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Dark Bird Is Home

Wettergegerbt seien die Songs des Tallest Man On Earth, hätten Schmutz und Sand abbekommen, bewirbt der offizielle Infotext ebendessen viertes Album, liegt aber damit nicht ganz richtig. Beziehungsweise: nicht mehr ganz richtig, denn die Diskographie des kurzen Schweden hat verwegenere Tage gesehen. Mit dem letzten Album, ‚There’s No Leaving Now‘, ging 2012 eine gewisse Säuberung des Sounds einher und eine Epoche demonstrativ nachlässigen Produzierens zu Ende: Die Akustikgitarre klang weniger borstig, der einst so herbe Gesang an den entscheidenden Ecken eine Spur runder, die weiß rauschenden Fugen hatte man mit gefälligem Studiosound zugekehrt.

‚Dark Bird Is Home‘ spinnt den Ansatz der milden Würzung noch ein wenig weiter. Weit genug zumindest, um Kristian Matsson eine Tour mit Band zu erlauben – auch wenn der Man sich weiterhin hütet, allzu sehr danach zu klingen. Das sollen andere tun; Matssons Ding bleibt dieses ihm eigene, zwischen geknicktem Jammer und fiebriger Euphorie pendelnde oder gar vermittelnde Fingerpicking des Einsamen. Diese Intimität, die man am besten gar niemals nie durch ein Schlagzeug ruiniert, wie es im letzten und titelgebenden Stück dieses Albums dann geschieht.

Der nahende Sommer ist Matssons Verbündeter, man spielt sich wechselseitig in die Karten. Die neuen Songs fordern mehr noch als die alten, spazieren gefahren zu werden – vorzugsweise in den Sonnenuntergang, bis sie sich irgendwann von den Grillen ablösen lassen und einem ein ähnlich befreiter Seufzer über die Lippen kommt wie jener, der dem 1,70-Meter-Giganten in ‚Singers‘ entfleucht. Man ahnt es schon: ‚Dark Bird Is Home‘ ist auch die am wenigsten verkniffene Platte des schwedischen Dylan-Andeuters – jedenfalls musikalisch gesehen. Dass ein Song wie ‚Slowdance‘ sich in aufreizend schlingerndem Getwiste seinem Schicksal entzieht, spricht Bände. Dass The Tallest Man On Earth hier zum ersten Mal überhaupt die 5-Minuten-Grenze sprengt – und das gleich dreimal! -, allerdings auch: Er hätte sich gern auch weiterhin kurz fassen können. Es stand ihm doch immer so gut.

‚Little Nowhere Towns‘ lässt den Piano-Song Tradition werden, reicht in seiner Harmlosigkeit aber nicht an das großartige Titelstück der letzten Platte heran. In ‚Sagres‘ und ‚Seventeen‘ klingt es zeitweise, als überhebe sich Matsson am Falsett. Beides ist nicht weiter schlimm. Schlimm wäre, wenn Kristian Matsson es jetzt mit dem Band-Gedöns übertreiben und sein Publikum sich in der Folge zum Mitklatschen (je nach Hörertyp) animiert, genötigt, herausgefordert fühlen würde. Was nicht ganz auszuschließen ist, aber hoffentlich weder auf der kommenden Tour noch überhaupt irgendwann in der Zukunft geschehen wird. Es stünde ihm einfach nicht.

Während überambitionierte Kollegen auf der Suche nach dem großen Coup über die eigenen Füße stolpern, spielt Matsson seine Songs, wie sie kommen und vertieft in aller Ruhe das Profil des folky Singer-Songwriters von nebenan. Ein gutes Stück vom Maß der Dinge okkupiert er obendrein – trotz offener Karten, trotz Begleitung, trotz möglicherweise unliebsamer Aufweichung seiner Prinzipien. Und eines ist er sicherlich: der tollste Mann der Erde. Nur jetzt halt auch für Einsteiger.

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