|

Human

Im Jahre 2003 im schwedischen Boras gegründet, haben es Darkwater bisher nie über die Grenzen einer soliden Newcomerband hinaus geschafft. Dabei verfügte bereits ihr Debüt „Calling the Earth to Witness“ (2007) über die ersten musikalischen Funken, die sich aber angesichts grosser Konkurrenz leider nicht zu einem zündenden Feuer auszubreiten vermochten. Mit dem Nachfolgewerk „Where Stories End“ (2010) hielten die Schweden zwar an ihrem Konzept fest, strafften jedoch die Songs. Weniger Komplexität zugunsten besserer Zugänglichkeit sorgte für überzeugte Kritiker. Dann aber wurde es still um die Band. Erst 2018 wurden Stimmen laut, dass sich der Nachfolger durch einen bandinternen Schicksalsschlag verzögert hätte.

Nun melden sich die Mannen mit „Human“ endgültig zurück. Und das neue Album klingt, wie es erwartungsgemäss klingen muss: Unverkennbar nach Darkwater! Klar, dass es in diesem Sektor mit den Norwegern von Circus Maximus, den Landsleuten von Seventh Wonder oder Evergrey mittlerweile gestandene Grössen gibt, mit denen man unvermeidbar in Verbindung gebracht wird. Dennoch haben Darkwater seit jeher ihre eigene Note: Markus Sigfridssons schwere Gitarren kombiniert mit den atmosphärischen, streckenweise hypnotischen Keyboards von Magnus Holmberg. Henrik Baths charakteristische Stimme, die in gewissen Stimmlagen zuweilen etwas an Roy Khan erinnert. Und nicht zu vergessen die präzise Rhythmusfraktion Simon Andersson und Tobias Enbert, die jeder Stimmung den passenden Pulsschlag verleihen.

Und Stimmung ist genau das richtige Stichwort, wenn es darum geht, das neue Darkwater-Album zusammenzufassen. Denn vom ersten Ton an ist klar, dass „Human“ kein Fastfood-Album ist. Vielmehr widmen sich die Herren ihrem beliebten und bereits auf den Vorgängeralben verwendeten Konzept: Dem Umgang mit den Schattenseiten des Lebens. Und diesen Emotionen die entsprechende musikalische Stimmung zu verleihen, ist eine Fähigkeit, die Darkwater vorbildlich umsetzen.

Somit orientiert sich das neue Material eher wieder am Erstling, was sich vorab bereits an der jeweiligen Songlänge ablesen lässt: Zu einer Gesamtspieldauer von 76 Minuten summiert sich die Playlist zu einem echten Brocken. Die Vorabsingle ‚Alive‘ bekräftigt dann die Zahlen mit vielschichtigen Strukturen und mit mehr Weile statt Eile im Stimmungsaufbau. Und damit ist der Grundtenor des gesamten Albums gegeben: Erinnert ‚Insomnia‘ noch am ehesten an das griffige Vorgängeralbum „Where Stories End“, so bildet dieser auf „Human“ zusammen mit den restlichen Songs eine akustische Odyssee, auf die man sich idealerweise mittels eines guten Kopfhörers begibt.

‚Reflection Of A Mind‘ oder ‚Turning Pages zeugen von unglaublicher Reife, die in minuziöser Arbeit zu einem musikalischen Monument arrangiert wurden. Und hat man sich einmal auch inhaltlich auf die seelischen Auseinandersetzungen eingelassen, so geht beim Schlusstrack ‚Light of Dawn‘ im wahrsten Sinne die Sonne auf. „Human“ ist feinfühlig geschrieben, akkurat komponiert, kompromisslos bis an die Grenzen ausgelotet und wuchtig produziert. Eine moderne Metalsymphonie, die sich keineswegs hinter Genrekollegen und sogar -klassikern zu verstecken braucht. Unter der grossen Konkurrenz ein vielleicht kleines und unscheinbares, aber unverwüstliches Juwel. Uneingeschränkte, volle Punktzahl!

(geschrieben von Rosario Fazio)

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar