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Modern Earth

Landscapes aus dem britischen Somerset traten Ende der 2000er Jahre auf die Bildfläche. Eine Zeit, in der Melodic Hardcore gerade dabei war, von derselben zu verschwinden. Viele der großen Bands dieser Ära hatten sich bereits aufgelöst oder ihren Zenit überschritten als Landscapes 2012 ihr erstes Full-Length-Album ‚Life Gone Wrong‘ herausbrachten. Vier Jahre später erscheint mit ‚Modern Earth‘ ein Nachfolger, dessen verspieltes Covermotiv und neutraler Titel zunächst eine Abkehr von der eher düster-melancholischen Grundstimmung der Band und eine Hinwendung zu moderneren Klängen vermuten lässt. Doch weit gefehlt. Ganz weit. Die Band ist erwachsener geworden, doch wie schon das Album ‚Fever Hunting‘ von Modern Life Is War zeigte, verschwinden die einstigen Probleme nicht mit den Jahren, sie hinterlassen lediglich tiefere Gräben. So liest sich ‚Modern Earth‘ geradezu wie eine Fortsetzung zu ‚Life Gone Wrong‘, in Form einer Abwärtsspirale. Während der Vorgänger vor allem die Angst vor Veränderung und Verlust im Prozess des Heranwachsens thematisierte, beschreibt dieses Album in ergreifender Eindringlichkeit das Gefühl von Einsamkeit und tief empfundenem Weltschmerz. Die schwermütige Stimmung der Texte wird zusätzlich untermalt durch das allgegenwärtige Thema der Nacht, das sich in jedem der elf Titel wiederfindet und den Bezug zum Albumcover herstellt. Wollte man den Grundtenor der Scheibe in einem Zitat wiedergeben, würde sich der folgende Textauszug exemplarisch dafür eignen:

‚I’ve been wandering the streets at night alone. It’s likely, I’ll be found beneath my name that’s etched in stone.‘

‚Modern Earth‘ beginnt mit dem Instrumentalstück ‚Mouths Of Decadence‘, das mit seiner trübsinnigen Melodie, umrahmt von den Geräuschen gestörter Übertragungen in den Weiten des Weltraums, schon einmal auf das entrückte Ambiente des Albums einstimmt. Das darauf folgende ‚Observer‘ folgt dem Muster bekannter Landscapes-Songs. Mid-Tempo, keine Leerläufe, ins Mark dringende Schreie und eine Message, so schwarz wie die Nacht :

‚From the day I was born I’ve been waiting to die.‘

Seinen ‚Coming of Age‘-Moment, im Sinne der Eingängigkeit des Refrains wie im gleichnamigen Song des vorangegangenen Albums, findet sich hier in ‚Death After Life‘, welches wahrscheinlich schon beim ersten Hören im Ohr haften bleiben wird.

‚Even though I’m sinking in deep sleep, I’m still calling your name every time I fall…‘

Gleiches gilt für ‚Embrace‘, das noch ein bisschen Härte nachlegt. Der gesamte Mittelteil des Albums weicht jedoch vom ‚Landscapes-Standard‘ ab und wird experimenteller. ‚Remorser‘ ist ein Akustik-Titel, mit fast gesprochenem Gesang, ähnlich wie der Song ‚Providence‘ auf dem Vorläufer. ‚Neighbourhood‘ beginnt ebenfalls eher seicht und steigert sich dann hin zu einem sehr melodischen Finale. ‚Escapist‘ fängt ähnlich an, wird zum Ende hin jedoch viel dramatischer und erinnert durch den beinah hysterischen Gesang ein wenig an Defeater. ‚Aurora‘ ist ein Intermezzo in Form eines dystopischen Gedichts vor dem gleichen sphärischen Hintergrund des Intros.

‚It seems to be, on nights like these, we’ve made a hell of earth, the very damnation we deserve. This is when we sit beside the graves we’ve dug.‘

Corey Taylor von Stone Sour hätte es nicht besser hinbekommen. ‚Radiance‘ zieht das Tempo danach deutlich an und fügt erneut die dramatische Defeater-Note hinzu. In ‚Transient‘ wird es wieder melodischer und ‚Heaven Ascended‘ wiederholt die Formel der langsam ansteigende Spannungskurve von ‚Escapist‘, nur dass die Defeater-esque Dramatik noch von einem fast schon orchestralen Klangteppich untermauert wird, welcher in der gespenstischen Kulisse der entfernten Übertragungsgeräusche aus dem Intro mündet. Der Kreis schließt sich.

Landscapes zeigen mit ‚Modern Earth‘, wie sich eine Band weiterentwickeln kann, ohne sich zu sehr von ihren Wurzeln zu entfernen. Während ein Teil der Songs die eindeutige Handschrift der Band trägt, ist vor allem der Mittelteil des Albums von experimentellen Einschlägen geprägt, die sich jedoch hervorragend in das Gesamtbild einfügen und für Abwechslung sorgen. Das Thema Nacht und Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch alle Titel und sorgt für ein stimmiges, wenn auch deprimierendes, Konzept. ‚Modern Earth‘ gleich dahingehend einem schwarzen Loch. Es ist äußerst unheimlich aber doch oder gerade deswegen so faszinierend. Wer Melodic Hardcore aus Großbritannien mit seiner scheinbar ureigenen Bedrücktheit (liegt das am dortigen Wetter?) mag und mit Bands wie Dead Swans, More Than Life und Departures etwas anfangen kann, oder wer einfach nur seine eigene kleine Depression kultivieren möchte, ist mit dem neuen Landscapes-Album bestens aufgehoben! Musikalisch ist es für Freunde des Genres allemal ein Hörgenuss, zumal entsprechende Angebote mittlerweile rar gesät sind.

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