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Schock

Eisbrecher sind mittlerweile die Koryphäe schlechthin, was Neue Deutsche Härte angeht. Lassen wir die ausgewimpten Hyperkommerzler mit dem rollenden R mal außen vor, die ja heutzutage nicht einmal mehr von der Provokation zusammengehalten werden, dann gibt es keine andere Band, die derart lange [i]und[/i] derart hochwertig dabei ist und diesen Stil ganz stark mitgeprägt hat. Natürlich, es gibt immer mal wieder mehr oder weniger provokante Bands wie aktuell z.B. Ostfront, die aufstrebend waren, wenn es hochkommt ein paar Jährchen mitmachen durften, aber meistens genauso schnell verschwunden waren wie sie gekommen sind. Eisbrecher aber sind geblieben.

Das mag zu einem Großteil auch an Frontmann Alex liegen, der über ein unglaubliches Charisma verfügt und nebenbei (oder hauptsächlich?) ja auch noch Fernsehmoderator ist.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bands haben Eisbrecher es immer geschafft, ein gewisses textliches Niveau nicht zu unterschreiten – und bei dieser Stilrichtung ist dieser Fakt extrem bedeutsam. Auch Eisbrecher kommen um gewisse Klischees nicht herum, aber sie fahren ganz eisbrechermäßig einfach geradeaus mit einem Lächeln hindurch. Sie versuchen nicht, sie intellektuell zu umgehen, sie versuchen aber auch nicht mit aller Gewalt, sie zu nutzen. Wenn sie nun einmal da sind, gibt es ein Augenzwinkern und alles ist im Lot.

Eisbrecher sind eine Art Gegenprogramm zum unselig rührseligen rosa Blob namens Unheilig. Entfernt … ganz ganz gaaaaanz entfernt mag es bei der Hörerschaft eine Schnittmenge geben, und die einfacheren Rhythmen der NDH sowie die leicht zugänglichen deutschen Texte mögen den einen oder anderen Grafologen anziehen, aber die beiden Bands in eine Beziehung zu stellen sollte sich darin erschöpfen, dem gräflich kahlköpfigen Mamaliebling mal zu schockieren und beim Anhören des Openers „Volle Kraft voraus“ zu sagen: „Siehste! SO wird das richtig gemacht.“ Denn Eisbrecher machen auch auf dem neuesten Album ziemlich alles ziemlich gut. Eingängigkeit, Wucht, Sarkasmus und Spaß halten sich perfekt die Waage.

Die Jungs können Songs schreiben, das ist schon seit dem selbstbetitelten Debut bekannt. Dass der Song „Eisbrecher“ das Lieblingslied des fünfjährigen Sohnes des Rezensenten ist, und er beim Vorspielen des neuen Albums die Frage „Na, wer ist das?“ aus der Pistole geschossen mit „klingt wie Eisbrecher“ beantwortete, sortiert den Stil, den Wiedererkennungswert aber auch den intellektuellen Anspruch ziemlich gut ein.

Das soll in keiner Weise negativ gemeint sein – Eisbrecher machen nun einmal melodische, nachvollziehbare, sehr gute deutsche Musik mit Ohrwurmcharakter. Daran hat sich auch auf „Schock“ nichts geändert und deshalb sei jedem, der von weinerlichem Gedösel oder frickeligen Gitarrensaitenverknotungen die Nase voll hat Eisbrecher ans Herz gelegt.

Dem Rezensenten selbst muß sich im Gegensatz zu Stücken von Ostfront, Rammstein und Co. auch nicht fremdschämen, wenn der Zufallsgenerator im Auto bei weit geöffnetem Fenster und aufgedrehtem Ton einen Song von Eisbrecher ausspuckt. Und genau da liegt der Unterschied zwischen Eisbrecher und den genannten Bands. Es ist eben … bessere Musik. Und es ist eben NICHT peinlich.

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