Nocturnal
Amaral sind in Deutschland bislang nur einer Handvoll Insidern bekannt. In ihrer Heimat Spanien hingegen ist das Duo, bestehend aus Eva Amaral (voc) und Juan Aguirre (gtr), einer der erfolgreichsten PopRock-Acts überhaupt, der auf Tour regelmäßig die großen Hallen und Sportarenen füllt. Diese Diskrepanz soll mit dem europaweiten Release des in Spanien schon 2015 veröffentlichten, bislang letzten Studioalbums „Nocturnal“ nun beseitigt werden.
Ja, in der Theorie könnte das durchaus funktionieren. Denn Amaral präsentieren in den 54 Minuten von „Nocturnal“ gut gemachten Mainstream-Gitarren-Pop mit eingängigen Melodien, einer angenehmen Stimme und dem Albumtitel entsprechender melancholischer Atmosphäre. Gesungen wird in Spanisch, was hierzulande immer noch exotisch klingt und somit an sich schon einen gewissen Reiz birgt. Musikalisch finden sich Anleihen bei allem, was im Pop-mit Gitarre-Bereich in den letzten Jahre so relevant war, von alten Coldplay über Snow Patrol und Crowded House bis hin zu U2. Aber leider klingt das Endergebnis aufgrund der extrem glatten und keimfreien Ausführung oftmals eher nach Silbermond, Rea Garvey, der jungen Shakira – und Eros Ramazotti, dessen „waidwundes Reh“-Pathos Eva Amaral bisweilen kräftig bemüht. Klar, bei Radioprogrammgestaltern werden Amaral mit Songs wie ‚Lo Que Nos Mantiene Unidos‘, dem von Akustikgitarren getragenen Highlight ‚La Niebla‘ (mit leichtem Runrig-Schlag) oder dem Titelsong offene Türen einrennen, aber trotz enorm solidem Handwerk ist „Nocturnal“ eben „nur“ ein schönes Popalbum, das aber leider fast ausschließlich auf der Oberfläche funktioniert und über weite Strecken einfach auch etwas bieder wirkt. Schade, denn wie zum Beispiel ‚En El Tiempo Equivocado‘ zeigt, besteht bei Amaral durchaus das Potenzial, auch musikalisch anspruchsvolleres Material abzuliefern – so denn die Produktion nicht jede Ecke und Kante im Keim ersticken würde.
Als Bonus hat die Band das komplette Album im letzten Jahr nochmal in einer Akustikvariante aufgenommen. Die offenbart zwar auch keine verborgenen Tiefen, bietet aber der Stimme mehr Raum und dank schöner, teils recht folkiger Arrangements eine durchaus interessante Alternative. Macht unterm Strich 100 Minuten Musik – „Nocturnal“ bietet somit in der Euro-Version durchaus „Value for Money“. Wer also oben genannte Acts mag oder generell Mainstream-Radio-Mucke nicht abgeneigt ist, darf Amaral gerne auf seinen Einkaufszettel setzen.