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Pictures

Anspruchsvoller Metal? Warum nicht! Auf Cyrax‚ neues Werk „Pictures“ trifft das allemal zu, meist im positiven Sinne. Zum eben mal nebenbei Anhören ist es auf jeden Fall weniger geeignet. Kaum meint man, ein durchgängiges Riff zum Mitwippen gefunden zu haben, kommt von irgendwo ein Break mit irrwitzigen Keyboard- und Gitarrensoli daher. Auch zügige Knüppelstücke, wie der zweite Part des dreigeteilten und eine mächtige Viertelstunde langen ‚Shine Through Darkness (Pt. I – III)‘, glänzen mit eben mal eingeschobenen Orchesterpassagen, einem fast schon klassischen Violinensolo oder Cembalobegleitung zwischen düsteren Akkorden. Bombastische Anleihen aus klassischer Musik und Symphonic Metal sind aber noch lange nicht alles. Spätestens beim letzten Song ‚Phunkrax‘ wird scheinbar alles zuvor etablierte wieder über den Haufen geworfen. Man beginnt funkig, irgendwann kommt eine Jazzorgel dazu, dazwischen drischt immer mal das Schlagzeug und es kommt nahezu fröhliche Partystimmung auf. Das mag nicht jedem Fan des Schwermetalls passen, sondern eher allzu gewollt alternativ erscheinen, nach einer Minute zum Eingewöhnen nimmt aber eher die Anerkennung überhand.

Einschübe, die scheinbar erstmal nicht passen wollen, ziehen sich durch das gesamte Album der vier Italiener, die laut Booklet von einer ganzen Armee an Solisten und zusätzlichen Chorsängern unterstützt werden. Apropos Gesang: Der wirkt in seiner mal schwülstig opernhaft und mal in Powermetal-Manier vorgetragenen Art gelegentlich wie eine Parodie der häufig schweren Melodien. Doch kaum hat man diesen Gedanken einmal zugelassen, folgt der nächste Bruch im System, den man aber spätestens am Ende des Titels mit einem ungläubigen Kopfschütteln akzeptiert oder sogar bewundert. Erst dann fällt auf, dass die Lieder ja auch Texte haben. Die sind alle verständlich eingesungen und wie der Rest glasklar abgemischt, aber trotzdem bleibt auch nach dem zweiten Durchhören fast nichts davon hängen. Man kann sich noch herleiten, dass sich die Band im ersten Titel ‚Cyrax‚ selbst vorstellt und, was Überschriften wie ‚The 7th Seal‘ und ‚Oedipus Rex‘ bedeuten könnten. Allerdings folgt darauf meist sofort die nächste Klangüberraschung und erstickt jede tiefere Philosophie im Keim.

Dennoch bleibt ein musikalisch höchst faszinierendes Album, das sich für aufgeschlossene Metaller auf jeden Fall eignet. Man sollte seine Erwartungen vielleicht nicht allzu ernst nehmen und außerdem für scheinbar völlig gegensätzliche Musikrichtungen offen sein, aber spätestens dann hat man auf jeden Fall seinen Spaß damit.

geschrieben von Michael Seiler

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