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The Small Hours

Matt Berry ist eigentlich viel zu talentiert, als daß man ihn als Normalsterblicher überhaupt mögen dürfte. Ein mit allen Wassern gewaschener Multiinstrumentalist, Sänger und Songwriter, der seine Musik auch noch selbst produziert – und davon abgesehen ist die noch nicht einmal sein Hauptjob. In seiner Heimat Großbritannien ist Matt nämlich hauptsächlich als Comedian und Schauspieler bekannt, eine Tätigkeit, für die er unter anderem bereits einen BAFTA abräumen konnte. Darüber hinaus ist er – natürlich! – auch noch Drehbuchautor, Synchronsprecher und Produzent seiner eigenen TV-Projekte, und, nicht zu vergessen, ein talentierter Maler. Josh Homme ist bekennender Fan seiner Musik, und Steven Wilson hat ihn eingeladen, seine Jubiläumsgigs in der Royal Albert Hall zu eröffnen. Schön, daß sein mittlerweile fünftes Studioalbum „The Small Hours“ nun erstmals auch ganz offiziell seinen Weg in deutsche Plattenläden findet.

Berrys Musik bedient sich zumeist dem groovigen Sound der Swinging Sixties, gewürzt mit psychedelischem Folkpop, jazziger Eleganz und einem Schuß frühen Progressive Rock. Das könnte in der Theorie freilich tierisch in die Hose gehen, tut es aber dank Berrys Gespür für Ohrwurmmelodien und kompakte Arrangements zu keiner Sekunde. Auf „The Small Hours“ zeigt sich Berry musikalisch wie textlich diesmal ganz bewußt eher von seiner „nackten“, privaten Seite. Laut eigener Aussage bezieht sich der Titel des Albums auf die späten Nacht- und frühen Morgenstunden, in denen man mit seinen eigenen dunklen Gedanken ringt.

Das bedeutet nun nicht, daß Berry plötzlich zum Depressiven oder gar zum Predigen tendiert. Die Musik ist diesmal zwar fast durchgehend in leichte Melancholie getränkt, kommt aber dank einer entspannten jazzigen Schlagseite trotzdem mit einer Leichtigkeit, die niemals herunterzieht, sondern stets Hoffnung verspricht. Berry selbst nennt unter anderem Fleetwood Macs „Rumours“ als Anhaltspunkt, und das kann man durchaus so stehenlassen. Wo das atmosphärische ‚Seasons On Fire‘ oder der Titelsong auch musikalisch klar dunkler tönen als die Vorgänger, sind z.B. die Single ‚The Peach & The Melon‘, ‚Gone For Good‘, ‚Lord Above‘ oder ‚Wounded Heart‘ trotz düsterer Textinhalte musikalisch betrachtet echte Feelgood-Songs mit sofortiger Ohrwurmgarantie. Mit dem zehnminütigen Herzstück des Albums, dem Instrumental ‚Night Terrors‘, wildert Berry einmal mehr in jazzigen Prog-Gefilden, mit Anleihen an Zappa, Caravan und die frühen King Crimson. Die Basic Tracks des Albums wurden mit seiner Band „The Maypoles“ live aufgenommen, mit einem sechzig Jahre alten Mischpult aus dem Bestand der Decca-Studios – und natürlich Matts persönlicher Sammlung alter Analogsynthies. Das klingt warm, organisch, lebendig und sympathisch, genau das richtige Gegenmittel zum musikalischen Fastfood, das dem Musikhörer viel zu oft vorgesetzt wird.

Wer also seinen Pop nicht flach und stromlinienförmig mag oder umgekehrt seine unkommerzielle Musik nicht ohne Melodien genießen möchte, sollte „The Small Hours“ und Matt Berry auf jeden Fall auf seine Einkaufsliste setzen. Hier wartet ein großartiger Musiker darauf, von Euch entdeckt zu werden.

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