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A Stones Throw From The Line

Ein Livealbum von Big Big Train ist eine an sich schon bemerkenswerte Sache. Denn die Band hat außer bei den drei London-Shows, die für „A Stone’s Throw From The Line“ verwendet wurden, in den letzten 18 Jahren nicht einmal auf einer Bühne gestanden. Das lag daran, daß Big Big Train früher eher ein Studioprojekt von Andy Poole (gtr) und Greg Spawton (bs) waren als eine richtige Band im traditionellen Sinne.

Nun, das hat sich seit 2009 ja zumindest ein Stück weit verändert, Dave Longdon, Nick D’Virgilio (ex-Spock’s Beard) und Dave Gregory (ex-XTC) sind mittlerweile feste Mitglieder und haben auch ihre Spuren auf den letzten Alben mehr als deutlich hinterlassen. So ist es auch irgendwo folgerichtig, daß „A Stone’s Throm From The Line“ fast ausschließlich Songs aus der jüngeren Vergangenheit enthält – lediglich das noch aus Demo-Zeiten stammende ‚Kingmaker‘ vertritt die Frühphase der Band. Für die, die Big Big Train noch nicht kennen, heißt das: klassischer Prog mit Siebziger-Flair, vollkommen ohne Metal-Riffs und Tool-Rhythmik, dafür mit ganz deutlichen Anleihen an Genesis und die Soloalben von Peter Gabriel (inklusive gelegentlicher World Music-Anleihen) und Steve Hackett. Die werden natürlich noch verstärkt von der Tatsache, daß Frontmann Longdon stimmlich ziemlich verblüffend exakt wie besagter Gabriel klingt und auch noch dazu Flöte spielt.

Um einen puren Klon handelt es sich aber bei Big Big Train auf keinen Fall. Die immer wieder auftauchenden Folkrock-Klänge, zum Beispiel bei ‚Make Some Noise‘ oder ‚Hedgerow‘ erinnern eher an die Byrds oder Lindisfarne als an typisches Prog-Futter, und Dave Gregorys Beatles-mäßige Gitarrenarbeit ist soweit vom Prog-Frickelklischee entfernt, wie sie es nur sein kann. Man höre nur das leicht Tears For Fears-mäßige ‚Wassail‘, das mit Violine, knackigen E-Gitarren, Bläsern und eingängigem Refrain zu den absoluten Highlights des Doppeldeckers zählt. Auch die genialen mehrstimmigen Gesangsharmonien auf Eagles– oder Crosby, Stills & Nash-Niveau macht ihnen so schnell eh keiner nach. Die Band besteht ja im Moment aus acht (!) Musikern (dazu kommen noch besagte Bläser!), die es tatsächlich schaffen, sich nicht im Weg zu stehen, sondern kongenial miteinander zu arbeiten. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Egos an der Tür abgegeben werden und der Song im Vordergrund steht. Auch hier punktet „A Stones Throw From The Line“ auf ganzer, äh, Linie. Jeder bekommt seinen Moment, und die ganze Performance wirkt wie aus einem Guss. Dazu passt auch der Sound, warm, dynamisch, nicht überkomprimiert und dennoch schön satt.

Vor allem aber schaffen es Big Big Train, mit ihrer Mucke ein entspanntes, wohlig-warmes Gefühl zu vermitteln, das einfach gute Laune macht. Gerade heute, wo im Prog ja hauptsächlich mit Depressionen und Düsterniss hausiert wird, kommt eine Band, die die komplette Farbpalette ausnutzt umso willkommener und wirkt in jedem Fall eigenständiger und origineller als der drölfzigste monochrome Pain Of Salvation– oder Opeth-Klon.

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