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Only To Rise

Verehrer der 80er-Jahre Metal- und Hardrockszene aufgepasst: Hier haben sich zwei hochkarätige Musiker aus jener Zeit zusammengetan, um mit ihrer Erfahrung und musikalischer Klasse eine moderne Version alter Qualitäten zu produzieren. Von George Lynch (Dokken, Lynch Mob, KXM) und Michael Sweet (Stryper) ist die Rede – und sie strafen jeden Lügen der behauptet, daß hier zwei gealterte Rockstars belanglose Musik machen, die keiner mehr hören möchte. Sicher. Jeder, der nach den 80ern geboren ist, kennt den typischen 80er-Sound wohl nur als etwas antiquiertes. Glam Metal – wer hört das heute schon noch, in Zeiten von Metalcore und Konsorten? Vielleicht sind es tatsächlich vorwiegend die nostalgisch Veranlagten jenseits der 35, die auf Dokken und Stryper stehen. Aber deswegen diese musikalische Ära an und für sich schlecht zu machen ist ignorant. Vor allem deshalb, weil das hier nicht Poison zu ihren schlimmsten Schmalz-Zeiten ist. Das hier ist melodiöser Rock, wie er im Buche steht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Hier flimmern die Gitarren-Solos von Lynch, hier pitcht die spektakuläre Stimme von Sweet in unerwartete Höhen. Diese beiden Herren sind mit 50 noch lange nicht am Ende mit dem, was sie musikalisch zu sagen haben. Noch. Lange. Nicht.

Bereits mit den Openern ‚The Wish‘ und ‚Dying Rose‘ zeigt vor allem Sweet, daß man ihn noch immer als einer der besten Sänger in der Hardrock-/Classic-Metal-Ecke bezeichnen muß. Letzteres hatte der Stryper-Frontmann schon mit dem hervorragenden letzten Stryper-Album „No More Hell To Pay“ und seinem etwas ruhigeren Solo-Album „I’m Not Your Suicide“ unter Beweis gestellt. Die beiden Songs sind keine Meisterwerke der Innovation – aber es sind Rocksongs mit Power, bodenständig und unprätentiös. Allgemein ist der Sound des von Sweet produzierten Albums kräftig und gleichzeitig transparent. Für die Rhythmusabteilung konnte man mit James LaMenzo (White Lion, Megadeth) am Bass und Brian Tichy (Whitesnake, Billy Idol) am Schlagzeug zwei erfahrene Musiker gewinnen, die der Klasse der beiden Frontmänner durch ihre mehr als soliden Jobs ebenbürtig sind. Kein 80er Jahre-Gedächtnis-Album ohne eine Rock-Ballade. Das ist ungeschriebenes Gesetz. Und bevor jetzt doch wieder die rote Pathos-Gefahr-Alarmlampe blinkt: ‚Love Stays‘ ist weniger kitschig als mancher Song von Bon Jovi. ‚Me Without You‘ sorgt zumindest für Alarmstufe gelb mit seiner Rühseligkeit. Trotzdem ist es eine astrein gemachte Rock-Ballade. Zum Glück geben Sweet und Lynch danach mit ‚Recover‘ wieder Gas. Der Refrain geht ins Ohr und der Stryper-Frontmann lässt wieder seine Stimmbänder schwingen. ‚Recover‘ hat noch mehr Drive und ist mehr Metal als Hardrock. Die Riffs von Lynch sind schön dreckig und harmonieren mit Sweet’s Stimme, die dieses mal eher rauchig daher kommt, ‚September‘ hat dazu einen bluesigen Groove. ‚Strength In Numbers‘ bietet als herausstechendes Merkmal ein Keyboard und der Refrain von ‚Hero-Zero‘ ist die wohl launigste Nummer auf dem Album, den man ungewollt den ganzen Tag vor sich hersummt. Der Titelsong ist mit seinen kantigen Riffs und Lynchs Flinkefinger-Soli ein würdiger Abschluß eines frischen Hardrock-Albums.

Sweet and Lynch bringen mit dem ersten Album ihrer Kollaboration im Kern melodischen Hardrock, mal mit Metal-Touch, mal mit Bon-Jovi-Gedächtnis-Geschmachte. Neben einer stimmigen Produktion legen die Herren den Focus auf ihre Stärken: Launige Gitarrensoli, rockige Riffs, einen beeindruckenden Gesang und ein sehr gutes Gespür für eingängige Melodien. Freunde von Stryper und Dokken werden großen Gefallen finden. Alle anderen ein überdurchschnittlich gelungenes Melodic-Hardrock-Album.

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