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Metaldays 2016 – Regen und Donnergrollen im Paradies (1)

1.jpg „Das Festivalgelände des ehemals Metalcamp genannten Festivals liegt am grünen, sehr idyllischen Zusammenfluss der beiden Flüsse Soca und Tolminka unweit des Triglav-Nationalparks. Das türkisblaue, erfrischend kühle Wasser der Soca ist ein gewichtiges Alleinstellungsmerkmal des Metalfestivals südlich der julischen Alpen. Welcher Metalhead will sich nicht von der sommerlichen Hitze Ende Juli zwischen zwei Konzerten abkühlen oder den Tag chillig mit einer traumhaften Schlauchbootfahrt im Fluss beginnen? Und auch wenn genau das auch in diesem Jahr zahlreich in die Tat umgesetzt wurde, waren dem Veranstalter die Wettergötter dieses Mal nicht ganz so gewogen wie bei der extrem trockenen Hitze der Metaldays der letzten Jahre.

2.JPG „Aber natürlich liess es sich auch die Whiskey-Soda-Abordnung nicht nehmen, sich die wunderbar grüne Soca zwischen johlenden Metalheads hinuntertreiben zu lassen und das Festivalgelände mit den wundervollen kulinarischen (wenn auch nicht ganz billigen) Angeboten ausgiebig zu erkunden. Am späten Montagnachmittag zeigten Fleshgod Apocalypse aus Rom auf der Hauptbühne (benannt zu Ehren des verstorbenen Lemmy Kilmister), warum sie zu Recht als DIE Band gelten, die Deathmetal spektakulär mit Klassik und Oper kombiniert. Von der theatralischen Show mit ihrer maskierten Sopranistin Veronica Bordacchini über die Rokoko-Kostüme bis natürlich hin zum druckvollen Sound, die Band ist live ein echtes Erlebnis. Apropos Sound: Hier muss der Festivaltechnik bzw. dem Veranstalter ein dickes Lob ausgesprochen werden: Egal wie unbekannt die Band, egal auf welchem Platz in der Running Order: Der Sound war jederzeit astrein – von unvermeidlichen kleineren technischen Pannen, die es bei jedem Festival dieser Grössenordnung gibt, einmal abgesehen! So war trotz heftigem Gewitter und Regen bereits am ersten offiziellen Tag die Stimmung bei den Festivalbesuchern bestens. Nicht wirklich anders zu erwarten bei der grünen Umgebung und bekanntermassen leidenschaftlichen Metalfans.

3.JPG „Der Dienstag begann vielversprechend mit Sonnenschein und hohen Temperaturen bereits am späten Vormittag. Und so schien sich zumindest gefühlt ein Grossteil der Metalgemeinde zunächst wieder mit dreiundzwölfzig kühlen Bierchen an den Kiesstränden der Soca eingefunden zu haben. Scheinbar lief sogar ein inoffizieller Wettbewerb, wer das abgefahrendste aufblasbare Flussfahrzeug am Start hat. Von klassischen Schlauchbooten über schwimmende Strandkörbe bis zu Einhörnern wurde alles gesichtet – und natürlich auch jede Menge Konstruktionen, um das naturgekühlte Hopfengetränk immer griffbereit zu haben. Doch zum Auftritt der Fantasy-Metaller Gloryhammer hatten sich dann doch etliche Langhaarträger vor der Mainstage eingefunden – inklusive der erwähnten, aufblasbaren Einhörner. Vielleicht hatte das Strömen etlicher Besucher zur Lemmy-Stage auch daran gelegen, dass das erneute Donnergrollen von den nahen Bergen das vorzeitige Ende der Badefreuden ankündigte.

4.JPG „Zu Beginn passte das entfernte Rumpeln noch erstklassig zum launig-melodischen Powermetal mit der gewissen Spur Selbstironie. Der Schweizer Frontmann Thomas Winkler, im wirklichen Leben Rechtsanwalt, beeindruckte mit pathetischen Gesten und vor allem mit seinem Vier-Oktaven-Organ. Wie die Fans vor der Bühne liess sich auch die Band nicht vom nahenden Gewitter beeindrucken. Im Gegenteil, die Stimmung war ausgelassen und auf der Bühne wurden zu ‚Legend of the Astral Hammer‘ wie auch unter den Fans die sprichwörtlichen Kriegshämmer geschwungen. Natürlich nur Attrappen. Die Besen und Wischmobs, die nur kurz darauf geschwungen wurden, waren leider echt: Das Gewitter mit Sturmböen hatte die Bühne sprichwörtlich unter Wasser gesetzt und das Konzert musste gänzlich abgebrochen werden, leider allen „Fuck the Rain“-Rufen aus dem Publikum zum Trotz. Nach den Umbauarbeiten und dem Trockenlegen der Bühne zelebrierten schon bald die isländischen Viking-Metaller Skalmöld ihr Set im strömenden Regen. Die recht überschaubare Menschenmenge zu diesem Zeitpunkt feierte die eingängig-groovigen Songs der Herren von der nordischen Insel mit dem von der Fussball-EM bekannten „Huh-Schlachtruf“. Die Band zeigte sich sichtlich geehrt, während sich der Platz vor der Bühne in ein Schlammloch verwandelte.5.JPG „Die mit Abstand härteste Band des Tages waren Cattle Decapitation, in jeder Hinsicht extrem – und das ist natürlich lobend gemeint. Gore und dissonant-geniale Härte, kombiniert mit tiefgehenden Texten, die im weitesten Sinne davon handeln, wie der Mensch seine eigene Existenzgrundlage zerstört. So auch im grandiosen, aktuellen Album „The Antropocene Extinction“. Klassische Gitarrensoli sind bei Deathgrind-Bands wie Cattle Decapitation in der Regel Mangelware, ganz im Gegensatz zum irrwitzigen Tempo, infernalischen Screams und Growls und von Gore gespickten Texten. Frontmann Travis Ryan machte in den Songpausen sympathischen Smalltalk irgendwo zwischen Bewunderung und Kopfschütteln, denn vor der Bühne lief passend zur Musik eine wahrlich beeindruckende Mischung aus Circlepit, Schlammschlacht und Erlebniscampen ab: „You guys are some amazingly crazy motherfuckers“ lobte der Kalifornier mit der ultraderben Gesangsstimme die europäischen Fans, die die Band für diesen Kommentar nur noch mehr abfeierten.

7.JPGInsomnium gaben kurz danach eine ebenfalls sehr gute Figur ab. Als die Jungs begannen, hatte sich das Gewitter endlich verzogen und die Sonne hat ihren Kampf gegen die dunklen Regenwolken gewonnen. Der kühlen Abendsonne begegneten die Finnen damit, dass sie den Fans mit ihrem melodischen Deathmetal nochmals einheizen. Das Publikum wirkte gleichzeitig begeistert und entspannt. Grossartig! Nach dem Regen machten sich viele Besucher nach dem letzten Song von Insomnium auf, um etwas zu Abend zu Essen oder einen Blick auf die Second Stage zu werfen. Bei hervorragendem indischem Essen konnte man auch beides kombinieren. Auf der Nebenbühne im Schutz grosser Bäume lief zur Abendmahlzeit Gothic Metal aus Malta. Die Insel ist bekannt für Gothic und Doom Bands und Weeping Silence steht fest in dieser Tradition. Die Band, die bereits 2014 in Slowenien zu Besuch war, bringt es inklusive Keyboarder und zwei Sängern auf sieben Musiker, die auf der Bühne jede Menge Action bieten. Besonders die Verbindung der klaren weiblichen Stimme von Diane Camenzuli und die Growls von Dario Pace Taliana mundeten hervorragend zum frisch zubereiteten Abendessen. Da störte es nur wenig, dass derlei Kombinationen nichts wirklich Neues mehr sind.

8.jpg „Zurück zur Hauptbühne, wo Skindred mit Einspielern von AC/DC und dem imperialen Marsch von Star Wars bei Konzertauftakt zunächst für Stirnrunzeln sorgten. Völlig unbegründeter Weise, wie man vorausschicken muss. Der quirlige Fünfer aus Wales, allen voran Frontmann Benji Webbe, sorgte in den folgenden 90 Minuten zweifellos für beste Partylaune, ja geradeazu einen Partyrausch im deutlich angewachsenen Publikum. Mit ihrem launigen Mix aus Metal, Rap und Reggae sorgten an den Saiten die beiden Jungs mit den ZZ-Top-Gedächtnisbärten für eine grandiose Show. Frontmann Webbe dirigierte das Publikum ganz nach Belieben bei Lautstärke-Wettbewerben, Mitsingen und den unvermeidbaren Circle-Pits und schien daran mehr Spass zu haben als alle anderen. Die kleinen musikalischen Scherze von DJ Dan Sturgess im Hintergrund sorgten für zusätzliches Schmunzeln. Kurzum – die britischen Crossover-Rocker sorgten für einen der absolut überraschendsten Höhepunkte der Festivalwoche.

Text: Daniel Frick
Fotos: Sonja & Daniel Frick

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