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Amon Amarth mit Magiern und der Bruderschaft der Schlange

Bereits um 19 Uhr ging’s mit Grand Magus los – bedauerlicherweise hatten viele den Weg noch nicht in die ehemalige Industriehalle des Komplex unweit des Letzigrund-Stadions gefunden. Ob der berühmt-berüchtigte Berufsverkehr in der Schweizer Metropole oder das relative Desinteresse der Amon-Amarth-Jünger der Grund dafür waren, wird wohl für immer im Wikinger-Schlachtennebel verborgen bleiben. Sollte letzteres der Grund gewesen sein, dann muss jetzt an dieser Stelle einfach ein kritischer Einschub kommen. Denn erstens weiss ja jeder noch so grüne Fantasy-Nerd, dass im heldenhaften Schlachtengetümmel noch keinem Krieger die Begleitung eines Magiers geschadet hat. Zweitens sind doch auch Themen und Attitüde ganz ähnlich wie bei den Nordmännern vom Schicksalsberg. Und der dritte und wichtigste Punkt: Grand Magus sind schlicht in vielerlei Hinsicht die Essenz einer Metal-Band.

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Und genau das lieferte das spielfreudige Trio um Frontmann JB Christoffersson auch. Sieben melodische Riffmonster von Songs in einer guten halben Stunde! Man mag den Stil der Band als „simpel“ kritisieren – egal. Denn Grand Magus haben einfach das gewisse Etwas: Coole Hooks, tolle Riffs, die prägnante Stimme von Christoffersson und ganz, ganz viel Feeling irgendwo zwischen Metal, Doom und Blues. ‚Sword of the Ocean‘, ‚Steel versus Steel‘ und der ‚Hammer of the North‘ wurden da mit wohligem Pathos besungen, und mit ‚Varangian‘ war auch ein Titel vom neuen Album „Sword Songs“ dabei. Da hörte man Judas Priest, Rainbow, Manowar und hier und da tropfte eine Nostalgie-Träne in einen den einen oder anderen mächtigen Bart im Publikum.

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Die Bay-Area-Thrasher Testament haben nach dem hervorragenden (und sehr erfolgreichen) „Dark Roots of Earth“ (2012) erst vor wenigen Wochen ihr elftes Studioalbum „The Brotherhood of the Snake“ veröffentlicht. Wer es bereits kannte, wusste, was ihn an diesem Abend erwarten würde: Eine Bruderschaft, die noch lange nicht zu alten Eisen gehört. Ganz im Gegenteil: Hauptsongwriter und Gründungsmitglied Eric Peterson scheint wohl gerade so etwas wie einen zweiten (oder dritten?) Frühling durchzumachen. Das neue Album bietet 1a-Voll-auf-die-Fresse-Thrashmetal, der 2016 in punkto Härte eher in die Richtung von Slayer oder Kreator geht. Genau das zogen Testament dann während 45 Minuten auch auf der Zürcher Bühne ab. Dementsprechend ruppig legte Frontmann Chuck Billy mit dem fiesen Growl des Titelsongs vom neuen Albums los, während Drummer Gene Hoglan mit durchgedrücktem Gaspedal sein Instrument malträtierte. ‚Rise Up‘ ist mit seinem einfachen Chorus DIE Mitsing-Thrash-Hymne: „When I say rise up – You say War!“ Noch Fragen? Das Zürcher Publikum sang verzückt mit, und wie! Der grosse Saal des inzwischen enggepackten Komplex Clubs bestand schon zum zweiten Song aus einem schieren Meer aus emporgereckten Pommesgabeln.

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Mit ‚The Pale King‘ folgte dann der dritte Kracher, nicht ganz so derbe und schnell und eher groovig, aber nicht weniger energiegeladen. Doch auch die Fans der frühen Stunde sollten nicht enttäuscht werden. Mit ‚Disciples of the Watch‘ hatten die fünf Herren als nächstes eines ihrer beliebtesten Lieder aus der frühen Phase im Programm, direkt im Anschluss zockten Testament den Titelsong vom gleichen Album: ‚The New Order‘. Während der ganzen Zeit war jedes einzelne der Bandmitglieder, die alle die 50 Lenze bereits überschritten haben, mit einer unglaublichen Energie und Bewegungsfreude am Start. Hoglan ging hinter seiner Schiessbude ab, Skolnick, Peterson und DiGiorgio plagten mit flinken Fingern fachmännisch ihre Instrumente.

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Aber niemand spielte mehr (Luft)gitarre als Chuck Billy auf seinem besonderen Mikrofonhalter. Nämlich quasi immer dann, wenn der gute Mann nicht am Singen war. ‚Dark Roots of Earth‘ durfte ebenfalls nicht fehlen, schliesslich war das gleichnamige Album vor vier Jahren in den Top Ten der Schweizer Albumcharts vertreten. Nach der atmosphärischen Midtempo-Nummer wurde dann mit ‚Stronghold‘, dem dritten Titel von der neuesten Scheibe, wieder ein Zacken an Tempo zugelegt. Beste Speed-Metal-Laune verbreiteten die Amerikaner ohnehin während des ganzen rund 45minütigen Auftritts, inklusive dem Band-Hit ‚Into The Pit‘.amon_amarth_heeg.jpg

Und dann kamen die Wikinger an Bord des „Schiffes“. Leder, Bärte und Runen sollten die nächsten gut eineinhalb Stunden regieren – bei siebzehn Liedern von Schlachten, Blut, Wölfen, Riesen und Göttern. Amon Amarth sprechen mit ihrem Image vor allem Männer an und sind ein klassisches Beispiel für Musiker als Projektionsfläche für Abenteuer. Es soll aber auch in Zürich vereinzelt Volk ohne Bart gesichtet worden sein. Auf der Bühne waren natürlich Bärte und lange Haare in der Überzahl mit Frontmann Johann Hegg als demjenigen, der es versteht, selbst seinen Rauschebart beim Headbangen kreisen zu lassen. Die Bühne erschien wie auch schon bei vergangenen Tourneen imposant, das Schlagzeug erhöht in Form eines Winkingerhelmes mit riesigen Hörnern und einem Jomsviking-Backdrop in Überlebensgrösse. Egal, ob Wikinger tatsächlich je Hörner an ihren Helmen hatten, es sah tierisch gut aus. Der neue Drummer Jocke Wallgren dürfte sich auf dieser exponierten Position jedenfalls wie ein echter Wikinger-König gefühlt haben.
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Das launig-einprägsame Riff von ‚The Pursuit of Vikings‘ markierte den Auftakt des Auftritts, bevor Hegg nach einem weiteren Song das Publikum auf Deutsch begrüsste und einen vielversprechenden Abend ankündigte. ‚First Kill‘ ist der Auftakt der Geschichte, die das aktuelle Werk „Jomsviking“ erzählt. Treibend, hart und – sorry – episch, wie sich das für eine melodische Death-Metal-Band aus Schweden gehört, steht der Song für das ganze Album. Das erste Konzeptalbum der Band zeigt die Schweden nach gut 20 Jahren Bandgeschichte auch auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. In Deutschland und Österreich stand das mehr von „klassischem Metal“ geprägte „Jomsviking“ auf Platz 1, bei den Eidgenossen immerhin auf 4 der Charts. Doch der Abend sollte weiterhin im Zeichen der härteren Klänge stehen, so wie bei ‚Deveiver of the Gods‘ vom gleichnamigen Album von 2013, das neben Heggs tiefen Growls auch scharfkantige Riffs und knüppeldicke Todesdrums aufbot. Als appetitliche Showeinlage gab es einen „waschechten“ Wikingerkampf auf der Bühne zu erleben, inklusive Schwerter, Schilder, prahlender Nordmänner und einem heimtückischen Gegenangriff.

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Im Publikum wurde gejubelt, geklatscht, gemosht und heldenhaft die Fäuste zum Himmel gestreckt, dass es die wahre Freude war. Stellt sich die Frage: Können solche harten Gestalten auf und vor der Bühne auch mit einer Ballade umgehen? Antwort: Ja, wenn der Text von Heggs rumpelndem Bass geliefert wird, dann ist das in Ordnung. ‚One Thousand Buring Arrows‘ ist auch genau das. Eine Melodic-Death-Metal-Ballade. Leichter lässt sich das natürlich verkraften, wenn anschliessend wieder härtere Kost gereicht wird. ‚War of the Gods‘ vom dem mythischen Feuerriesen Surtr gewidmeten Helden des Ragnarök auf „Surtur Rising“ zum Beispiel. Obwohl der explosive Song bereits das Ende des offiziellen Sets markierte, durften sich die eidgenössischen Wikinger noch auf drei Zugaben freuen.

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Und was eignet sich besser für den Abschied, als noch einmal die Hörner voller Met gemeinsam zu erheben? ‚Raise Your Horns‘ sang Hegg, und natürlich erhob der Frontmann auch selbst das imposante Horn an seinem Gürtel. Den endgültigen Schlusspunkt eines schweissgetränkten Metal-Abends setzten die Songs ‚Guardians of Asgaard‘ und ‚Twilight of the Thunder God‘ um die epische Schlacht zwischen Thor und der mächtigen Midgardschlange. Das Bier war wie der Schweiss der begeisterten Zuschauer und wie der Met in den Liedern geflossen an diesem Mittwochabend in Zürich. Auf weitere Schlachten in der Zukunft!

Setliste Amon Amarth (CH-Zürich, Komplex 457, 16.11.2016)

The Pursuit of Vikings
As Loke Falls
First Kill
The Way of Vikings
At Dawn’s First Light
Cry of the Black Birds
Deceiver of the Gods
On a Sea of Blood
Destroyer of the Universe
Death in Fire
One Thousand Burning Arrows
Father of the Wolf
Runes to My Memory
War of the Gods

Zugaben:
Raise Your Horns
Guardians of Asgaard
Twilight of the Thunder God

(Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Martin Rahn).

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