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Braver Than We Are

Ah – endlich hat sich das Traumteam Meat Loaf und Jim Steinman wieder zusammengetan. Das sorgt natürlich schon für Vorfreude. Schließlich haben die beiden zusammen das großartige „Bat Out Of Hell“-Album und sein fast genauso legendäres Sequel von 1992 produziert. Ein Blick auf die Tracklist offenbart dann schon einige bekannte Songtitel, unter anderem das von den Sisters Of Mercy bekannte ‚More‘ und die epische Ballade ‚Loving You’s A Dirty Job‘, die bereits in den 1980ern ein Hit für Bonnie Tyler und Todd Rundgren war. Leider relativiert sich besagte Vorfreude recht schnell, wenn man die CD tatsächlich einlegt.

Der Opener ‚Who Needs The Young‘ erinnert in den ersten Minuten eher an Danny Elfman-Soundtracks als an ein Rock-Album – nun ja, Steinman und Meat Loaf waren ja schon immer sehr Musical-affin. Aber schon nach wenigen Sekunden fragt man sich unweigerlich: was zum Teufel ist das? Statt kraftvoller Power-Vocals hört man zittriges, tonal unsicheres und timingmäßig völlig danebenliegendes Gestammel, Gebrummel und Genuschel. Das soll Meat Loaf sein? Nun, wer die Karriere des Herrn ein wenig mitverfolgt hat, weiß vermutlich längst, daß Meat seit Jahren live nicht mehr in der Lage ist, auch nur einen richtigen Ton zu treffen (man google „Meat Loaf Sydney 2011″). Auf den letzten beiden Studioalben hat man das mit Hilfe der Technik noch ziemlich ordentlich hingebogen, aber anno 2016 ist von der einstigen Götterstimme nun endlich gar nichts mehr übrig. Selbst wenn man das Alter des Herrn berücksichtigt, Gesang kann man das definitiv nicht mehr nennen, was Meat hier von sich gibt. Dagegen sind (ebenfalls altersbedingt stimmlich angeschlagene) Kollegen wie David Coverdale, Fish und Paul Stanley selbst an ihren schlechtesten Tagen nach wie vor wahre Götter. Das hier bewegt sich nur mehr auf dem Niveau eines betrunkenen Kneipen-Gröhlers. Noch elender wird’s beim nachfolgenden, rockigeren Epos ‚Going All The Way Is Just The Start‘, bei dem Meat tatsächlich exakt klingt wie Mr. Burns von den Simpsons. Umso armseliger wirkt das, weil bei diesem Song mit Ellen Foley und Karla DeVito Meats alte Duettpartnerinnen aus „Bat Out Of Hell“-Tagen mit nach wie vor kraftvollen und charismatischen Stimmen mitwirken. Man weiß nicht, ob man aufgrund der gesanglichen „Leistung“ Meats lachen oder weinen soll – da hierfür aber ernsthaft Geld verlangt wird, könnte aber alternativ auch ein gewisses Aggressionspotenzial aufkommen.

Daß noch dazu die Produktion flach, kraftlos und matschig ausgefallen ist und die Songs teils zu Recht in den Siebzigern in Steinmans Schublade geblieben waren, verkommt dabei zur Randnotiz. Selten fiel es mir schwerer, ein Album dreimal durchlaufen zu lassen, in der Hoffnung, doch noch etwas Positives zu finden. „Braver Than We Are“ ist bereits jenseits von Selbstdemontage – das hier ist eine Frechheit, die eigentlich nie hätte veröffentlicht werden dürfen. Aber – und das ist die Pointe dieser Realsatire! – die Scheibe ist tatsächlich in Deutschland auf Platz 7 in die Charts eingestiegen. Ein endgültiger Beweis dafür, daß man der in die Jahre gekommenen Classic Rock-Klientel mittlerweile echt jeden noch so miesen Schwampf andrehen kann.

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