Trunk Of Funk Vol. 1
In den USA sind Grand Funk Railroad oder Grand Funk, wie die Band sich später verkürzt nannte, eine DER Bands des Classic Rock, die Verkaufs- und Besucherrekorde brach, wo immer sie auftauchte. In Europa hingegen hat es nie so richtig funktioniert – wohl einerseits, weil die Band so gut wie nie außerhalb der USA getourt ist und andererseits, weil die Band zugegebenermaßen auch immer ein wenig ihrer Zeit hinterherhinkte. Vornehmlich britische Bands wie Deep Purple, Led Zeppelin, Yes und Black Sabbath experimentierten in den Jahren von 1969 bis 1974 hemmungslos und trugen damit die Rockmusik in neue Härte-, Virtuositäts- und Komplexitätsbereiche. Grand Funk spielten in der gleichen Zeit unbeirrt ihren vom Mittsechziger British Blues Boom und – wenn auch von jeglicher Psychedelia befreiten – amerikanischem Garagenrock geprägten, simplen Sound, der dank der cleveren und plakativen Vermarktung durch den Manager und Produzenten Terry Knight kommerziell dennoch kräftig einschlug.
Die ersten fünf Studioalben der Band gibt es nun zusammen mit dem schlicht, aber überaus treffend betitelten „Live Album“ im Box Set „Trunk Of Funk Vol. 1“ zusammengefasst. Beeindruckend dabei, daß tatsächlich alle sechs hier vertretenen Scheiben seinerzeit innerhalb von nur zweieinhalb Jahren veröffentlicht wurden – in der Zeitspanne werden heute gerade einmal die Demos für ein einziges Album gemacht! Hier kann man Grand Funk noch in ihrer ganzen, unverfälscht-bodenständig rockenden Gloria erleben. Wo die zweite Hälfte der Bandhistory eher in kommerziellere Gefilde abdrehte, gab es in diesen Jahren noch den klassischen Powertrio-Sound. Dabei waren Mark Farner (voc, gtr, keys), Mel Schacher (bs) und Don Brewer (dr, voc) keinesfalls auch nur annähernd so virtuos wie Cream oder die Jimi Hendrix Experience. Das glichen sie mit doppelter Lautstärke wieder aus. Gerade die ersten drei Alben, „On Time“, „Grand Funk“ (aka „Red Album“) und „Closer To Home“ zeigen die Band fast ohne Studiotricks und doppelten Boden. Dem Unterhaltungswert von Klassikern wie ‚Are You Ready‘, ‚Time Machine‘, ‚Mr. Limousine Driver‘ und dem Animals-Cover ‚Inside Looking Out‘ tut das fraglos keinen Abbruch. Dazu gibt es ein paar ruhigere Momente wie das bluesige ‚Heartbreaker‘, die Blue Eyed Soul-Ballade ‚Mean Mistreater‘ und den mit Streichern (!) veredelten, engagierten Antikriegssong ‚I’m Your Captain (Closer To Home)‘, die für ein Mindestmaß an Abwechslung sorgen. Gelegentlich schleichen sich zwar für moderne Ohren eher befremdliche Sachen wie das endlose Drumsolo im Instrumental ‚T.N.U.C.‘ ein, aber generell sollte jeder, der beispielsweise auf die frühen Bob Seger-Alben (VOR der Silver Bullet Band) steht, hier eine neue Lieblingsband finden.
Die beiden nachfolgenden Alben „Survival“ und „E Pluribus Funk“ zeigten bereits eine etwas fokussiertere und gezähmtere Band, die langsam begann, mehr Soul-Einflüsse zu verarbeiten und generell ruhiger und kommerzieller klang. „Survival“ ist dabei das schwächere der beiden, schlicht und einfach, weil die Höhepunkte des Albums die Coversongs ‚Feelin‘ Alright‘ (Dave Mason) und ‚Gimme Shelter‘ (Rolling Stones) sind, während die Studiodiskussion vor ‚I Want Freedom‘ ebenso Zeitschinderei darstellt wie die höchst uninspirierte Jammerei in ‚Comfort Me‘, das gut und gerne um ein oder zwei Minuten gekürzt gehörte. „E Pluribus Funk“ trug seinem Titel Rechnung und groovte in Songs wie ‚People, Let’s Stop The War‘ oder ‚Upsetter‘ entschieden Funk-beeinflusst und wies so den Weg in die Zukunft der Band. Ansonsten gibt es vornehmlich knurrigen Hardrock wie ‚No Lies‘, der von der Entschlackung des Bandsounds ganz enorm profitiert.
Der Star von „Trunk Of Funk Vol.1“ ist aber natürlich „Live Album“. Im Vergleich zu Zeitgenossen wie „Live At Leeds“ (The Who), „Goodbye“ (Cream), „At Fillmore East“ (Allman Brothers Band) oder gar dem anderthalb Jahre später erscheinenden „Made In Japan“ (Deep Purple) klingt „Live Album“ eher, nun ja, rustikal. Der Bass ist gnadenlos übersteuert, gelegentlich muß man raten, ob man einen Bass oder eine Gitarre hört, die Vocals gehen gerne mal im Gesamtlärm unter, das Publikum brüllt gelegentlich mal die gesamte Band nieder. Erinnert also eher an 1970 schon technisch überholte Mittsechziger- Mitschnitten wie „Live At Kelvin Hall“ (The Kinks) oder „Got Live If You Want It“ (Rolling Stones) – aber der Terror macht einfach jede Menge Laune. Nur wenige Livealben schaffen es, das Gefühl von brutaler, körperlich spürbarer Lautstärke auch bei leisem Abspielen zu vermitteln. Dagegen wirken die Studio-Gegenstücke plötzlich friedfertig und harmlos – man vergleiche nur die Versionen von ‚Paranoid‘ (nicht der Black Sabbath-Song) oder dem im Feedback-Massaker ejakulierenden ‚Inside Looking Out‘. Schlicht eines der besten Livealben aller Zeiten und ein Muss für Fans des frühen Hardrock.
„Trunk Of Funk Vol.1“ ist auch optisch fein aufgemacht, alle Alben kommen in Gatefold-Digisleeves, die die Original-Artworks reproduzieren und der Karton von Box wie CDs ist schön stabil und aus hochwertigem Material gefertigt. Außer „Live Album“, das die Spielzeit der CD bereits vollständig ausnutzt, enthält jedes Album zeitgenössische Bonustracks, und das Booklet gibt einen kurzen Überblick über die Bandhistory der Zeit und die Credits der Original-CD-Veröffentlichungen. Texte gibt’s zwar nur bei „E Pluribus Funk“, aber beim Preis von ca. fünf € pro CD lässt sich das problemlos verschmerzen. Für alle, die bislang noch nichts von Grand Funk Railroad besitzen, ist „Trunk Of Funk Vol. 1“ ein perfekter Einstieg. Höchste Empfehlungsstufe!