnehmen auf eine abwechslungsreiche Reise in Klangsphären im Sound der 70er, inspiriert durch Bands wie Yes oder Genesis.

Verzerrte gedämpfte Musik dringt im Intro ‚Noise In The Background‘ an unser Ohr, ein Streichquartett schält sich aus dem verwobenen Klangteppich hervor. Schließlich dringt – zunächst ganz leise – ein Schlagzeug aus dem Nichts zu uns durch, um dann plötzlich den diffusen Nebel zu zerreissen und klar in den Vordergrund zu stürmen. Mehrstimmiger entspannter Gesang bestimmt den Opener ‚Hold On‘, und das Adjektiv „retro“ passt hier wohl besser als je zuvor. Frontmann und Keyboarder Rikard Sjöblom überzeugt sofort mit seiner vokalen Präsenz. Im weiteren Verlauf des Songs steigert sich das anfangs gemächliche Tempo, David Zackrissons (Gitarre) und Robert Hansens (Bass) Riffs werden härter und rockiger. Der folgende Titelsong ‚Comfort Zone‘ lässt den Hörer tatsächlich in eine sehr komfortable Zone abdriften, wenn ein langes beruhigendes Gitarrenintro im David Gilmour Stil und darüber gelegte Pianospielereien Wärme und Geborgenheit versprechen. ‚And so you come to serve me now / in the concord of your arms I may rest for a while / may the past be a hazy shadow‘ Diese Comfort Zone wird im weiteren Songverlauf etwas rauher, kantiger. Schlagzeuger Magnus Östgren bekommt insbesondere in der zweiten Hälfte des Albums die Gelegenheit, experimentelle Breaks und teils schon fast punkige Beats zu spielen. So ist der Titel ‚King‘ geprägt von Hardrock-ähnlichen Riffs und Bassläufen, wie insgesamt der Longplayer, der natürlich auch als Vinylausgabe veröffentlicht wird, in seiner zweiten Hälfte deutlich an Härte gewinnt, ohne den Härtegrad des Vorgängeralbums „The Void“ zu erreichen. Das ist aber nicht schlimm, denn Beardfish stehen für viele verschiedene Stile und Stimmungen von Poprock bis Progressive Metal. „+4626-COMFORTZONE“ erinnert über weite Strecken an die Klassiker von Led Zeppelin oder Yes, vereint verschiedene Genres und überzeugt durch Kreativitität und Spannung.

‚If We Must Be Apart (A Love Story Continued‘) ist mit über 15 Minuten der längste und ausuferndste Track des Albums und ein kleines Meisterwerk des Retro-Progs. Die Keyboards dominieren mit Hammond-Sounds, die treibenden Drums erinnern The Who. Die ‚Ode To A Rock’n’Roller‘ ist besonders wegen ihres ironischen Textes interessant: ‚It feels like I’ve been doing this / for a million years / every note has been played before / in this exact order, too / and none of these buttholes out there want anything new / so I just keep on cooking this all familiar stew‘. War wirklich alles schon einmal da? Beardfish erfinden das Prog-Rad auf „+4626-COMFORTZONE“ nicht komplett neu, bieten aber doch mehr als genug Abwechslung, musikalische Experimente und Überraschungen, um ihren neuesten Output tatsächlich zu dem oben angesprochenen ungewöhnlichen Album zu machen. Die vier Schweden experimentieren auf ihrer über eine Stunde langen Platte unter anderem mit übereinander geschichteten Keyboard- und Orgelflächen. Der Spagat zwischen modernem Sound und 70er-Retro-Feeling darf als gelungen bezeichnet werden.

Und was bedeutet nun der enigmatische Titel? Nun, manchmal steckt hinter so einem Rätsel doch eine ganz einfache Lösung. Der Name „+4626-COMFORTZONE“ entstand als Anspielung auf die großen Werbetafeln in den USA und den dort genannten Telefonnummern, die sich meist aus Zahlen und Worten zusammen setzen. 46 ist die Landesvorwahl für Schweden, und 26 wiederum die Ortsvorwahl des Ortes Gävle, der Heimatstadt der Band. Ganz einfach also und sehr viel simpler als die vielschichtige komplexe Musik.

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