Hydrograd
Da hatte ich doch letztens eine interessante Begegnung mit einem bärtigen, Kutte-tragenden Trve-Metaller Anfang 20 – stilecht mit Medieval Steel-Backpatch und Culprit-Shirt. Nach dem üblichen Gefachsimpel kam schließlich die beschämte Bekenntnis, er habe mit Vierzehn noch Stone Sour und Linkin Park gehört. Meine unvorsichtige Bemerkung „das hat doch damals jeder in dem Alter“ traf scheinbar mitten in die geplagte Underground-Supporter-Szene. Besagter, außerordentlich seriöse junge Metalfan begann darauf nämlich mit einer Tirade, daß man das damals ja auch noch hören konnte, aber ab dem zweiten Album alles nur noch Kommerz und supergroßer Mist sei.
Wie so oft hat das weniger mit der Band zu tun, die die Musik macht, sondern mehr mit dem Rezipienten. Natürlich sind Stone Sour – denn um die geht es ja hier – heutzutage nicht „schlechter“ als 2006, als sie mit „Come What(ever) May“ den Sprung in die eigenständige Rockstar-Karriere jenseits des Slipknot-Ablegers schafften. Auch auf „Hydrograd“ gibt es die typische Mischung aus Alternative, Stadionrock-Hymnen, Groove-Metal-Riffs und ein wenig Grunge, blitzsauber produziert und mit eingängigen Hooklines abgeschmeckt. Denn natürlich waren Stone Sour nie eine „reine“ Metal-Band, sondern im Prinzip die Bon Jovi oder Poison der mittleren 00er Jahre. Für viele damals Jugendliche eben auch Einstiegsdroge in die Welt der harten Musik.
Das Problem ist, daß ihr Publikum mittlerweile erwachsen geworden ist, wo Songs wie ‚Fabuless‘ und ‚Whiplash Pants‘ immer noch mit massenweise Schimpfworten die „teenage angst“ beschwören und sich Songs wie ‚Rose Red Violence (This Song Is Dumb And So Am I)‘ immer noch in pubertärem Selbsthass suhlen. Da Stone Sour die Selbstironie eines, um beim Vergleich zu bleiben, Bret Michaels vollkommen abgeht, wirkt die Berufsjugendlichen-Attitude beim 43jährigen Corey Taylor eben nicht mehr unbedingt glaubwürdig – doch die Songs an sich sind nicht mehr oder weniger „gelungen“ als auf den Hitalben. Natürlich, Stone Sour sind „corporate rock“, wie er im Buche steht, aber handwerklich kann man der Band keinerlei Vorwürfe machen. Corey Taylor hat als Sänger einen enormen Wiedererkennungswert, gelegentliche Bratriffs sorgen durchaus für Abwechslung, die Hooklines bleiben alle hängen, ob man will oder nicht – und die Produktion ist natürlich auch perfekt. Mit dem erwähnten ‚Fabuless‘, ‚Thank God It’s Over‘, ‚Mercy‘, dem Titelsong und der Countryballade ‚St Marie‘ sind auch wieder eine Menge sicherer Hits enthalten, die in zukünftigen Toursetlists auftauchen werden. Eben alles beim Alten.
Wer also Stone Sour schon immer mochte, wird auch mit „Hydrograd“ zufrieden sein. Menschen wie meinem oben erwähnten Ex-Fan wird auch „Hydrograd“ wie der Satan im mp3-Format erscheinen – aber das hat nicht mit der Qualität des Dargebotenen zu tun, sondern mit dem Älterwerden der Hörerschicht.