If I’m The Devil
letlive. ist schon eine Wundertüte. Wenn man beschreiben soll, was das eigentlich so für Musik ist, muss man schon ziemlich grübeln und kommt selbst dann nur zu Vergleichen, die aberwitzig erscheinen. Oft wird die Band nämlich mit Post-Hardcore in Verbindung gebracht. Aus Unbeholfenheit, denn wer weiß heutzutage schon genau, was Port-Hardcore ist? Ebenso gut kann man letlive. auch als Rockband bezeichnen. Das ist sogar treffender, wenn auch nicht wirklich präzise. Auch auf ihrem neuesten Werk beweisen sie mal wieder, das sie weder Fleisch noch Fisch sind. Vielleicht eher Kartoffeln. Mit denen kann man nämlich so viel machen. Lasst mich das kurz erklären: In den Songs auf ‚If I’m The Devil‘ steckt epischer Rock, grooviger Soul, leichter Pop und brachialer Hardcore, und das zu etwa gleichen Teilen.
Schon der Opener ‚I’ve Learned To Love Myself‘ gibt die Marschroute vor: ruhig und spannend, bis der große Knall kommt. Dann wird jedoch nicht wild drauf los gedrescht. Die aufgebaute Energie wird sparsam und kontrolliert herausgelassen. Sänger Jason Aalon Butler, der vom Kerrang!-Magazin 2011 zum Rockstar des Jahres gewählt wurde, baut eine fast musicalmäßige Atmosphäre auf. Kaum ein anderer Rocksänger der heutigen Zeit hat seine Stimme so unter Kontrolle, wie er. Von sanften Balladenparts bis hin zur Rockröhre beherrscht er nahezu alles.Er trägt jeden einzelnen Song der Platte, die um einiges poppiger geworden ist, als die Vorgänger. ‚Nü Romantics‘ beginnt wie ein Indie-Pop-Song und entwickelt sich bald zur epischen Rockhymne, die auch einer Band wie Fall Out Boy gut zu Gesicht stehen würde.. Überhaupt ist diese Band ein guter Vergleich, denn es entsteht der Eindruck, als würden letlive. das schaffen, was Fall Out Boy immer wollten: funkigen Rock’n’Roll mit harter Kante.
letlive. sind also die besseren Fall Out Boy? Ja, aber eben nicht nur das. Die erste Singleauskopplung ‚Good Mourning, America‘ ist ein Geniestreich. Der Song ist spannend, rockig und auch poppig. Michael Jackson persönlich hätte sich eine Träne hier nicht verkneifen können. Das Album macht Spaß, wenn man sich erstmal an die poppigen Rocvksongs gewöhnt hat und nicht mehr bockig ist, weil letlive. wohl nun Mainstream werden.
Einzige Schwäche von ‚If I’m The Devil‘ ist das Ende. Bei ‚Copper Coloured Quiet‘ übertreiben die Herren es nämlich ein wenig mit der Popschiene. Statischer, elektronischer Beat und ein immer wieder auftauchendes ‚Yeah‘ im Hintergrund, das an Nerv-Schnulze ‚Apologize‘ von One Republic erinnert. Nichts gegen One Republic, die großartige Songs schreiben. Dennoch sind letlive. in dieser Schublade fehl am Platz, denn ihre Stärken liegen klar woanders, im Rock, im Fabrizieren von Hymnen, im Rockstar-Darsein, im Anderssein.