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Coral Island

Die Corona-Pandemie hat den Musikern und Fans viel genommen. Fehlende Live-Konzerte und persönliche Begegnungen sind da nur die offensichtlichste Lücke, die – vorübergehend – gerissen wurde. Mit einem Jahr Lockdown hinter uns und einem langsam heller werdenden Licht am Ende des Tunnels wird aber immer deutlicher, dass uns auch etwas gegeben wurde: Zeit. Zeit für uns selbst und für das, was wir lieben und sonst vernachlässigen müssen. Typische Lockdown-Alben sind nicht nur kontemplativ und introvertiert. Sie sind häufig auch lang und mit einem gut durchdachten Konzept ausgestattet.

„Coral Island“ (Run On Records) von The Coral ist so ein Konzeptalbum, in dem viel Arbeit und Zeit steckt. Es ist eine Art Hör-Musical und versetzt uns in das fröhlich-unbeschwerte Leben auf besagter Insel. Ein Erzähler führt in altmodischem Englisch und malerischer Sprache durch eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Weniger als ein Doppelalbum hätte es nicht sein können, dieses zehnte Werk der Band aus Merseyside im Nordwesten Englands. Es scheint die Unsitten der Vor-Corona-Welt überwinden zu wollen, in der Rockalben in der Regel kaum noch länger als eine halbe Stunde sind.

Mit leichtfüßigen Surf-Melodien, einem behaglichen Retro-Sound und einer blunigen Sprache ist das Album nur auf den ersten Blick leicht verdaulich. Der Psychedelic-Pop der Briten ist bewusst altmodisch aber nicht altbacken. The Coral beschwören eine Welt, die es lange nicht mehr gibt. Bar, Jukebox, Petticoats, Amüsierbetriebe, alles analog und in entschleunigtem Tempo – „the golden age has yet begun“. In allem schwingt die Melancholie des nahegelegenen Meeres mit. „Coral Island“ ist schwerst nostalgisch, aber nicht weinerlich. Ein bisschen zu sorglos vielleicht, aber so ist gelungenes Entertainment oft.

Es braucht Ruhe und Zeit, sich einem solchen Album zu widmen. Damit kehrt aber ein bisschen mehr Kunst ins Geschäft zurück Hier wird von der Hörerschaft mal wieder etwas gefordert – eben nicht nur ganze 54 Minuten seiner Zeit, sondern auch Aufmerksamkeit und vor allem die Phantasie, sich auf dieses Kopfkino-Erlebnis einzulassen. Dafür wird den Hörer*innen freilich auch etwas gegeben: gut durchdachte Unterhaltung nämlich und ein sinnliches Erlebnis, das eine längere Halbwertzeit hat als so viele andere, auf die Schnelle produzierte Erzeugnisse der Musikindustrie.

 

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Wagmüller PR

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