|

Tired Of Tomorrow

Was das Leben doch für Kapriolen schlägt! Wer würde bei den verträumten Melodien von Nothing vermuten, dass Sänger und Bandleader Domenic Palermo einige Zeit im Knast verbracht hat, weil er jemanden niedergestochen hat? Sicher, Shoegaze wird voranging von Menschen gemacht und wohl auch gehört, die es im Leben nicht leicht haben und für den täglichen Existenzkampf nicht geschaffen sind. Dass ihnen gerade Musik hilft, ihren Platz in diesem Dasein zu finden, dafür ist Palermo das beste Beispiel. Nach seinen Gewalterfahrungen sagte er seinem bisherigen Hardcore-Punk-Projekt namens Horror Show Adieu, setzt auf ausladende, entrückten Melodien und widmet das neue, zweite Nothing-Album dem… Leben. ‚Whatever it is.‘

Seinen Vorstellungen, was genau dieses Leben ist, gibt Palermo auf ‚Tired Of Tomorrow‘ freilich vielfältig Ausdruck:

‚I’m living in a dream world / Life’s a nightmare / And I don’t ever wanna wake‘

(‚Nineteen Ninety Heaven‘). Die Musik dazu klingt wie das genaue Gegenteil. Schon ‚The Dead Are Dumb‘ schraubt sich in himmlische Höhen und mit ‚ACD‘ durchlebt der Hörer ganz traumhafte Melodie-Momente.

Fans des ersten Albums ‚Guilty Of Everything‘ werden womöglich finden, dass Nothing erst mit diesem vierten Song zu den Qualitäten ihres Debüts zurückfinden. Tatsächlich ist ‚Tired Of Everything‘ an dieser Stelle schon auf seinem Noise-Gipfel. Zwar gibt es mit ‚Everyone Is Happy‘ nochmal einen schwelgerischen Höhepunkt; den restlichen Songs hat Palermo aber zu wenig zugemutet. Er verlässt sich auf Klargitarren, eher konventionelle Beats und den unvermeidlichen Hall und geht sparsam mit Verzerrungen und Noise-Elementen um.

Diese Zaghaftigkeit hat zur Folge, dass es dem Album im Verlauf ein wenig an Tiefe fehlt. Die zweite Hälfte zieht sich in die Länge und hält keine Überraschungen bereit. Passend zur Textpassage

‚And isn’t it such a shame / Too heavy for the lightness / But weightless in the rain‘

(‚The Dead Are Dumb‘), möchte man meinen. Mit dem Titeltrack schließt letztlich eine recht kitschige Piano-Streicher-Ballade das Album ab und sorgt für ein etwas abruptes Ende des ganzen Traumes namens ‚Tired Of Tomorrow‘.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar