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Ghostlights

Manche Neuerscheinungen zeichnen sich durch die vielen Überraschungen aus, die man erlebt, wenn man zum ersten Mal in aller Ruhe dem Album lauschen kann. Stilwechsel, komplett anderes Songwriting, neue Arrangements, Experimente. Das trifft alles auf Tobias Sammet und sein Projekt Avantasia nicht zu – aber damit hat auch niemand wirklich gerechnet. Im Prinzip klingt „Ghostlights“ genau wie der Vorgänger „The Mystery Of Time“. Wer mit einem leichten Déjà-vu-Erlebnis leben kann, wird mit zwölf eingängigen Power-Metal-Krachern belohnt, die sich überwiegend schon beim ersten Durchgang im Gehörgang festsetzen, wie zum Beispiel der Opener ‚Mystery Of A Blood Red Rose‘. Mit diesem Track möchte Tobias Sammet gerne am Eurovision Song Contest teilnehmen. Chancen auf den Sieg hätte der Song garantiert. In bester Jim-Steinman-Tradition wird hier gleich zu Beginn eine melodische Hookline vom Allerfeinsten geliefert. Wie gesagt, nicht wirklich innovativ oder überraschend, aber grundsolide.

Wer es nicht schon vorher gelesen hat, kann ja das Booklet geschlossen lassen und sich zumindest durch die Gastmusiker überraschen lassen. Geoff Tate, Dee Snider und die Symphonic Metaller von Within Temptation und Nightwish – vertreten durch Sharon Den Adel und Marco Hietala – sind diesmal mit an Bord, wenn Avantasia wieder einmal gekonnt mit über die sieben Metal-Meere segelt. Natürlich sind auch die alten Avantasia-Urgesteine Bob Catley, Jorn Lande und Michael Kiske wieder mit von der Partie. Erstaunlich, wie Sammet es nicht nur schafft, immer wieder Ohrwürmer zu erschaffen. Nein, das wirklich Bemerkenswerte ist ja, dass er den Gastsängern Songs auf den Leib geschrieben hat, die wirklich zu ihnen passen. Wenn man sich das episch-düstere, ja schon fast progressive ‚Let The Storm Descend Upon You‘ anhört, auf dem Geoff Tate eine grandiose stimmliche Leistung abgibt, hört sich das wirklich nach altem Queensryche Material an und ist um Längen besser als das, was Tate zuletzt mit Operation: Mindcrime verzapft hat.

Im Gegensatz zum Vorgängeralbum zieht „Ghostlights“ bei einigen Songs den Härtegrad etwas an und schraubt dafür den Bombast zurück. Orchestrale Unterstützung gibt es nur bei den Balladen – hier ist insbesondere das geniale Duo ‚Lucifer‘ zu nennen, bei dem sich Tobias Sammet und Jorn Lande gegenseitig zu Höchstleistungen anspornen. Einzig der von Sharon Den Adel interpretierte Song ‚Isle Of Evermore‘ versinkt in der Belanglosigkeit.

Was bleibt sind 75 Minuten Gute-Laune-Metal mit sehr hohem Wiedererkennungswert. Manchmal reicht das schon. Beim Songtitel ‚Draconian Love‘ hätte man übrigens mit allem gerechnet: Metal, Power oder vielleicht sogar Gothic. Aber wohl kaum mit Abba-esquen Chören und quietschfidelen Pop-Sounds. Und damit überrascht Avantasia dann doch irgendwie.

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