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Torn Arteries

Die britischen Schlachter von Carcass lassen sich Zeit bei der Auswahl des Fleisches, das sie zu sezieren beabsichtigen. In diesem Fall haben sie mit der letztjährigen EP „Despicable“ ihre Schnitte in den Körper schon einmal erfolgreich geübt. Insofern ist es keine Überraschung, dass bei ihren Hauptwerk „Torn Arteries“ (Nuclear Blast) jeder Ansatz des Skalpells souverän an der richtigen Stelle sitzt.

Carcass haben seit ihrem Comeback ihr Können verfeinert. Sie gehen weiterhin messerscharf zur Sache, doch es sind die kleinen Feinheiten, die das zweite Album der neuen Zeitrechnung ausmachen. Besonders tut sich Daniel Wilding am Schlagzeug dabei hervor, aber ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Seine kreative Versiertheit an den Kesseln setzt er stets im Sinne des Songs ein, doch bei genauerem Hinhören erkennt man die vielen Spielereien, mit denen er seinen Job versieht. Ein weiteres Markenzeichen ist das melodiöse Solospiel Bill Steers, das er hin und wieder bis zur Grenze zur Karikatur auslebt. Und Jeff Walker röchelt wie immer mit genussvoller Aggressivität.

Thin Lizzy mit einer Knochensäge

Neben dem Carcass-typischen Melodic Death Metal mit Grindcore-Infusion sind heftige Rhythmen zu vernehmen, die jeder Hardcore-Kapelle gut zu Gesicht stehen würde. Auch stampfender Death Metal, der den Mannen mit Hörern und Trinkhörern gefallen dürfte, hat sich in das Repertoire der wichtigsten Band jenseits des Merseys seit den Beatles geschlichen. Steers Vorliebe für Hard Rock der 70er dringt ebenfalls öfter an das geneigte Ohr. Zusammen ergibt dies eine recht kreative und abwechslungsreiche Obduktion der gängigen Hörgewohnheiten, denn oft schrammen die Briten an die Grenze der schieren Übertreibung ihrer Ideen. Das Klatschen bei ,In God We Trust‘ ist einfach nur ein Kracher. Aber das macht Carcass aus, mehr Blut, mehr Gedärme, mehr Abszesse und mehr Decubitus.

Carcass sind eine Institution in Sachen königlich britischen Death Metal. Noch nie klang ein Album wie das davor, noch nie haben sich sich kopiert. „Torn Arteries“ ist mit Sicherheit das Album, das am nähesten an seinem Vorgänger heranreicht. Und doch ist es eigenständig geworden. Es geht nicht mehr so gnadenlos in die Vollen, es ist ein wenig altersmilde und macht gerade deshalb wieder so viel Spaß. Es wird nicht ihr Schwanengesang sein.

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