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Hiraeth

Wenn man die Schlagworte „Progressive Rock“ und „Polen“ hört, denkt zumindest der Kenner direkt an Riverside. Die Herren um Bandleader Mariusz Duda haben ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Im September kam das tolle Album „Love, Fear & the Time Machine“, im November die zugehörige Europa-Tour. Auf der waren Lion Shepherd, ebenfalls aus Warschau, die heimlichen Stars. Klar hatte man erwartet, daß Duda einen geschmackvollen Support-Act auswählt. Doch die Löwenschäfer überraschten dann doch nicht wenige mit ihrem klasse Mix aus Progressive Rock und World Music. Unmittelbar nach Ende der Tour mit Riverside erschien „Hiraeth“, das erste Album der neuen Band. Obwohl Debütalbum, sind die Künstler hinter Lion Shepherd (der Bandname beruht auf einer Parabel von Äsop) erfahrene Musiker. Neben den beiden Hauptpersonen Kamil Haidar (Gesang) und Mateusz Owczarek (Gitarren) sind auf dem Album auch Musiker aus dem Nahen Osten zu hören, die an den traditionellen Instrumenten wie Oud, Santur und orientalischen Perkussionsinstrumenten ihrer Heimatländer reüssieren.

Bereits der Opener ‚Fly On‘ lässt diese Instrumente in ihrer ganzen Vierlfalt hören, mit ihren einzigartigen Klangfarben und dem orientalischen Gesang assoziiert man unmittelbar Sonne, Sand und einen zum Gebet rufenden Muezzin. Nach treibenden Trommeln streut Owczarek dann erstmals rockige Gitarrenriffs und Soli ein. Der Mix ist atemberaubend schön. ‚Lights Out‘ vereinigt Trance- und World-Elemente in einem meditativen Klangerlebnis. ‚Brave New World‘ legt bluesigen Rock als Grundrezeptur, die Stimmung und der Gesang erinnern an die Buddies von Riverside, doch auch hier dudelt im Hintergrund betörend ein orientalisches Saiteninstrument zu den Trommeln. Das wunderbolle an diesem Debütalbum ist, dass es sich nicht nur alleine auf die Vermählung von Rockmusik mit Nahost-Klängen verlässt, sondern viel anderem Raum gibt: Mal geht es bluesig-folkig wie in ‚I’m Open‘ zu, ‚Wander‘ ist eine sehr stille, aber sehr feine Folkrock-Ballade, die durch minimalistische Instrumentierung besticht. ‚Smell of War’eröffnet mit exotisch-orientalischen Gesang und steuert wie bereits der Opener auf rockige Screams und Gitarren zu, die dem ganzen Song einen völlig neuen Dreh geben.

Dieses Album ist eine erstaunliche Brücke zwischen West und Ost. Polen hat mit Lion Shepherd definitiv einen vielversprechenden Nachwuchs-Primus in der anspruchsvollen Rockmusik zu verzeichnen. Auch wenn orientalische Klänge in der Rockmusik bisher eher aus Nahost nach Europa exportiert wurden (Orphaned Land oder deren ehemaliger Gitarrist Yossi Sassi sind ein bekanntes Beispiel): Haidar und Owczarek legen nun eine musikalische Verbindung von Europa aus. Bleibt zu hoffen, dass uns auf dieser Brücke in der Zukunft noch weitere Werke erwarten.

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